Menschenrechtsverteidiger in Foltergefahr
Der Menschenrechtsverteidiger Adil Ibrahiem Bakheit ist am 16. April von Angehörigen des sudanesischen Geheimdienstes in Khartum willkürlich festgenommen und angeklagt worden. Er ist ein Mitglied des Aufsichtsrats der sudanesischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte SHRM und arbeitet zudem im Bereich der Menschenrechtsbildung. Er könnte gefoltert und anderweitig misshandelt werden.
Adil Ibrahiem Bakheit hat zwei Kinder und arbeitet als Menschenrechtsausbilder. Er musste am 16. April beim sudanesischen Geheimdienst NISS (National Intelligence and Security Service) erscheinen, wo man ihn nach einer kurzen Befragung festnahm. Bei der Befragung ging es um seine Arbeit und um einen Beratungsvertrag mit der Organisation Tracks for Training and Human Development (Tracks), den der NISS auf seinem Laptop gefunden hatte. Adil Ibrahiem Bakheit wurde von der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit gemäss dem sudanesischen Strafgesetzbuch in sieben Punkten angeklagt, darunter auch wegen «Untergrabung der Verfassungsordnung» und «Kriegsführung gegen den Staat». Dabei handelt es sich um zwei Kapitalverbrechen, welche bei einem Schuldspruch die Todesstrafe nach sich ziehen würden. Bei der Festnahme des Menschenrechtsverteidigers wurde gegen die Richtlinien für ein ordentliches Verfahren verstossen.
Laut einer Quelle in der Organisation Tracks haben Angehörige des NISS am 26. März die Büros der Organisation in Khartum durchsucht und dabei eine Veranstaltung zum Thema «Soziale Verantwortung» unterbrochen. Die Angehörigen des Geheimdienstes beschlagnahmten alle Laptops, die sich in den Büros befanden, einschliesslich des Laptops von Adil Ibrahiem Bakheit, obwohl dieser nicht an der Schulungsveranstaltung beteiligt gewesen war. Tracks bietet für private TeilnehmerInnen und Angehörige lokaler und internationaler NGOs Schulungen zu einer Reihe von Themen an, beispielsweise in den Bereichen Informationstechnologie, Kapazitätsaufbau und Menschenrechte. Auf dem Laptop von Adil Ibrahiem Bakheit befinden sich Materialien aus dem Bereich der Menschenrechtsbildung, die er im Rahmen seiner Arbeit für Tracks und andere Bildungsdienstleister im Sudan verwendet.
In einem Gespräch mit Amnesty International hat die Frau von Adil Ibrahiem Bakheit bestätigt, dass dieser sich auf der Polizeiwache in Khartum in Haft befindet, wo sie ihn bereits besuchen konnte. Er ist der Hauptverdiener in der Familie und leidet an Diabetes. Amnesty International befürchtet, dass Adil Ibrahiem Bakheit aufgrund seiner Menschenrechtsarbeit festgenommen wurde und dass sein Fall ein Beispiel für die systematische Unterdrückung und Drangsalierung von MenschenrechtsverteidigerInnen ist, welche die Organisation im Sudan immer wieder dokumentiert.
Hintergrundinformationen
Amnesty International hat dokumentiert, dass der sudanesische Geheimdienst seit Januar 2015 verstärkt gegen AktivistInnen und zivilgesellschaftliche Organisationen vorgeht. Der NISS verfügt über weitreichende Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz aus dem Jahr 2010, dessen Bestimmungen die Inhaftierung von Verdächtigen für einen Zeitraum von bis zu viereinhalb Monaten vorsehen, ohne dass eine richterliche Überprüfung stattfinden muss. Diese Befugnisse werden von dem Geheimdienst oft dazu missbraucht, Personen willkürlich festzunehmen bzw. zu inhaftieren und sie zu foltern und anderweitig zu misshandeln. Das Nationale Sicherheitsgesetz schützt NISS-BeamtInnen zudem vor der strafrechtlichen Verfolgung für im Rahmen ihrer Arbeit begangene Taten, selbst wenn es sich dabei um Menschenrechtsverletzungen handelt. Dadurch ist eine Kultur der Straflosigkeit entstanden. Die Lage wurde durch Verfassungsänderungen vom 5. Januar 2015 noch verschärft, welche dem NISS noch umfassendere politische, wirtschaftliche und soziale Befugnisse einräumten.
Neben seinem Einsatz als Menschenrechtsverteidiger arbeitet Adil Ibrahiem Bakheit als freier Ausbilder im Bereich der Menschen- und Frauenrechte, der Wahlbeobachtung, des Umweltschutzes und der politischen Bildung mit einer Reihe von unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen im Sudan zusammen. Er spielte bei der Beobachtung der Wahlen 2010 und der Volksabstimmung 2011 sowohl als Ausbilder als auch als Aktivist eine wichtige Rolle.