Sechs Männer hingerichtet
Am 17. Mai wurden in Ägypten sechs Männer hingerichtet. Die Männer waren in einem unfairen Militärgerichtsverfahren wegen der Tötung von Sicherheitskräften zum Tode verurteilt worden. Man hat die Männer mit Folter dazu gezwungen, terrorismusbezogene Straftaten zu „gestehen“. Zudem wurde in offiziellen Dokumenten das Festnahmedatum der Männer vorsätzlich falsch angegeben.
Mohamed Bakry Haroun, Hany Mostafa Amer, Mohamed Ali Afifi, Abdel Rahman Said Rizk, Khaled Farg Mohamed und Islam Said Ahmed wurden am Morgen des 17. Mai hingerichtet. Die Familien der Männer konnten die Leichname ihrer Angehörigen danach aus dem Zeinhoum-Leichenhaus in Kairo abholen.
Ein Rechtsbeistand sagte gegenüber Amnesty International, dass die Männer am 16. Mai aus ihren Zellen im Tora-Gefängnis geholt und an einen unbekannten Ort gebracht worden seien.
Im Oktober 2014 hatte ein Militärgericht die Männer für schuldig befunden, zwischen dem 13. und 19. März 2014 an tödlichen Angriffen auf Sicherheitskräfte beteiligt gewesen zu sein. Das Oberste Militärgericht für Strafsachen bestätigte Ende März die gegen die Männer verhängten Todesurteile.
Laut ihren Rechtsbeiständen und Familienmitgliedern waren die Männer mit Folter und anderen Misshandlungen zu „Geständnissen“ gezwungen worden. Zudem wurde in offiziellen Dokumenten das Festnahmedatum der Männer vorsätzlich falsch angegeben. Laut Unterlagen wurden die Männer am 19. März 2014 bei der Durchsuchung der Lagerhalle einer bewaffneten Gruppe von den Sicherheitskräften festgenommen. Die Familien und Rechtsbeistände der Männer geben allerdings an, dass Mohamed Bakry Haroun, Hany Mostafa Amer, Mohamed Ali Afifi, Abdel Rahman Said Rizk, Khaled Farg Mohamed und Islam Said Ahmed sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Haft befunden haben. Drei der Männer können an den Angriffen vom März 2014 nicht beteiligt gewesen sein, da sie sich zum mutmasslichen Tatzeitpunkt bereits in einem Militärgefängnis in geheimer Haft befanden. Die anderen drei Männer wurden am 16. März 2014 von Sicherheitskräften festgenommen. Somit können sie nicht an den Angriffen vom 19. März beteiligt gewesen sein.
Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind derzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die versucht haben, die Hinrichtungen zu verhindern.
Hintergrundinformationen
Die Sicherheitskräfte stürmten am 19. März 2014 eine Lagerhalle im Dorf Arab Sharkas im Gouvernement Qalyubia nördlich von Kairo. Sie behaupteten, die Lagerhalle gehöre der bewaffneten Gruppierung Ansar Bait Al Maqdes. Das Innenministerium gab später bekannt, dass die Sicherheitskräfte bei der Durchsuchung der Lagerhalle sechs Männer getötet und acht weitere festgenommen hätten. Angehörige der Sicherheitskräfte, die an der Durchsuchung beteiligt gewesen waren, gaben in einem Fernsehinterview hingegen an, dass alle Männer, die sich in der Halle befunden hatten, getötet worden seien und niemand festgenommen worden sei. Laut den Rechtsbeiständen und Familienmitgliedern von Mohamed Ali Afifi, Mohamed Bakry Haroun und Hany Mostafa Amer können die drei Männer gar nicht in die Angriffe im März 2014 verwickelt gewesen sein, da sie sich bereits seit 2013 in geheimer Haft im Militärgefängnis Al Azouly in Ismalia, 130 Kilometer