Benutzerspezifische Werkzeuge
Amnesty Urgent Actions
Startseite Urgent Actions 2015 04 Parliamentarian detained without charge Detained Parliamentarian risks unfair trial
FI 081/15-2
Israel
Abgeschlossen am 22. Mai 2015

Parlamentarierin droht unfaires Verfahren

AI-Index: MDE 15/1607/2015

Der palästinensischen Parlamentarierin Khalida Jarrar droht wegen der gegen sie erhobenen Anklagen ein unfaires Verfahren vor einem israelischen Militärgericht. Nachdem das israelische Militär ihre Haftstrafe von sechs Monaten auf einen Monat verkürzt hatte, lief am 4. Mai die gegen sie erlassene Verwaltungshaftanordnung aus. Auf deren Grundlage war sie ohne Anklage in Haft gehalten worden. Khalida Jarrar befindet sich jedoch weiterhin in Untersuchungshaft.

Der Kommandant des israelischen Militärs hat die Rechtsbeistände von Khalida Jarrar erst am 5. Mai über die Verkürzung der Verwaltungshaft ihrer Mandantin in Kenntnis gesetzt. Am 6. Mai hätte die Haftanordnung gegen Khalida Jarrar von einem Militärrichter überprüft werden sollen. Die Palästinenserin befindet sich jedoch noch immer im HaSharon-Gefängnis in Israel. Gegen sie ist Anklage wegen «Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation», «Teilnahme an Protesten» und «Anstiftung zur Entführung israelischer SoldatInnen» erhoben worden. Sollte sie schuldig gesprochen werden, so würden ihr mindestens zwei Jahre Haft drohen. Am 29. April war in letzter Minute eine geplante Überprüfung der Möglichkeit einer Freilassung gegen Kaution verschoben worden. Die Rechtsbeistände von Khalida Jarrar gehen davon aus, dass die Überprüfung in der Woche nach dem 11. Mai stattfinden wird. Bis dahin ist es der Staatsanwaltschaft möglich, geheime Beweismittel zur Begründung ihres Antrags auf eine Verlängerung der Inhaftierung von Khalida Jarrar einzureichen. Die Militärstaatsanwaltschaft gibt an, dass ihr die Aussagen zweier palästinensischer Häftlinge vorlägen. Diese sollen gehört haben, wie Khalida Jarrar sich für die Entführung israelischer SoldatInnen ausgesprochen habe, um anschliessend einen Gefangenenaustausch mit palästinensischen Häftlingen aus Israel zu bewirken. Khalida Jarrar streitet die Vorwürfe vehement ab. Das Verfahren gegen Khalida Jarrar soll vor einem Militärgericht stattfinden. Bei derartigen Prozessen werden die internationalen Standards für faire Verfahren verletzt. Die RichterInnen und StaatsanwältInnen gehören dem israelischen Militär an, wobei die RichterInnen auf Empfehlung des militärischen Generalanwalts vom regionalen Befehlshaber benannt werden und fast ausschliesslich aus den Reihen der StaatsanwältInnen stammen. Sie haben keinen Anspruch auf eine Festanstellung und können jederzeit vom regionalen Befehlshaber aus dem Amt entlassen werden. Diese Tatsache sowie die engen Verbindungen zwischen MilitärrichterInnen und MilitärstaatsanwältInnen lassen tiefgreifende Zweifel an der Unparteilichkeit der MilitärrichterInnen aufkommen. Darüber hinaus basieren die Verfahren vor Militärgerichten häufig auf Geständnissen, die oftmals zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezogen werden, weil sie unter Zwang abgelegt wurden. Angeklagte stimmen zudem oftmals selbst dann Übereinkommen mit der Staatsanwaltschaft zu, wenn sie unschuldig sind, um gegen ein Geständnis eine geringere Strafe zu erhalten. Sie wollen so einem unfairen Verfahren entgehen und glauben, keine andere Wahl zu haben.

