Verhandlung erneut verschoben
Ein israelisches Militärgericht hat erneut das Gerichtsverfahren von Khalida Jarrar verschoben, da es der Staatsanwaltschaft bereits zum dritten Mal nicht gelungen war, ZeugInnen beizubringen. Ein Militärrichter lehnte einen Antrag auf Freilassung der palästinensischen Parlamentarierin bis zum Ende des Gerichtsverfahrens gegen Kaution ab.
Am 10. August hat ein Militärgericht das Gerichtsverfahren der palästinensischen Parlamentarierin Khalida Jarrar erneut verschoben, da es der Staatsanwaltschaft zum dritten Mal nicht gelungen war, ZeugInnen beizubringen. Khalida Jarrar wird seit April 2015 auf Grundlage geheimer Beweismittel festgehalten, die sowohl ihr als auch ihrer Verteidigung vorenthalten werden. Der Parlamentarierin droht ein unfaires Gerichtsverfahren. Ihr werden unter anderem „Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation“, «Dienste im Namen einer verbotenen Organisation», «Teilnahme an Protesten» und «Anstiftung zu Gewalt» vorgeworfen.
Am 21. Mai hatte ein israelischer Militärrichter eine vorherige Entscheidung aufgehoben, bei der einer Freilassung von Khalida Jarrar gegen Kaution zugestimmt worden war. Seitdem ist ihre Verhandlung bereits drei Mail verschoben worden, da es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen war, zu organisieren, dass ZeugInnen aus der Haftanstalt, in der sie festgehalten werden, zum Gericht gebracht werden. Der Richter wies auch einen zweiten Antrag des Rechtsbeistandes auf Freilassung der Parlamentarierin gegen Kaution ab. Dies verletzt das Recht von Khalida Jarrar auf ein sofortiges und schnelles Gerichtsverfahren.
Während der Anhörung vom 21. Mai erklärte die Staatsanwaltschaft, dass sie eine Verwaltungshaftanordnung gegen Khalida Jarrar erlassen würde, sollte ihrer Freilassung gegen Kaution zugestimmt werden. Mit Hilfe von Verwaltungshaftanordnungen ist es den israelischen Behörden möglich, Personen ohne Anklage oder Verfahren in Haft zu halten. Auch Khalida Jarrar war nach ihrer Festnahme zunächst in Verwaltungshaft gehalten worden.
Hintergrundinformationen
Khalida Jarrar wird im HaSharon-Gefängnis in Israel festgehalten. Ihr droht ein unfaires Verfahren vor einem israelischen Militärgericht. Bei derartigen Prozessen werden die internationalen Standards für faire Verfahren verletzt. Die RichterInnen und StaatsanwältInnen gehören dem israelischen Militär an, wobei die RichterInnen auf Empfehlung des militärischen Generalanwalts von den regionalen BefehlshaberInnen benannt werden und fast ausschliesslich aus den Reihen der StaatsanwältInnen stammen. Sie haben keinen Anspruch auf eine Festanstellung und können jederzeit von den regionalen BefehlshaberInnen aus dem Amt entlassen werden. Es herrschen tiefgreifende Zweifel hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit. Darüber hinaus basieren die Verfahren vor Militärgerichten häufig auf Geständnissen von ZeugInnen, die diese oftmals zu einem späteren Zeitpunkt zurückziehen, weil sie unter Zwang abgelegt wurden. Angeklagte stimmen zudem oft selbst dann Übereinkommen mit der Staatsanwaltschaft zu, wenn sie unschuldig sind. Sie sehen in der Abgabe eines Geständnisses die einzige Möglichkeit, einem unfairen Verfahren zu entgehen und geringere Strafen zu erhalten. In Artikel 9 (3) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Israel gehört, ist Folgendes festgelegt: „Jeder, der unter dem Vorwurf einer strafbaren Handlung festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, muss unverzüglich einem Richter oder einer anderen gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Amtsperson vorgeführt werden und hat Anspruch auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung aus der Haft. Es darf nicht die allgemeine Regel sein, dass Personen, die eine gerichtliche Aburteilung erwarten, in Haft gehalten werden, doch kann die Freilassung davon abhängig gemacht werden, dass für das Erscheinen zur Hauptverhandlung oder zu jeder anderen Verfahrenshandlung und gegebenenfalls zur Vollstreckung des Urteils Sicherheit geleistet wird.“ Es wird deutlich, dass in diesem Fall das Verhalten der Staatsanwaltschaft ausschlaggebend für die Verzögerungen ist. Die israelischen Behörden haben zudem keine angemessenen Massnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass der Fall zügig verhandelt oder das Recht von Khalida Jarrar auf Freilassung während der Untersuchungshaft gewahrt wird. Khalida Jarrar wird bereits seit Jahrzehnten von den israelischen Behörden drangsaliert und eingeschüchtert. Sie war bis zum 15. April 2015 noch nie wegen einer Straftat angeklagt worden, dennoch haben die Behörden sie in der Vergangenheit bereits mehrfach zu einer „Gefahr für die Sicherheit“ erklärt. Am 2. April wurde Khalida Jarrar in ihrem Haus in Ramallah im besetzten Westjordanland von SoldatInnen festgenommen und in Verwaltungshaft genommen. Bei einer Anhörung zur Überprüfung ihrer Haftanordnung am 15. April erhob die Militärstaatsanwaltschaft in zwölf Punkten Anklage gegen die Palästinenserin. Die Anklagepunkte stehen in Verbindung mit der Anstiftung zur Entführung von israelischen SoldatInnen und mit ihrer Mitgliedschaft in der verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP), der ein bewaffneter Flügel angehört. Die VerteidigerInnen von Khalida Jarrar sind der Ansicht, dass diese Anklage jeglicher Grundlage entbehrt. Die Militärstaatsanwaltschaft gibt an, dass ihr die Aussagen zweier palästinensischer Häftlinge vorlägen, die gehört haben sollen, wie Khalida Jarrar sich für die Entführung israelischer SoldatInnen ausgesprochen habe. Die Parlamentarierin streitet diese Vorwürfe vehement ab. Die Verhängung von Verwaltungshaft gegen PalästinenserInnen ist in Israel weit verbreitet. Viele der betroffenen palästinensischen Inhaftierten und Gefangenen sind in den Hungerstreik getreten, um so gegen ihre Haftbedingungen und ihre Inhaftierungen ohne Anklage zu protestieren. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’tselem befanden sich Ende Juni 2015 insgesamt 370 PalästinenserInnen in israelischen Hafteinrichtungen in Verwaltungshaft. Israelische StaatsbürgerInnen sind nur sehr selten von Verwaltungshaft betroffen. Nach der Tötung des Palästinensers Ali Dawbashe und seines Sohnes Saad Dawbashe im Zusammenhang mit einem Brandanschlag Anfang August 2015 wurden jedoch drei Israelis in Verwaltungshaft genommen. Das israelische Parlament, die Knesset, hat am 30. Juli 2015 ein Gesetz verabschiedet, das die Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik erlaubt. Amnesty International lehnt die Zwangsernährung von Hungerstreikenden ab, wenn diese ohne ärztliche Aufsicht oder nicht aus medizinischen Gründen vorgenommen wird oder in ihrer Ausführung grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommt.