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Startseite Urgent Actions 2015 04 Parliamentarian detained without charge Khalida Jarrar’s trial begins, raises questions
FI 081/15-6
Israel
Abgeschlossen am 9. Oktober 2015

Parlamentarierin Khalida Jarrar vor Militärgericht

AI-Index: MDE 15/2350/2015

Am 25. August ist das Verfahren gegen Khalida Jarrar vor einem Militärgericht eröffnet worden. Zwei ZeugInnen der Staatsanwaltschaft zogen ihre Aussagen zurück und gaben an, diese unter Zwang gemacht zu haben.

Am 25. August wurde mit grosser Verspätung das Verfahren gegen die palästinensische Parlamentarierin Khalida Jarrar vor einem Militärgericht eröffnet. Khalida Jarrar war am 2. April 2015 von Angehörigen der israelischen Sicherheitskräfte festgenommen worden. Ihr werden Mitgliedschaft in der verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP), der ein bewaffneter Flügel angehört, sowie Anstiftung zur Entführung von israelischen SoldatInnen vorgeworfen. Nach Angaben der Rechtsbeistände von Khalida Jarrar entbehren diese Anschuldigungen jeglicher Grundlage.

Die Beweise der Staatsanwaltschaft gegen Khalida Jarrar basieren auf Aussagen früherer und derzeitiger palästinensischer Gefangener, die diese während Verhören durch den israelischen Sicherheitsdienst (Israel Security Agency – ISA) gemacht haben. Bei der Anhörung am 25. August zogen die beiden ersten ZeugInnen ihre Aussagen allerdings zurück und gaben an, diese unter Druck gemacht zu haben. Laut der Menschenrechtsorganisation Addameer, die sich für die Rechte von palästinensischen Gefangenen einsetzt und Khalida Jarrar vor Gericht vertritt, führten die beiden ZeugInnen «Druck und Misshandlungen während des Verhörs, darunter Schlafentzug, Verharren in schmerzhaften Stresspositionen über lange Zeiträume sowie Androhungen weiterer Folterungen und der Festnahme von Familienangehörigen» an.

Die Staatsanwaltschaft bezichtigte die ZeugInnen jedoch der Lüge und das Gericht urteilte, dass die ursprünglichen Aussagen nicht ausgeschlossen würden. Verfahren vor israelischen Militärgerichten entsprechen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Die Militärjustiz ist nicht unabhängig und es herrschen starke Zweifel hinsichtlich der Unparteilichkeit der MilitärrichterInnen. Urteilssprüche erfolgen häufig nur auf der Grundlage von «Geständnissen» der Angeklagten oder Aussagen von ZeugInnen, die später widerrufen werden, da sie unter Zwang abgelegt wurden. Palästinensische Gefangene und Inhaftierte werden während der Festnahme und den Verhören regelmässig gefoltert und anderweitig misshandelt.

Hintergrundinformationen

Khalida Jarrar wird im HaSharon-Gefängnis in Israel festgehalten. Die israelischen Militärgerichte wurden eingerichtet, um PalästinenserInnen aus den besetzten palästinensischen Gebieten den Prozess zu machen, denen sicherheitsbezogene Vergehen vorgeworfen werden. Die RichterInnen und StaatsanwältInnen gehören dem israelischen Militär an, wobei die RichterInnen auf Empfehlung des militärischen Generalanwalts von den regionalen BefehlshaberInnen benannt werden und fast ausschliesslich aus den Reihen der StaatsanwältInnen stammen. Sie haben keinen Anspruch auf eine Festanstellung und können jederzeit von den regionalen BefehlshaberInnen aus dem Amt entlassen werden. Es herrschen starke Zweifel hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit.
Darüber hinaus basieren die Verfahren vor Militärgerichten häufig auf «Geständnissen» von ZeugInnen, die diese oftmals zu einem späteren Zeitpunkt zurückziehen, weil sie unter Zwang abgelegt wurden. Im Jahr 2010 war Abdallah Abu Rahma wegen «Aufwiegelung» und «Organisation und Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen» für schuldig befunden worden. Die Entscheidung des Gerichts basierte auf den Aussagen von drei Kindern, die diese später vor Gericht zurückzogen und angaben, zur Aussage gezwungen worden zu sein. Angeklagte stimmen zudem oft selbst dann Übereinkommen mit der Staatsanwaltschaft zu, wenn sie unschuldig sind. Sie sehen in der Abgabe eines Geständnisses die einzige Möglichkeit, einem unfairen Verfahren zu entgehen und geringere Strafen zu erhalten.
Palästinensische Häftlinge werden regelmässig von israelischen Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt, vor allem, von Angehörigen des Internen Sicherheitsdienstes. Während der Verhöre haben die Häftlinge oft tagelang, manchmal sogar wochenlang keinen Kontakt zur Aussenwelt. Zu den eingesetzten Foltermethoden zählen Schläge und Würgen, schmerzhafte Fesselungen über lange Zeiträume, Schlafentzug und Drohungen gegen die Häftlinge und ihre Familien. Zudem werden Gefangene gezwungen, über lange Zeiträume in schmerzhaften Positionen zu verharren. Die Behörden fördern ein Klima der Straflosigkeit, indem sie keine angemessenen Schritte unternehmen, um Folter zu verhindern oder Foltervorwürfe unabhängig zu untersuchen.
Khalida Jarrar wird bereits seit Jahrzehnten von den israelischen Behörden drangsaliert und eingeschüchtert. Sie war bis zum 15. April 2015 noch nie wegen einer Straftat angeklagt worden, dennoch haben die Behörden sie in der Vergangenheit bereits mehrfach zu einer «Gefahr für die Sicherheit» erklärt. Am 2. April wurde Khalida Jarrar in ihrem Haus in Ramallah im besetzten Westjordanland von SoldatInnen festgenommen und in Verwaltungshaft genommen. Bei einer Anhörung zur Überprüfung ihrer Haftanordnung am 15. April erhob die Militärstaatsanwaltschaft in zwölf Punkten Anklage gegen die Palästinenserin. Die Anklagepunkte stehen in Verbindung mit einer mutmasslichen Mitgliedschaft in der verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP) sowie mit der mutmasslichen Anstiftung zur Entführung von israelischen SoldatInnen. Die Rechtsbeistände von Khalida Jarrar geben an, dass diese Anklage jeglicher Grundlage entbehrt. Die Militärstaatsanwaltschaft beruft sich auf Aussagen von 17 früheren und derzeitigen palästinensischen Häftlingen, die gehört haben sollen, wie Khalida Jarrar sich für die Entführung israelischer SoldatInnen ausgesprochen habe. Die Parlamentarierin streitet diese Vorwürfe vehement ab.

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