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Leben und Gesundheit von schwangerem Mädchens nach wie vor in Gefahr
In Paraguay werden einem 10-jährigen schwangeren Mädchen nach wie vor die Rechte auf Gesundheit, Leben und körperliche und geistige Unversehrtheit verwehrt. Trotz nationaler und internationaler Kritik durfte das Mädchen die Schwangerschaft, die das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, bisher nicht abbrechen.
Nach einer richterlichen Anordnung trat Mitte Mai endlich ein interdisziplinärer Sachverständigenausschuss (junta médica interdisciplinaria) zusammen, um den Gesundheitszustand und die Verfassung der 10 jährigen Schwangeren zu beurteilen. Der Ausschuss erstellte einen Bericht mit Empfehlungen, die nach paraguayischem Recht jedoch vertraulich bleiben müssen, um das Recht des Mädchens auf Privatsphäre zu schützen. Derzeit ist noch nicht klar, ob das Gericht über Massnahmen entschieden hat, um die Gesundheit und geistige Unversehrtheit des Mädchens garantieren. Das Leben und die Gesundheit des Mädchens sind daher nach wie vor in Gefahr.
Das Mädchen erhält nach wie vor keinen Zugang zu allen erforderlichen Gesundheitsdiensten, obwohl die Schwangerschaft bereits am 21. April entdeckt und der Sachverständigenausschuss vor mehr als zehn Tagen gegründet wurde. Die paraguayischen Behörden scheinen die Dringlichkeit und den Ernst der Lage nicht zu erkennen.
Nationale und internationale Organisationen haben die paraguayischen Behörden aufgefordert, alle Risiken, die mit der Schwangerschaft des Mädchens verbunden sind, öffentlich anzuerkennen. Am 11. Mai stellten UN-ExpertInnen fest, dass die Verweigerung eines zeitnahen medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruchs durch die Behörden eine schwere Verletzung der Rechte auf Leben, Gesundheit und körperliche und geistige Unversehrtheit des Mädchens darstellt. Zudem sei ihr Recht auf Bildung verletzt worden, was eine Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bedeuten könne.
Die paraguayischen Behörden ignorierten mehr als 500.000 Appelle, die ihnen von UnterstützerInnen von Amnesty International aus der ganzen Welt zugeschickt wurden. In den Appellen forderte man die Behörden auf, dem Mädchen den Zugang zu jeglichen Dienstleistungen zu ermöglichen, die erforderlich sein könnten, um ihre Menschenrechte kurz-, mittel- und langfristig zu schützen.
Erst nachdem die Schwangerschaft festgestellt wurde, leitete man Untersuchungen des Missbrauchs durch ihren Stiefvater ein. Dieser wurde am 10. Mai festgenommen. Die Mutter des Mädchens befindet sich weiterhin in Haft, da man ihr Verletzung der Obhutspflicht und Mittäterschaft vorwirft. Am 9. Mai wurde ein Antrag auf ihre Freilassung gegen Kaution abgelehnt. Berichten zufolge leidet das Mädchen unter der Abwesenheit ihrer Mutter.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 21. April wurde das 10-jährige Mädchen von seiner Mutter in ein Entbindungs- und Kinderkrankenhaus (Hospital Materno Infantil de Trinidad) in Asunción, der Hauptstadt Paraguays, gebracht, da es über Bauchschmerzen klagte. In einer Untersuchung wurde festgestellt, dass das Mädchen in der 21. Woche schwanger war. Seit Januar wurde die 10-Jährige in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen untersucht. Die Schwangerschaft blieb jedoch unbemerkt. Im Jahr 2014 hatte die Mutter des Mädchens Anzeige wegen des sexuellen Missbrauchs ihrer Tochter erstattet, woraufhin jedoch weder eine Untersuchung eingeleitet wurde noch Schutzmassnahmen ergriffen wurden, da die Staatsanwaltschaft der Ansicht war, dass keine Gefahr für die 10 Jährige bestünde.
Paragraf 109 des paraguayischen Strafgesetzbuches erlaubt einen Schwangerschaftsabbruch nur dann, wenn Lebensgefahr für die Frau bzw. das Mädchen besteht. Unter anderen Umständen ist ein Schwangerschaftsabbruch verboten, selbst wenn die Schwangerschaft das Ergebnis von Vergewaltigung oder Inzest ist oder wenn eine schwere Fehlbildung des Fötus vorliegt. Diese restriktive Gesetzeslage ist ein Verstoss gegen internationale Menschenrechtsnormen.
Artikel 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes besagt: «Bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.» Der Ausschuss für die Rechte des Kindes verpflichtet alle Vertragsstaaten des Übereinkommens und somit auch Paraguay dazu, Mädchen zumindest dann Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu gewähren, wenn eine Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit besteht, sowie in Fällen von Vergewaltigung und Inzest.