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Amnesty Urgent Actions
Startseite Urgent Actions 2015 04 Prisoner denied medical attention
UA 094/15
Russland
Abgeschlossen am 10. Juni 2015

Medizinische Versorgung verweigert

AI-Index: EUR 46/1509/2015

Einer der Verdächtigen im Mordfall des bekannten russischen Politaktivisten Boris Nemtsov hat sich über die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung durch die Behörden sowie über andere Misshandlungen während seiner Festnahme und Inhaftierung beklagt. Dies lässt ein faires Verfahren fraglich erscheinen.

Tamerlan Eskerkhanov, einer von fünf Hauptverdächtigen im Mordfall des politischen Aktivisten Boris Nemtsov, wurde am 7. März in einer Moskauer Privatwohnung von der Polizei festgenommen und inhaftiert. Er wurde am darauffolgenden Morgen auf Anweisung des Bezirksgerichts Basmanny in Untersuchungshaft genommen.

Wie Tamerlan Eskerkhanovs Anwältin Amnesty International mitteilte, wurde sie in der ersten Woche seiner Inhaftierung nicht zu ihrem Mandanten vorgelassen. Ihr zufolge haben ihm die Behörden auch die nötige medizinische Behandlung verweigert. Seit einem Unfall, der sich noch während seines Polizeidienstes 2007 ereignete, leidet er an einer Nierenfunktionsstörung und benötigt spezielle Medikamente. Die Anwältin versuchte wiederholt, Tamerlan Eskerkhanov die notwendigen Medikamente zukommen zu lassen, doch die Verwaltung der Haftanstalt liess dies erst zwei Wochen nach der Festnahme zu. Tamerlan Eskerkhanov leidet ausserdem an chronischen Steissbeinbeschwerden, die sich seit seiner Festnahme verschlimmert haben und die seiner Anwältin zufolge nun eine Operation erforderlich machen.

Aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes erkrankte Tamerlan Eskerkhanov während einer gerichtlichen Anhörung am 24. April und die Anhörung wurde unterbrochen. Wie seine Anwältin berichtete, bestanden die SanitäterInnen darauf, dass er dringend behandelt werden müsse, doch der Richter entschied, die Anhörung fortzusetzen.

Tamerlan Eskerkhanov gab zudem an, dass ihm während der ersten beiden Tage nach seiner Festnahme Schlaf, Wasser und Nahrung verweigert wurden. Er sagte, dass ihm beim Transport von der Haftanstalt zum Gericht ein Angehöriger der Polizei den Bart angezündet habe, die Polizei seine Handschellen so eng befestigte, dass seine Handgelenke schmerzten, und dass man ihn und seine Frau beleidigt habe. Darüber hinaus berichtete er, dass Angehörige der Polizei ihn bei der Leibesvisitation im Gerichtsgebäude mit ihren Mobiltelefonen nackt fotografiert hätten.

Tamerlan Eskerkhanov wurde wiederholt in verschiedene Haftanstalten verlegt und befindet sich derzeit im Untersuchungsgefängnis FKU SIZO Nr. 6 in Moskau.

Hintergrundinformationen

Boris Nemtsov, der bereits nach friedlichen Strassenprotesten im Januar 2011 als gewaltloser politischer Gefangener in «Verwaltungshaft» sass, wurde am 27. Februar 2015 im Moskauer Stadtzentrum erschossen (weitere Informationen unter: http://www.amnesty.de/2015/3/3/mord-boris-nemtsov-muss-untersucht-werden). Sein Mörder konnte unerkannt entkommen. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte an, den Fortschritt der Ermittlungen persönlich zu überwachen.

Im März 2015 genehmigte das Moskauer Basmanny-Gericht die Festnahme der fünf Verdächtigen Zaur Dadayev, Anzor Gubashev, Shaghid Gubashev, Khamzat Bakhayev und Tamerlan Eskerkhanov. Zwei Angehörige des öffentlichen Überwachungsausschusses, Eva Merkacheva und Andrei Babushkin, besuchten die Männer am 10. März in Haft und berichteten von Vorwürfen, nach denen Zaur Dadayev und Shaghid Gubashev gefoltert und anderweitig misshandelt worden waren. Als Reaktion auf diese Vorwürfe gab die Ermittlungsbehörde der Russischen Föderation an, die Äusserung dieser Beschuldigungen könnte eine «Beeinträchtigung der Ermittlungsarbeit mit dem Ziel der Verhinderung einer umfassenden, vollständigen und objektiven Untersuchung des Falls» darstellen. Die Tatsache, dass den beiden MenschenrechtlerInnen mit einer strafrechtlichen Verfolgung gedroht wurde, lässt die Fairness der Ermittlungen fraglich erscheinen (weitere Informationen in englischer Sprache finden Sie unter https://www.amnesty.org/en/articles/news/2015/03/russian-activists-threatened-with-criminal-charges-after-raising-torture-allegations/). Das gilt auch für die Anschuldigungen wegen der Misshandlung von Verdächtigen in diesem Fall, sollten diese nicht unverzüglich, umfassend, wirksam und unparteiisch untersucht werden.

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