Kleinbauerngemeinde bedroht
Miguel Briceño, Sprecher der kleinbäuerlichen Gemeinde El Porvenir im Zentrum Kolumbiens, erhält wiederholt Drohanrufe. Das Land der Gemeinde ist rechtswidrig besetzt, und die unrechtmässigen NutzerInnen zäunen es von der kleinbäuerlichen Gemeinschaft ab. Dies geschieht trotz einer richterlichen Anordnung.
Am 6. April erhielt Miguel Briceño, Sprecher der Kleinbauerngemeinde El Porvenir in Puerto Gaían im Departamento Meta, wiederholt Drohanrufe von einem Mann, der angab, zuständig für das Gebiet zu sein. Zudem drohte der Mann Miguel Briceños Familie. Miguel Briceño erhielt bereits vor dem 6. April Drohanrufe.
Die kleinbäuerliche Gemeinschaft in El Porvenir nutzt das Land schon seit einem halben Jahrhundert als Weidefläche für Rinder. Trotz ihrer Bemühungen wurde ihnen der Landtitel immer noch nicht zugesprochen. Über Jahre hinweg waren die Gemeindemitglieder wiederholt schweren Menschenrechtverletzungen ausgesetzt. Diese wurden hauptsächlich von Paramilitärs verübt, die in der Gegend aktiv sind. Ihr Land wurde Personen zugesprochen, die in Verbindung mit dem mittlerweile verstorbenen, mächtigen Smaragdhändler Víctor Carranza standen. Víctor Carranza wurde schon seit längerem verdächtigt, enge Beziehungen zu paramilitärischen Gruppen zu pflegen. Im Juli 2014, zwei Jahre nachdem ein Antrag eingereicht wurde, hob das kolumbianische Institut für ländliche Entwicklung (Instituto Colombiano de la Reforma Agraria – INCODER), die illegal vergebenen Landtitel, die diese Personen erhalten hatten, wieder auf. Mehr als acht Monate später besetzen die Personen, die den Landtitel illegal erhalten hatten, immer noch das Land. Die aktuellsten Drohanrufe fallen in eine Zeit, in der die unrechtmässigen LandesbesitzerInnen das Land der Gemeinde abzäunen. Die kleinbäuerliche Gemeinschaft ist aufgrund der Drohungen gegen ihren Sprecher um ihre eigene Sicherheit besorgt. Auch fürchten die GemeindebewohnerInnen nun Einschränkungen im Hinblick auf ihren Lebensunterhalt, da ihre Rinder gestohlen wurden.
Hintergrundinformationen
Indigene, afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften sowie MenschenrechtsverteidigerInnen sind nach wie vor diejenigen, die am stärksten unter dem anhaltenden bewaffneten Konflikt im Land zu leiden haben. Alle Konfliktparteien - zum einen die kolumbianischen Streitkräfte, die entweder allein oder im Einvernehmen mit den Paramilitärs agieren, zum anderen die verschiedenen Guerillagruppen - begehen Menschenrechtsverstösse und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht. Hierzu zählen Tötungen sowie Verschwindenlassen und Verschleppung, Folter, Vertreibung und Sexualstraftaten. Im Verlauf des Konflikts wurden ungefähr acht Millionen Hektar Land aufgegeben oder illegal vereinnahmt.
VertreterInnen vertriebener Gemeinden und Menschen, die sich für die Rückgabe vereinnahmter Grundstücke einsetzen, werden immer wieder bedroht oder getötet, vor allem seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Landrückgabe und Entschädigung von Opfern (Gesetz 1448), das im Juni 2011 erlassen wurde und Anfang 2012 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz erkennt den bewaffneten Konflikt im Land sowie die Rechte der Opfer dieses Konfliktes an. Es sieht Entschädigungszahlungen für viele Überlebende von Menschenrechtsverstössen vor, worunter auch Verstösse fallen, die in staatlichem Auftrag handelnde Akteure begangen haben. Zum anderen sollen einige der Vertriebenen ihr Land zurückerhalten. Viele Betroffene des Konflikts werden jedoch von Entschädigungsforderungen ausgenommen, und weite Teile des gestohlenen Landes werden möglicherweise nicht an die rechtmässigen EigentümerInnen zurückgegeben.
Die kleinbäuerliche Gemeinschaft von El Porvenir versucht mit Hilfe des Gesetzes 160 von 1994 ihr Land über einen anderen Rechtsweg zurückzugewinnen. INCODER entscheidet über staatlichen Grundbesitz auf Grundlage der Gesetze 1448 und 160. Aus diesem Grund muss INCODER handeln, um es den Menschen aus El Porvenir zu ermöglichen, einen Landtitel zu erhalten. INCODER muss auch sicherstellen, dass es anderen Personen möglich ist, für staatlichen Grundbesitz Landtitel zu erwerben. Weitere Informationen zu dem Fall El Porvenir, dem Landrückgabeverfahren und den damit einhergehenden Problemen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht A land title is not enough: Ensuring sustainable land restitution in Colombia unter http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR23/031/2014/en.