Lebenslange Haftstrafe reduziert
Die Verurteilung wegen Spionage gegen den philippinischen Staatsbürger Ronaldo Lopez Ulep ist in einem Rechtsmittelverfahren bestätigt worden. Das Berufungsgericht wandelte die gegen ihn verhängte lebenslange Haftstrafe jedoch in eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren um. Es wird erwartet, dass er Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird.
Am 31. Mai bestätigte das Berufungsgericht der katarischen Hauptstadt Doha das Urteil gegen den philippinischen Staatsbürger und ehemaligen Zivilangestellten der katarischen Luftwaffe, Ronaldo Lopez Ulep. Der Richter verkündete zudem, dass die ursprünglich gegen Ronaldo Lopez Ulep verhängte lebenslange Haftstrafe in eine 15-jährige Gefängnisstrafe umgewandelt werde. Die Gründe für diese Entscheidung wurden jedoch nicht genannt. Da die Anhörung in arabischer Sprache abgehalten wurde und man Ronaldo Lopez Ulep keine Verdolmetschung zur Verfügung gestellt hatte, nahm Ronaldo Lopez Ulep nach der Urteilsverkündung an, dass man sein Urteil in eine fünfjährige Haftstrafe umgewandelt hatte. Erst als er wieder im Zentralgefängnis von Doha ankam, erfuhr er von dem wirklichen Ausgang seines Rechtsmittelverfahrens. Amnesty International geht davon aus, dass Ronaldo Lopez Ulep Rechtsmittel beim höchsten Gericht von Katar, dem Kassationsgericht, einlegen wird.
Ronaldo Lopez Ulep soll nach seiner Festnahme im Jahr 2010 etwa einen Monat lang ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten worden sein, bevor man ihm erlaubte, seine Familie zu kontaktieren. Personen, die Einsicht in den Fall hatten, gaben an, dass Ronaldo Lopez Ulep während den ersten acht Monaten seiner Inhaftierung gefoltert wurde. BeamtInnen fügten Ronaldo Lopez Ulep bei zwei Vernehmungen mit Zigaretten Verbrennungen auf dem Rücken und den Beinen zu. Er wurde entkleidet und dazu gezwungen, sich auf dem Boden auf den Knien fortzubewegen, bis diese bluteten. Ausserdem wurde er geschlagen und geohrfeigt. Danach zwang man ihn, ein Dokument zu unterschreiben, das er nicht lesen konnte, da es auf Arabisch geschrieben war. Das Dokument wurde später dem Gericht als «Geständnis» vorgelegt und trug entscheidend zum Schuldspruch bei. Die katarischen Behörden haben nach Kenntnis von Amnesty International diese Vorwürfe nie bestritten. Nach seiner Verurteilung wurde Ronaldo Lopez Ulep in das Zentralgefängnis in Doha verlegt. Ihm wird bislang der Kontakt zu seiner Familie verweigert, obwohl er mindestens zwei Mal darum gebeten hat.
Aus Gerichtsakten geht hervor, dass Ricardo Lopez Ulep bei seiner Verhandlung angab, dass sein «Geständnis» unter Folter erzwungen wurde. Das Gericht erster Instanz wies dies jedoch mit der Begründung zurück, dass nicht genügend Beweise vorhanden wären, um seine Vorwürfe zu stützen. Das Berufungsgericht ging nicht auf die Foltervorwürfe ein, obwohl sie vor dem Gericht angesprochen wurden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 7. April 2010 wurde Ronaldo Lopez Ulep von sechs Angehörigen der Strafverfolgungsbehörde (CID) in seinem Haus in Doha festgenommen. Danach verbrachte Ronaldo Lopez Ulep vier Jahre in Einzelhaft in der Staatssicherheitsbehörde in Doha. Am 30. April 2014 wurde er vom Gericht erster Instanz in Doha der Spionage für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Man warf ihm vor, Informationen über seinen Arbeitsgeber verkauft zu haben. Sein Rechtsmittelverfahren begann am 26. Mai 2014. Bisher fanden sechs Sitzungen statt. Einige von ihnen dauerten lediglich 15 Minuten. Ronaldo Lopez Ulep wurde bei den Sitzungen keine Verdolmetschung zur Verfügung gestellt.
Zwei weitere philippinische Staatsbürger standen im selben Verfahren wie Ronaldo Lopez Ulep vor Gericht und legten ebenfalls Rechtsmittel ein. Sie waren im März bzw. April 2010 festgenommen worden. Man nimmt an, dass sie vor ihrem Prozess ebenfalls in der Staatssicherheitsbehörde in Einzelhaft gehalten wurden. Beide gaben an, dass ihre «Geständnisse», die man dem Gericht vorlegte, unter Folter erzwungen wurden. Einer dieser Männer wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, den anderen verurteilte man im Mai 2014 zum Tode. Die Urteile wurden in ihren Rechtsmittelverfahren am 31. Mai 2015 in eine 15-jährige Haftstrafe bzw. in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.
Im September 2014 und im Januar 2015 wandte sich Amnesty International mit zwei Schreiben bezüglich des Falls an die Behörden von Katar, erhielt jedoch keine Antwort. Die Organisation brachte den Fall auch vor der philippinischen Botschaft in Katar und dem nationalen Menschenrechtskomitee zur Sprache. Das Menschenrechtskomitee in Katar scheint bislang im Hinblick auf diesen Fall keine Bedenken über Menschenrechtsverletzungen geäussert zu haben.
Dieser Fall wurde einer Eingabe von Amnesty International zur 29. Sitzung des UN-Menschenrechtsrat beigefügt. Dies geschah anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts der Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten, Gabriela Knaul, im Juni 2015, die ihre Erkenntnisse eines kürzlich durchgeführten Besuchs in Katar vorstellen wird.
Amnesty International hat in den vergangenen Jahren immer wieder Berichte über Folter oder anderen Formen der Misshandlung erhalten , mit deren Hilfe man Personen zu «Geständnissen» oder zur Herausgabe von Informationen gezwungen hat. Die meisten Vorfälle, die bekannten wurden, ereigneten sich in der Zeit, bevor die Gefangenen angeklagt oder vor Gericht gestellt wurden und vor allem, während sich die Personen in Gewahrsam der Staatssicherheit befanden und keinen Kontakt zur Aussenwelt hatten. AktivistInnen in Katar zeigten sich besorgt darüber, dass sich Angehörige der Staatsicherheit nicht ausweisen, wenn sie Personen festnehmen. Dies geschieht vor allem bei denjenigen, die in Zivil arbeiten. Die AktivistInnen sind auch besorgt darüber, dass die Gefangenen in Hafteinrichtungen der Polizei festgehalten werden, anstatt in einer Einrichtung, die von der Staatssicherheit geleitet wird. Offenbar wollen Angehörige der Staatssicherheit damit von ihrer Verantwortung für die Festnahme und Inhaftierung von bestimmten Personen ablenken und so Kritik verhindern.