nordwestlich von Kairo, befunden hatten. Amnesty International hat zwei Anzeigen eingesehen, welche von Familienmitgliedern wegen des Verschwindenlassens der Männer bei der Staatsanwaltschaft eingereicht wurden. Laut der Rechtsbeistände ordnete die Staatsanwaltschaft im Februar 2014, also einen Monat vor den mutmasslichen Angriffen, eine Untersuchung zu den Vorwürfen an. VertreterInnen von Abdel Rahman Said Rizk, Islam Said Ahmed und Khaled Farg Mohamed gaben zudem an, dass sich die drei Männer am 19. März 2014 bereits in Gewahrsam befunden hatten – ihnen wurde vorgeworfen, an diesem Tag neun Angehörige der Sicherheitskräfte, darunter zwei Militäroffiziere, getötet zu haben. Die Angehörigen und Rechtsbeistände der Männer sagten Amnesty International, dass alle drei Männer bereits am 16. März 2014 festgenommen worden waren: Abdel Rahman Said Rizk und Islam Said Ahmed in einem Reisebüro in Kairo, Khaled Farg Mohamed bei sich zuhause. Mohamed Bakry Haroun, Hany Mostafa Amer und Mohamed Ali Afifi wurden laut ihren Rechtsbeiständen und Familienmitgliedern während ihrer Zeit in der geheimen Haftanstalt des Militärs mit Folter und anderen Misshandlungen zu „Geständnissen“ gezwungen. Abdel Rahman Said Rizk, Islam Said Ahmed und Khaled Farg Mohamed wurden nach ihrer Festnahme am 16. März 2014 zum Geheimdienst in Lazougli in Kairo gebracht. Dort folterte man sie, um „Geständnisse“ zu erzwingen. Alle sechs Männer wurden Ende März 2014 in das Al-Aqrab-Hochsicherheitsgefängnis im Gefängniskomplex Tora südlich von Kairo verlegt. Als der Militärstaatsanwalt die Angeklagten in Haft befragte, hatten diese weder Zugang zu ihren Rechtsbeiständen noch zu ihren Familien. Khaled Farag Mohamed wurde das erste Mal im Krankenhaus verhört. Ihm waren bei seinen Folterungen die Beine gebrochen worden. Die Familien der Männer erhielten erst im Mai bzw. Juni 2014 die Erlaubnis, ihre Angehörigen in Haft zu besuchen. Die Männer erzählten ihnen von den Folterungen, zu denen auch Elektroschocks und das Aufhängen an den Gliedmassen über viele Stunden hinweg gehörten. Rechtsbeistände und Familienmitglieder der Angeklagten sagten Amnesty International, dass der einzige Zeuge in dem Fall ein Mitarbeiter des Geheimdienstes sei. Angehörige gaben ausserdem an, dass GeheimdienstmitarbeiterInnen weitere ZeugInnen der Verteidigung bedroht haben, um sie davon abzuhalten, auszusagen. Das Gericht reagierte nicht auf Anträge der Rechtsbeistände, ZeugInnen für die Verteidigung vorzuladen. Amnesty International wendet sich grundsätzlich gegen Militärgerichtsverfahren für Zivilpersonen, da diese gegen etliche Garantien für faire Verfahren verstossen, darunter das Recht auf eine faire, öffentliche Anhörung vor einem kompetenten, unabhängigen und unparteiischen Gericht. Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Ägypten ist, garantiert dieses Recht. Militärgerichte sind weder unabhängig noch unparteiisch, und Angeklagte haben in der Regel keine Möglichkeit, ihre Verurteilung und das Strafmass vor einer höheren Instanz anzufechten. Amnesty International wendet sich in allen Fällen vorbehaltlos gegen die Todesstrafe. Die Todesurteile wurden am 17. Mai vollstreckt, einen Tag nachdem drei RichterInnen und deren Fahrer auf der Sinai-Halbinsel in El-Arish erschossen worden waren.