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Startseite Urgent Actions 2015 04 Journalist jailed for press freedom work
UA 090/15
Marokko
Abgeschlossen am 28. Mai 2015

Journalist in unfairem Verfahren zu Haftstrafe verurteilt

AI-Index: MDE 28/1489/2015

Der marokkanische Journalist Hicham Mansouri wurde wegen «Ehebruchs» und anderer Anklagen in einem unfairen Gerichtsverfahren zu zehn Monaten Haft verurteilt. Allem Anschein nach wurde er nur deshalb ins Visier genommen, weil er sich in friedlicher Weise für investigativen Journalismus engagiert. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.

Am 17. März verschafften sich zehn Polizeikräfte in Zivil Zutritt zu der Wohnung von Hicham Mansouri. Sie nahmen ihn sowie eine verheiratete Frau fest, die bei ihm zu Besuch war. Seinen Angaben zufolge zwangen die PolizistInnen ihn und seine Bekannte, sich nackt auszuziehen und für kompromittierende Fotos zu posieren. Danach wurden beide auf eine Polizeiwache gebracht. Hicham Mansouri sagte, dass man ihm nur ein Handtuch zum Bekleiden gab. Die VerhörbeamtInnen erlaubten ihm nicht, mit seinem Rechtsbeistand zu sprechen, was einen Verstoss gegen Paragraf 66 der marokkanischen Strafprozessordnung darstellt. Angaben von Hicham Mansouri zufolge stellte man ihm viele Fragen, die mit der später gegen ihn erhobenen Anklage nichts zu tun hatten, so z. B. Fragen über seine Beziehung zu einigen unabhängigen JournalistInnen. Hicham Mansouri sagte zudem, dass er über seine KollegInnen im marokkanischen Verband für investigativen Journalismus (Association Marocaine du Journalisme d’Investigation – AMJI) und zu den Aktivitäten des Verbands befragt wurde. Hicham Mansouri arbeitet in dem Verband und unterstützt damit JournalistInnen bei der Untersuchung und Aufdeckung korrupter Praktiken und anderer Verbrechen in Politik und Industrie.

Hicham Mansouri wurde am 30. März wegen «Beteiligung am Ehebruch» und «Vorbereiten einer Wohnung für die Prostitution» vor einem erstinstanzlichen Gericht in Rabat zu zehn Monaten Haft verurteilt. Das Gericht verhängte zusätzlich eine Geldstrafe von 20.000 Marokkanischen Dirham (knapp 2.000 Euro). Die mit Hicham Mansouri festgenommene Frau wurde wegen ähnlicher Anklagen zur gleichen Strafe verurteilt. Am 28. April soll eine Berufungsanhörung stattfinden. Hicham Mansouri und seine Bekannte werden im Gefängnis Salé II Local in der Nähe der Hauptstadt Rabat festgehalten. Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri sagte Amnesty International, das Gericht habe die Argumente der Verteidigung ohne Erklärung zurückgewiesen und keine ZeugInnen der Verteidigung zugelassen. Unter anderem waren der Bruder und Mitbewohner von Hicham Mansouri sowie der Portier und einige Nachbarn des Hauses bereit gewesen, vor Gericht sein tadelloses Verhalten zu attestieren.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Hicham Mansouri arbeitet als Programmdirektor im marokkanischen Verband für investigativen Journalismus (Association Marocaine du Journalisme d’Investigation – AMJI). Es handelt sich hierbei um eine NGO, die marokkanischen InvestigativjournalistInnen Unterstützungs-, Aus- und Weiterbildungs- sowie Finanzierungsmöglichkeiten anbietet. AMJI hat 2008 die Eintragung als Verband beantragt und im selben Jahr seine Tätigkeit aufgenommen. Die Behörden haben die Eintragung allerdings erst 2011 offiziell bestätigt.
Hicham Mansouri hat bereits vor seiner Festnahme berichtet, am Abend des 24. September 2014 in Rabat angegriffen und verletzt worden zu sein. Er hat den Vorfall bei der Polizei angezeigt, es sind jedoch keine Untersuchungsfortschritte bekannt. Ein AMJI-Kollege von Hicham Mansouri sagte Amnesty International, dass Hicham Mansouri ihm gegenüber berichtet hat, in Verbindung mit seiner Arbeit und seinem Einsatz für investigativen Journalismus schikaniert und bedroht worden zu sein, unter anderem auch per Telefon.
Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri umriss die Argumente der Verteidigung, die vor Gericht zurückgewiesen wurden, wie folgt: Unter dem marokkanischen Strafgesetzbuch hat die Staatsanwaltschaft nicht das Recht, die Festnahme von Personen wegen «Ehebruchs» anzuordnen, ohne dass zuvor der mutmasslich betrogene Ehepartner Beschwerde eingelegt hat. Darüber hinaus entsprachen die Beweise gegen Hicham Mansouri und seine Bekannte nicht den Beweisanforderungen für «Ehebruch», da sie nicht auf frischer Tat ertappt worden waren und keine medizinische Untersuchung angeordnet wurde, um festzustellen, dass tatsächlich sexuelle Handlungen stattgefunden hatten.
Amnesty International wendet sich ohne Vorbehalte gegen alle Gesetze gegen «Ehebruch» bzw. «ausserehelichem Geschlechtsverkehr», die einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen, da solche Gesetze das Recht auf Privatsphäre sowie weitere Menschenrechte verletzen. Im Fall von Hicham Mansouri ist Amnesty International der Ansicht, dass die Vorwürfe nur deshalb gegen ihn erhoben wurden, um ihn für seine Unterstützung des investigativen Journalismus zu bestrafen.

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