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Schwangeres 10-jähriges Mädchen in Lebensgefahr
Ein 10-jähriges Mädchen, das von seinem Stiefvater vergewaltigt und daraufhin schwanger wurde, befindet sich in Lebensgefahr. Trotz des hohen Risikos, das die Schwangerschaft darstellt, und trotz eines Antrags durch die Mutter hat das Mädchen bisher keinen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch erhalten.
Am 21. April wurde ein 10-jähriges Mädchen von seiner Mutter in ein Entbindungs- und Kinderkrankenhaus (Hospital Materno Infantil de Trinidad) in Asunción, der Hauptstadt Paraguays, gebracht, da es über Bauchschmerzen klagte. In einer Untersuchung wurde festgestellt, dass das Mädchen in der 21. Woche schwanger war. Die Schwangerschaft ist das Ergebnis einer Vergewaltigung durch den Stiefvater.
Der Klinikleiter bestätigte öffentlich, dass die Schwangerschaft eine grosse Gefahr für das Mädchens darstelle, obwohl der Gesundheitszustand des Mädchens stabil sei. Einige Tage später ordnete die Staatsanwaltschaft an, dass das Mädchen zur Beobachtung in ein anderes Krankenhaus, das Krankenhaus des Roten Kreuzes (Hospital de la Cruz Roja) verlegt werden solle.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO und GesundheitsexpertInnen aus der ganzen Welt sind sich einig, dass eine Schwangerschaft für junge Mädchen, deren Körper sich noch in der Entwicklung befinden, spezielle Risiken birgt und eine erhöhte Lebensgefahr darstellt. Daher müssen ihnen alle Optionen zum Umgang mit der Schwangerschaft freigestellt werden, darunter auch sichere Verfahren zum Schwangerschaftsabbruch.
Am 28. April richtete die Mutter des Mädchens ein Verwaltungsschreiben (carta administrativa) an das Krankenhaus, in dem sie einen Schwangerschaftsabbruch für das Mädchen beantragte. Nichts deutet darauf hin, dass das Krankenhaus einen lebensrettenden Schwangerschaftsabbruch in Betracht zieht. Im Gegenteil: Jüngsten Berichten zufolge soll das Mädchen in eine Einrichtung für junge Mütter (centro de niñas madres) eingewiesen werden.
In Paraguay sind Schwangerschaftsabbrüche legal, wenn Lebensgefahr für die Frau oder das Mädchen besteht. Daher hat das Mädchen das Recht, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Gemäss dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ist das Wohl des Kindes stets vorrangig zu behandeln. Zudem haben Staaten laut dem Übereinkommen die Pflicht, unter den in diesem Fall gegebenen Umständen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu gewähren.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
In Paraguay ist ein Schwangerschaftsabbruch nur dann gestattet, wenn Lebensgefahr für die Frau oder das Mädchen besteht. Unter anderen Umständen ist ein Schwangerschaftsabbruch verboten, selbst wenn die Schwangerschaft das Ergebnis von Vergewaltigung oder Inzest ist oder wenn eine schwere Fehlbildung des Fötus vorliegt. Diese restriktive Gesetzeslage ist ein Vertstoss gegen das Völkerrecht.
Im März 2015 forderte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Paraguay auf, seine Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch zu überprüfen und abzuändern, um die Vereinbarkeit mit anderen Rechten, wie den Rechten auf Gesundheit und Leben, zu gewährleisten.
Kürzlich vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen veröffentlichten Daten zufolge machen Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren in Paraguay 2,13% der Müttersterblichkeitsrate aus. Pro Tag bringen zwei zehn- bis 14-jährige Mädchen ein Kind zur Welt.
Artikel 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes besagt: «Bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.» Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes verpflichtet Staaten, Mädchen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu gewähren, zumindest dann, wenn eine Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit besteht, sowie in Fällen von Vergewaltigung und Inzest.
In ihrem Dokument Safe Abortion: technical and policy guidance for health systems, einem Richtlinien-Dokument für Staaten aus dem Jahr 2012, bemerkt die Weltgesundheitsorganisation, dass Gesetze und Dienstleistungen im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs die Gesundheit und die Menschenrechte aller Frauen, darunter auch Jugendlicher, schützen sollten. Sie sollten Frauen und Jugendliche nicht dazu bewegen, illegale Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu lassen, und sie sollten den Bedürfnissen von Mädchen, darunter auch Vergewaltigungsopfern, besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen.