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Iran
Abgeschlossen am 1. August 2016

Menschenrechtsverteidigerin im Hungerstreik

AI-Index: MDE 13/4401/2016

Die iranische Menschenrechtsverteidigerin und gewaltlose politische Gefangene Narges Mohammadi befindet sich seit dem 27. Juni im Hungerstreik. Sie protestiert damit gegen die fortgesetzte Weigerung der Behörden, ihr den telefonischen Kontakt zu ihren neunjährigen Zwillingen zu ermöglichen. Da Narges Mohammadi schwer krank ist und mehrere Medikamente nehmen muss, sind ihre Gesundheit und ihr Leben aufgrund des Hungerstreiks noch mehr gefährdet.

Die bekannte Menschenrechtsverteidigerin und gewaltlose politische Gefangene Narges Mohammadi ist am 27. Juni in einen Hungerstreik getreten. Sie sieht darin die letzte Möglichkeit des Protests gegen die anhaltende Weigerung der Behörden, ihr den telefonischen Kontakt zu ihren Kindern zu erlauben. Ihre inzwischen neunjährigen Zwillinge mussten vor einem Jahr ins Ausland zu ihrem Vater ziehen, da sich im Iran seit der Inhaftierung von Narges Mohammadi im Mai 2015 niemand um sie kümmern konnte. Die Menschenrechtlerin durfte im vergangenen Jahr lediglich ein Telefongespräch mit ihren Kindern führen. Am 27. Juni schrieb sie aus dem Evin-Gefängnis einen Brief, in dem sie ihren Hungerstreik ankündigte. Darin erklärte Narges Mohammadi, dass alle ihre Anträge auf telefonischen Kontakt zum ihren Kindern abgelehnt worden seien, bis ihr am 2. April auf schriftliche Anweisung des Staatsanwalts von Teheran ein zehnminütiges Gespräch mit ihren Zwillingen erlaubt worden sei. Sie schrieb: „Ich kann mich nicht mehr an ihre Stimmen erinnern. Ihre Fotos stehen nicht mehr neben meinem Bett. Ich kann es nicht mehr ertragen, sie anzuschauen … [Die Behörden] betrachten es als Verbrechen, dass ich eine Menschenrechtsverteidigerin bin. Aber noch schmerzhafter ist, dass sie mir vorenthalten, Frau und Mutter zu sein. Bis zum Tag an dem ich sterbe und für immer verstumme, werde ich protestieren und ich werde das alles nie vergessen.“ Im Februar 2016 hatte sie einen offenen Brief an die Oberste Justizautorität geschrieben, in dem sie beklagte, dass die Behörden ihr den telefonischen Kontakt mit ihren Kindern verweigerten, um sie noch mehr zu bestrafen.

Narges Mohammadi ist schwer krank. Sie leidet an einer Lungenembolie (ein Blutgerinnsel in ihren Lungen) und an einer neurologischen Erkrankung, die zu Krampfanfällen und Lähmungserscheinungen führt. Sie benötigt eine permanente fachärztliche Behandlung, die im Gefängnis nicht möglich ist. Zudem muss sie täglich Medikamente einnehmen. Der Hungerstreik bedeutet eine weitere Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben. Am 3. Juli wurde sie aus dem Teheraner Evin-Gefängnis ins Krankenhaus Iran Mehr in Teheran gebracht, um Routineuntersuchungen wegen ihrer Lungenembolie vornehmen zu lassen.

