Haftstrafe gegen Journalisten bestätigt
In einem Rechtsmittelverfahren wurde das Urteil gegen den marokkanischen Journalist Hicham Mansouri wegen «Beteiligung am Ehebruch» bestätigt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.
Am 27. Mai erhielt das Berufungsgericht des Gerichts erster Instanz in Rabat das Urteil gegen Hicham Mansouri aufrecht. Er war wegen «Beteiligung am Ehebruch» zu einer 10-monatigen Haftstrafe verurteilt worden. Zudem bestätigte das Berufungsgericht das gleiche Urteil gegen eine verheiratete Bekannte von Hicham Mansouri, die man zusammen mit ihm festgenommen hatte. Das Gericht bestätigte ausserdem die Geldstrafe von jeweils 20.000 Marokkanischen Dirham (knapp 2.000 Euro), die beide an den Ehemann der Frau als Entschädigungsleistung zahlen sollen.
Hicham Mansouri und seine Mitangeklagte befinden sich seit mehr als zwei Monaten in Haft. Sie wurden festgenommen, nachdem sich Polizeikräfte in Zivil am 17. März Zutritt zu der Wohnung von Hicham Mansouri verschafft hatten. Am 30. März wurden sie erstmals von einem Gericht erster Instanz in Rabat verurteilt. Das Gerichtsverfahren entsprach jedoch nicht den internationalen Standards. Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri sagte Amnesty International, das Gericht habe die Argumente der Verteidigung ohne Erklärung zurückgewiesen und keine ZeugInnen der Verteidigung zugelassen.
Amnesty International befürchtet, dass die Vorwürfe nur deshalb gegen Hicham Mansouri erhoben wurden, um ihn für seine Unterstützung des investigativen Journalismus und seine Zusammenarbeit mit kritischen JournalistInnen und Intellektuellen des marokkanischen Verbands für investigativen Journalismus zu bestrafen. Der marokkanische Verband für investigativen Journalismus ist eine Nichtregierungsorganisation, die JournalistInnen bei der Untersuchung und Aufdeckung korrupter Praktiken und anderer Verbrechen in Politik und Industrie unterstützt. Amnesty International wendet sich ohne Vorbehalte gegen alle Gesetze gegen «Ehebruch» bzw. «ausserehelichem Geschlechtsverkehr», die einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen, da solche Gesetze das Recht auf Privatsphäre sowie weitere Menschenrechte verletzen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Hicham Mansouri arbeitet als Programmdirektor im marokkanischen Verband für investigativen Journalismus (Association Marocaine du Journalisme d’Investigation – AMJI). Es handelt sich hierbei um eine NGO, die marokkanischen InvestigativjournalistInnen Unterstützungs-, Aus- und Weiterbildungs- sowie Finanzierungsmöglichkeiten anbietet. AMJI hat 2008 die Eintragung als Verband beantragt und im selben Jahr seine Tätigkeit aufgenommen. Die Behörden haben die Eintragung allerdings erst 2011 offiziell bestätigt.
Hicham Mansouri hat bereits vor seiner Festnahme berichtet, am Abend des 24. September 2014 in Rabat angegriffen und verletzt worden zu sein. Er hat den Vorfall bei der Polizei angezeigt, es sind jedoch keine Untersuchungsfortschritte bekannt. Ein AMJI-Kollege von Hicham Mansouri sagte Amnesty International, dass Hicham Mansouri ihm gegenüber berichtet hat, in Verbindung mit seiner Arbeit und seinem Einsatz für investigativen Journalismus schikaniert und bedroht worden zu sein, unter anderem auch per Telefon.
Am 17. März verschafften sich zehn Polizeikräfte in Zivil Zutritt zu der Wohnung von Hicham Mansouri. Sie nahmen ihn sowie seine Mitangeklagte fest. Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri gab damals gegenüber Amnesty International an, dass die PolizistInnen Hicham Mansouri und seine Bekannte dazu zwangen, sich nackt auszuziehen und für kompromittierende Fotos zu posieren. Danach wurden beide auf eine Polizeiwache gebracht. Die VerhörbeamtInnen erlaubten Hicham Mansouri nicht, mit seinem Rechtsbeistand zu sprechen, was einen Verstoss gegen Paragraf 66 der marokkanischen Strafprozessordnung darstellt. Zudem befragte man Hicham Mansouri über seine Beziehung zu einigen unabhängigen JournalistInnen und zu den Aktivitäten des Verbands für investigativen Journalismus.
Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri umriss die Argumente der Verteidigung, die vor Gericht zurückgewiesen wurden, wie folgt: Unter dem marokkanischen Strafgesetzbuch hat die Staatsanwaltschaft nicht das Recht, die Festnahme von Personen wegen «Ehebruchs» anzuordnen, ohne dass zuvor der mutmasslich betrogene Ehepartner Beschwerde eingelegt hat. Darüber hinaus entsprachen die Beweise gegen Hicham Mansouri und seine Bekannte nicht den Beweisanforderungen für «Ehebruch», da sie nicht auf frischer Tat ertappt worden waren und keine medizinische Untersuchung angeordnet wurde, um festzustellen, dass tatsächlich sexuelle Handlungen stattgefunden hatten.