Hintergrundinformationen

Khalida Jarrar wird bereits seit Jahrzehnten von den israelischen Behörden drangsaliert und eingeschüchtert. Sie war bis zum 15. April 2015 noch nie wegen einer Straftat angeklagt worden, dennoch haben die Behörden sie in der Vergangenheit bereits mehrfach zu einer „Gefahr für die Sicherheit“ erklärt. Am 2. April nahmen israelische SoldatInnen sie in ihrem Haus in Ramallah fest. Sie brachten Khalida Jarrar zunächst in die israelische Siedlung Beit El und dann auf einen israelischen Militärstützpunkt in der Nähe von Jaba’ in Jerusalem. Anschliessend verlegte man sie in die Haftanstalt Ofer in der Nähe von Ramallah und verhörte sie. Gegen Khalida Jarrar wurde eine Verwaltungshaftanordnung erlassen. Bei dieser Form der Haft ist es dem israelischen Militär möglich, PalästinenserInnen ohne Anklage oder Verfahren über lange Zeiträume in Haft zu halten. Verwaltungshaftanordnungen können immer wieder verlängert werden. Das israelische Militär behält die gegen Verwaltungshäftlinge vorliegenden Beweise meist ein und beruft sich dabei auf Sicherheitsgründe. Somit ist es den Häftlingen nicht möglich, gegen ihre Haft vorzugehen. Am 8. April wurde eine geplante Überprüfung der Haftanordnung gegen Khalida Jarrar auf den 15. April verschoben. Die Militärstaatsanwaltschaft erhob dann am 15. April in zwölf Punkten Anklage gegen die Palästinenserin. Die Anklagepunkte stehen in Verbindung mit ihrer Mitgliedschaft in der Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP), einer verbotenen linksgerichteten Partei, der ein bewaffneter Flügel angehört, und mit der Anstiftung zur Entführung von israelischen SoldatInnen. Die VerteidigerInnen von Khalida Jarrar geben an, dass diese Anklage jeglicher Grundlage entbehre. Zudem gab der Vorsitzende Militärrichter am 15. April dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, die Verwaltungshaftanordnung zunächst aufrechtzuerhalten. Am 29. April sollte in Zusammenhang mit den zwölf Anklagepunkten eine Überprüfung der Haft von Khalida Jarrar stattfinden, die jedoch ebenfalls vertagt wurde. Khalida Jarrar war festgenommen und inhaftiert worden, kurz nachdem sie am 7. Februar 2015 zum Mitglied des Komitees ernannt wurde, das Präsident Abbas nach der Unterzeichnung des Römischen Statuts im Dezember 2014 ins Leben rief, um die palästinensischen Anliegen vor dem Internationalen Strafgerichtshof voranzubringen. Im Januar 2015 hat die palästinensische Autonomiebehörde die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für Verbrechen, die seit dem 13. Juni 2014 auf dem von ihr kontrollierten Gebiet begangen worden sind, anerkannt. Dies umfasst auch den jüngsten Konflikt zwischen Israel und Gaza, bei dem im Juli und August 2014 mehr als 1.500 palästinensische Zivilpersonen im Gazastreifen und sechs Zivilpersonen in Israel getötet wurden. Israel reagierte auf den Beitritt Palästinas zum Internationalen Strafgerichtshof mit dem Einbehalten von etwa 100 Millionen Euro an Steuergeldern, die Palästina monatlich zustehen. Obwohl die israelische Regierung angekündigt hat, die Gelder zum Teil freizugeben, hält der Streit zwischen den israelischen und palästinensischen Behörden bezüglich dieses Themas weiter an. Im August 2014 widersetzte sich Khalida Jarrar einer vom Vorsitzenden des Zentralkommandos der israelischen Streitkräfte erlassenen «Sonder-Überwachungsanordnung» mit der sie aufgefordert worden war, ihre Heimatstadt Ramallah zu verlassen und sich ausschliesslich in Jericho zu bewegen. Nachdem ihr ein Ausreiseverbot auferlegt worden war, bemühte sie sich 2010 monatelang um die Erlaubnis, nach Jordanien reisen zu dürfen. Dort wollte sie sich einer Untersuchung unterziehen, die in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht angeboten wird. Auf welche Beweise sich das Militär bei der Begründung dieses Reiseverbots gestützt hat, haben Khalida Jarrar und ihre Rechtsbeistände nie erfahren. 2006 wurde sie als Mitglied der PFLP in den Palästinensischen Legislativrat gewählt. Darüber hinaus ist sie die stellvertretende Vorsitzende der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer, die sich für die Rechte von Gefangenen einsetzt. Das israelische Militärgerichtssystem ist begründet worden, um PalästinenserInnen aus den besetzten palästinensischen Gebieten in Fällen, welche die nationale Sicherheit betreffen, vor Gericht zu stellen. Obwohl die israelischen Militärgerichte theoretisch auch für Fälle zuständig sind, die israelische StaatsbürgerInnen in den besetzten palästinensischen Gebieten betreffen, ist es bisher noch nie zu einem solchen Verfahren gekommen. Die israelischen Militärgerichte legen ihren Urteilen häufig Geständnisse zugrunde. Es ist nicht selten, dass ZeugInnen der Staatsanwaltschaft und Angeklagte angeben, ihre Aussagen nach langen Verhören gemacht zu haben, in denen sie gezwungen waren, in schmerzhaften Positionen zu verharren und Opfer von anderen Formen der Folter und Misshandlung wie zum Beispiel Schlafentzug geworden zu sein. 2010 wurde der Menschenrechtsverteidiger Abdallah Abu Rahma von einem Militärgericht wegen «Anstiftung» und «Organisation und Teilnahme an einer illegalen Demonstration» für schuldig befunden. Der Schuldspruch basierte auf Angaben, die drei Kinder gemacht hatten. Diese zogen ihre Aussagen vor Gericht jedoch wieder zurück und gaben an, dass man sie zur Aussage gezwungen habe.

6 Briefe verschickt  
My Urgent Actions
Fürs Mitzählen lassen Ihres Briefes und Update-Funktion zu nutzen müssen Sie sich
einloggen oder
anmelden
Downloads
UA 081/15-2 english
Microsoft Word Document, 63.0 kB
UA 081/15-2 deutsch
Microsoft Word Document, 69.0 kB
UA 081/15-2 français
Microsoft Word Document, 65.5 kB