Medizinische Behandlung von Narges Mohammadi abgebrochen
Die iranische Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi ist aus dem Krankenhaus zurück in das Evin-Gefängnis in Teheran gebracht wurden, obwohl ihr Gesundheitszustand kritisch ist und das medizinische Fachpersonal sich dagegen aussprach, die benötigte fachärztliche Behandlung abzubrechen. Narges Mohammadi ist eine gewaltlose politische Gefangene.
Narges Mohammadi ist am 11. Oktober aufgrund von Lähmungserscheinung aus dem Evin-Gefägnis in Teheran in ein Krankenhaus gebracht worden. Sie leidet an einer Lungenembolie (ein Blutgerinnsel in ihren Lungen) und an einer neurologischen Erkrankung, die sich durch Lähmungserscheinungen äussert. Ihre medizinische Behandlung wurde am 28. Oktober unterbrochen, als sie gegen den Rat des medizinischen Fachpersonals zurück in das Evin-Gefängnis gebracht wurde. Ihr Ehemann, Taghi Rahamani, teilte Amnesty International mit, dass seine Frau in den ersten Tagen mit Handschellen an das Krankenhausbett gefesselt wurde. Zudem befanden sich während ihres gesamten Krankenhausaufenthalts PolizeibeamtInnen in dem Raum und an der Tür.
Narges Mohammadi wurde bereits am 7. Oktober wegen Lähmungserscheinungen in das Krankenahaus Imam Khomeini in Teheran gebracht. Nach nur wenigen Stunden brachten die Behörden sie wieder zurück ins Gefängnis, obwohl NeurologInnen empfahlen, sie für eine fachärztliche Behandlung in ein Krankenhaus zu verlegen.
Das für den 6. Oktober angesetzte Gerichtsverfahren gegen Narges Mohammadi wegen «Verbreitung von Propaganda gegen das System» und «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit» hat nicht stattgefunden. Das Gericht stellte keine Erklärung dafür bereit. Die Staatsanwaltschaft verweigert Narges Mohammadi ausserdem ihr Recht, Telefonate mit ihren Kindern zu führen. Die beiden achtjährigen Zwillinge sind kürzlich zu ihrem Vater ins Ausland gezogen, da sie im Iran keine Betreuungsperson hatten. Zuletzt hat Narges Mohammadi vor mehr als drei Monaten mit ihren Kindern gesprochen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Das Gerichtsverfahren gegen Narges Mohammadi wegen «Verbreitung von Propaganda gegen das System» und «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit» sollte am 6. Oktober beginnen. Vor ihrer Festnahme im Mai 2015 gab Narges Mohammadi gegenüber Amnesty International an, die Anklagen gegen sie seien ausschliesslich aufgrund ihres friedlichen Engagements für die Menschenrechte erhoben worden. Ihren Angaben zufolge gründeten sich die Anklagen unter anderem darauf, dass sie Interviews gegeben und vor Hinrichtungen Versammlungen vor Gefängnissen abgehalten hatte, um die Familien der zum Tode Verurteilten zu unterstützen. Ausserdem habe sie Kontakte zu anderen MenschenrechtlerInnen und hatte sich im März 2014 mit Catherine Ashton, der damaligen Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Aussen- und Sicherheitspolitik, getroffen. Narges Mohammadi wird zudem «Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation, deren Ziel die Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit ist», vorgeworfen, da sie die Organisation «Step by Step to Stop Death Penalty» gründete, eine Gruppe, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran einsetzt.
Narges Mohammadi hat im April 2012 eine sechsjährige Haftstrafe angetreten. Ihr werden «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit» und die «Verbreitung von Propaganda gegen das System» durch ihr friedliches Engagement für die Menschenrechte vorgeworfen. Drei Monate später wurde sie aus der Haft entlassen. Vor ihrer Haftentlassung war ihr befristeter Freigang gewährt worden, damit sie eine Krankheit, die sich durch Lähmungserscheinungen äussert und die sich in Haft verschlimmert hatte, ärztlich behandeln lassen konnte. Narges Mohammadi leidet zudem an epileptischen Anfällen und Sehverlust.
Im Juli 2015 schrieb Narges Mohammadi vom Evin-Gefängnis aus einen langen offenen Brief an die Staatsanwaltschaft von Teheran. Darin schrieb sie: «Und ich, eine Mutter, die der Schmerzen und des Leidens müde ist, bin zurückgeblieben. Mein Herz wurde in Hunderte Stücke zerrissen. Meine Hände richten sich wie selbstverständlich gen Himmel. Lieber Gott, bitte nimm meine Hände und gib mir die nötige Geduld. Ich werde ihre [die ihrer Kinder] unschuldigen Gesichter sehr lange nicht sehen können. Ich werde ihre Stimmen nicht hören können. Ich werde ihren Duft nicht riechen können, während ich sie in meinen Armen halte. Oh Gott, meine Arme fühlen sich ohne meine Kinder so kalt und leer an. Meine Hände bewegen sich auf meine Brust zu, die sich anfühlt, als stünde sie in Flammen. Meine Wangen brennen von den Tränen, die in Strömen an ihnen herunterfliessen. Die Lava, die aus meinen Augen fliesst, fühlt sich an wie Feuer aus der Tiefe meines Herzens.» Weitere Informationen finden Sie auf Englisch unter https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2015/08/narges-mohammadi-tearing-my-heart-to-pieces-iran/.
Die iranischen Behörden bringen Inhaftierte, die eine medizinische Behandlung benötigen, regelmässig ins Krankenhaus. Nach Informationen von Amnesty International wird den Häftlingen allerdings nicht immer die notwendige medizinische Behandlung gewährt, sondern sie werden einfach wieder zurück ins Gefängnis verlegt. Unabhängig davon, ob dies absichtlich oder aus Nachlässigkeit geschieht, bricht der Iran seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen, wenn Inhaftierten keine angemessene medizinische Versorgung gewährt wird. Die Verweigerung einer notwendigen medizinischen Behandlung könnte eine Verletzung von Artikel 7 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte darstellen, in dem das Verbot der Folter oder anderweitiger grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verankert ist. Der Iran ist Vertragsstaat dieses Paktes sowie des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Dort ist in Artikel 12 das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmass an körperlicher und geistiger Gesundheit anerkannt. In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (Mandela Rules) ist zudem festgelegt, dass Gefängnisse eine angemessene und diskriminierungsfreie medizinische Versorgung sicherstellen müssen (Grundsätze 24-35) und dass kranke Gefangene, die fachärztlicher Behandlung bedürfen, in darauf spezialisierte Vollzugsanstalten oder in öffentliche Krankenhäuser einzuliefern sind (Grundsatz 27(1)). Weitere Informationen finden Sie auf Englisch unter https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/2508/2015/en/.