Narges Mohammadis Gerichtstermin auf 6. Oktober festgelegt
Die iranische Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi wird am 6. Oktober in Teheran vor Gericht gestellt. Ihr werden Straftaten gegen die nationale Sicherheit vorgeworfen. Sie erhält weiterhin nicht die notwendige fachärztliche Behandlung. Narges Mohammadi ist eine gewaltlose politische Gefangene.
Am 6. Oktober soll das Gerichtsverfahren gegen Narges Mohammadi beginnen. Der Menschrechtsaktivistin wird unter anderem «Verbreitung von Propaganda gegen das System» und «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit» vorgeworfen. Vor ihrer Festnahme im Mai 2015 gab Narges Mohammadi gegenüber Amnesty International an, die Anklagen gegen sie seien ausschliesslich aufgrund ihres friedlichen Engagements für die Menschenrechte erhoben worden. Ihren Angaben zufolge handelte es sich bei den gegen sie vorliegenden «Beweisen» unter anderem um von ihr gegebene Interviews und die Tatsache, dass sie vor bevorstehenden Hinrichtungen an Versammlungen vor Gefängnissen teilgenommen hatte, um die Familien der zum Tode Verurteilten zu unterstützen. Ausserdem wurden ihre Kontakte zu anderen MenschenrechtsaktivistInnen und ihr Treffen mit Catherine Ashton, der damaligen Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Aussen- und Sicherheitspolitik, im März 2014 gegen sie verwendet. Narges Mohammadi wird zudem «Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation, deren Ziel die Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit ist», vorgeworfen, da sie die Organisation «Step by Step to Stop Death Penalty» gründete, eine Gruppe, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran einsetzt.
Der Ehemann von Narges Mohammadi, Taghi Rahmani, gab Amnesty International gegenüber an, das NeurologInnen empfählen, sie für eine fachärztliche Behandlung in ein Krankenhaus zu verlegen, doch die Behörden lehnten dies ab. Narges Mohammadi erhält nun zumindest regelmässig die notwendigen Medikamente.
Die Staatsanwaltschaft verweigert Narges Mohammadi ausserdem ihr Recht, Telefonate mit ihren Kindern zu führen. Die beiden achtjährigen Zwillinge sind kürzlich zu ihrem Vater nach Paris gezogen, da sie im Iran keine Betreuungsperson hatten. Zuletzt hat Narges Mohammadi vor mehr als zwei Monaten mit ihren Kindern gesprochen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Narges Mohammadi hat im April 2012 eine sechsjährige Haftstrafe angetreten. Ihr werden «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit» und die «Verbreitung von Propaganda gegen das System» durch ihr friedliches Engagement für die Menschenrechte vorgeworfen. Drei Monate später wurde sie aus der Haft entlassen. Vor ihrer Haftentlassung war ihr befristeter Freigang gewährt worden, damit sie eine Krankheit, die sich durch Lähmungserscheinungen äussert und die sich in Haft verschlimmert hatte, ärztlich behandeln lassen konnte. Narges Mohammadi leidet zudem an epileptischen Anfällen und Sehverlust. Bis zu ihrer jüngsten Festnahme im Mai 2015 hatte sie sich grösstenteils in Freiheit befunden. Offenbar steht die Festnahme im Mai im Zusammenhang mit ihrem vorherigen Verfahren.
Im Juli 2015 schrieb Narges Mohammadi vom Evin-Gefängnis aus einen langen offenen Brief an die Staatsanwaltschaft von Teheran. Darin schrieb sie: «Und ich, eine Mutter, die der Schmerzen und des Leidens müde ist, bin zurückgeblieben. Mein Herz wurde in Hunderte Stücke zerrissen. Meine Hände richten sich wie selbstverständlich gen Himmel. Lieber Gott, bitte nimm meine Hände und gib mir die nötige Geduld. Ich werde ihre [die ihrer Kinder] unschuldigen Gesichter sehr lange nicht sehen können. Ich werde ihre Stimmen nicht hören können. Ich werde ihren Duft nicht riechen können, während ich sie in meinen Armen halte. Oh Gott, meine Arme fühlen sich ohne meine Kinder so kalt und leer an. Meine Hände bewegen sich auf meine Brust zu, die sich anfühlt, als stünde sie in Flammen. Meine Wangen brennen von den Tränen, die in Strömen an ihnen herunterfliessen. Die Lava, die aus meinen Augen fliesst, fühlt sich an wie Feuer aus der Tiefe meines Herzens.» Weitere Informationen finden Sie auf Englisch unter https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2015/08/narges-mohammadi-tearing-my-heart-to-pieces-iran/.
Die iranischen Behörden bringen Inhaftierte, die eine medizinische Behandlung benötigen, regelmässig ins Krankenhaus. Nach Informationen von Amnesty International wird den Häftlingen allerdings nicht immer die notwendige medizinische Behandlung gewährt, sondern sie werden einfach wieder zurück ins Gefängnis verlegt. Unabhängig davon, ob dies absichtlich oder aus Nachlässigkeit geschieht, bricht der Iran seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen, wenn bedürftigen Inhaftierten keine angemessene medizinische Versorgung gewährt wird. Die Verweigerung einer notwendigen medizinischen Behandlung könnte eine Verletzung von Artikel 7 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte darstellen, in dem das Verbot der Folter oder anderweitiger grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verankert ist. Der Iran ist Vertragsstaat dieses Paktes sowie des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Dort ist in Artikel 12 das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmass an körperlicher und geistiger Gesundheit anerkannt. In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (Mandela Rules) ist zudem festgelegt, dass kranke Gefangene, die fachärztlicher Behandlung bedürfen, in darauf spezialisierte Vollzugsanstalten oder in öffentliche Krankenhäuser einzuliefern sind. Weitere Informationen finden Sie auf Englisch unter https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/2508/2015/en/.
Auch die iranischen Gefängnisvorschriften werden regelmässig von Gefängnis- und Justizbehörden missachtet. In den Vorschriften bezüglich der Gefängnisverwaltung ist vorgesehen, dass Häftlinge, die an schweren gesundheitlichen Problemen leiden, die nicht im Gefängnis behandelt werden können, oder deren Gesundheitszustand sich durch einen anhaltende Inhaftierung verschlechtern würde, zur medizinischen Behandlung aus der Haft entlassen werden müssen.