Narges Mohammadi wurde in einem unfairen Gerichtsverfahren im April 2016 in mehreren Anklagepunkten für schuldig befunden und zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anklagepunkte lauteten auf „Gründung einer verbotenen Gruppierung“ und „Verbreitung von Propaganda gegen das System“. Sie verbüsst bereits eine sechsjährige Haftstrafe, die in einem separaten Verfahren gegen sie verhängt wurde. Die Schuldsprüche stehen alle in Zusammenhang mit ihrer Menschenrechtsarbeit.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Artikel 9 Absatz 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, das der Iran unterzeichnet hat, fordert: „Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes, das von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, regelmässige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.“ Die Grundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung weiblicher Gefangener und für nicht freiheitsentziehende Massnahmen für weibliche Straffällige (Bangkok-Regeln ) verlangen von allen Staaten, auf die Auswirkungen einer Freiheitsentziehung oder Freiheitsstrafe eines oder beider Elternteile auf Kinder zu achten. Insbesondere sind dabei bewährte Praktiken zu ermitteln und zu fördern, wenn es um die Bedürfnisse und die körperliche, seelische, soziale und psychische Entwicklung von Kindern geht, die von der Freiheitsentziehung und Freiheitsstrafe eines oder beider Elternteile betroffen sind.
Am 27. Juni 2016 erläutert Narges Mohammadi in einem Brief die Gründe für ihren Hungerstreik:
„Im Juni vor einem Jahr gingen meine beiden Kinder nach Frankreich zu ihrem Vater, weil sie nicht länger alleine ohne ihre Eltern leben konnten. Ich denke immer wieder an unsere letzte Begegnung und weiss nicht, wie viele Tränen ich dabei vergossen habe. Ich habe eine Telefongenehmigung beantragt, um wenigstens ihre Stimmen zu hören, aber dies wurde mir verweigert… Vor ihrem Geburtstag habe ich noch einmal gefragt, ob ich mit ihnen sprechen darf, um ihnen wenigstens zu gratulieren, aber wieder vergeblich. Im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses ist Telefonieren verboten, und es gibt auch kein Telefon, von dem aus man seine Angehörigen anrufen könnte. Mütter dürfen nur einmal in der Woche Besuch von ihren Kindern bekommen. Jeden Mittwoch, wenn meine Mitgefangenen in den Besuchsraum gehen und mit ihren Liebsten sprechen … kann ich nur davon träumen, meine Kiana und meinen Ali wiederzusehen. In meinen Tagträumen rieche ich an ihren kleinen Händen und küsse ihre wunderschönen Gesichter… Nur in solchen Träumen kann ich ihnen nahe sein.
Mein Gefängnisaufenthalt und die Verurteilung zu 16 Jahren Haft haben mich nicht dazu gebracht, irgendetwas zu bedauern, sondern mich in meinen Überzeugungen und meinem Engagement für die Menschenrechte sogar noch bestärkt. Doch mein Schmerz wegen der Trennung von meinen geliebten Kindern kann durch nichts gelindert werden ... In einem Land, wo es schwer ist, eine Frau zu sein, eine Mutter zu sein, eine Menschenrechtsverteidigerin zu sein, ist es natürlich ein unverzeihliches Verbrechen, dies alles zugleich zu sein. In diesem meinem Land wurde ich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil ich das Verbrechen begangen habe, zugleich Feministin, Menschenrechtsverteidigerin und Gegnerin der Todesstrafe zu sein.
Meine Kinder waren gerade drei Jahre alt, als mitten in der Nacht die Polizei unser Haus durchsuchte, mir meine kleine Kiana aus den Armen riss und mich in eine Zelle steckte. Sie waren fünf, als ihr Vater ins Ausland gehen musste und die Polizei mich wieder abholen wollte. Meine Kleinen wollten mich natürlich nicht gehen lassen, aber die BeamtInnen logen ihnen vor, ich wäre bald wieder zuhause. Vor einem Jahr, am 5. Mai 2015, liessen sie meine Kinder, die von der Schule nach Hause kamen und hofften, dass ihre Mutter wieder zuhause sei, verzweifelt vor der verschlossenen Tür stehen. Jetzt frage ich die frommen Männer, die unser Land regieren: ;Habt ihr mir und meinen Kindern nicht schon genug Leid angetan, müsst ihr meine unschuldigen Kleinen jetzt auch noch so quälen?‘ Ein Jahr lang habe ich geduldig gewartet, und nichts ist passiert. Es widerstrebt mir, aber jetzt bleibt mir trotz meines schlechten Gesundheitszustands nur eine letzte Möglichkeit: mit einem Hungerstreik dafür zu sorgen, dass der Aufschrei einer Mutter, die ihre Kinder vermisst, gehört wird. Ich verlange nicht mehr, als dass man mich am Telefon mit meinen Kindern sprechen lässt. Ist dieser Wunsch zu gross, ist er unzumutbar oder unmoralisch, verstösst er gegen das Gesetz oder gefährdet er die nationale Sicherheit? Dann sagt mir das. Wenn einer Mutter, die in den Augen der Regierung eine Verbrecherin ist, das Recht verweigert werden muss, mit ihren Kindern zu sprechen, dann sagt das, wenn nicht, dann erlaubt dieser Mutter, die Stimme ihrer Kinder zu hören.”

8 Briefe verschickt  
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