Urteil für September erwartet
Das Urteil gegen die bekannte Menschenrechtlerin Azza Soliman und 16 weitere Personen, die AugenzeugInnen der Tötung einer Aktivistin durch die Polizei geworden waren, wird für den 26. September erwartet. Bei einer Verurteilung könnten den Männern und Frauen bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Ägyptischen Pfund drohen.
Ein Berufungsgericht in Kairo hat am 4. Juli bekannt gegeben, dass das Urteil in dem Verfahren gegen die Menschenrechtlerin Azza Soliman und 16 weitere Personen, die AugenzeugInnen der Tötung der Aktivistin und Dichterin Shaimaa al-Sabbagh geworden waren, am 26. September verkündet werden soll. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe bis zu 50.000 Ägyptischen Pfund (rund 5.800 Euro).
Laut dem von Azza Soliman gegründeten Rechtshilfezentrum für ägyptische Frauen Center for Egyptian Women’s Legal Assistance erklärte der Vorsitzende Richter am 4. Juli, dass er die Plädoyers der VerteidigerInnen nicht hören wolle. Er forderte die Rechtsbeistände stattdessen dazu auf, sich auf spezifische rechtliche Argumente zu beschränken. Einige der Rechtsbeistände erläuterten daraufhin, dass nicht alle Angeklagten die gleiche rechtliche Stellung hätten und dementsprechend unterschiedliche Strategien und unterschiedliche rechtliche Argumente erforderlich würden. Während Azza Soliman eine reine Augenzeugin ist, hatten andere zudem zuvor an dem friedlichen Gedenkmarsch teilgenommen. Bei einem anderen Angeklagten handelt es sich um einen Arzt, der versuchte der Dichterin zu helfen.
Die 17 Angeklagten waren am 23. Mai von einem Kairoer Gericht von dem Vorwurf der „Teilnahme an illegalen Protesten“ und der „Störung der öffentlichen Ordnung“ auf Grundlage des repressiven Demonstrationsgesetzes freigesprochen worden. Drei Tage später legte die ägyptische Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel ein. Der Polizeibeamte Yassin Hatem Salahedeen wurde am 11. Juni wegen der Tötung von Shaimaa Al-Sabbagh zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Hintergrundinformationen
Die linksgerichtete Aktivistin und Dichterin Shaimaa Al-Sabbagh wurde am 24. Januar während eines friedlichen Gedenkmarsches im Zentrum Kairos, der von ägyptischen Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurde, erschossen. Shaimaa al-Sabbagh hinterlässt einen fünfjährigen Sohn. Videoaufzeichnungen und Fotografien, die von JournalistInnen und AktivistInnen aufgenommen wurden, lösten nicht nur in Ägypten, sondern auch international Empörung aus.
Shaimaa Al-Sabbagh hatte an einem Gedenkmarsch, der in Richtung Tahrir-Platz verlief, teilgenommen. Der Marsch wurde von der Sozialistischen Volksallianz (Socialist Popular Alliance Party – SPAP) organisiert. Die kleine Gruppe aus ungefähr 30 Demonstrierenden trug Banner, auf denen der Parteiname zu lesen war, sowie Blumen, um den Hunderten Menschen zu gedenken, die während der Revolution im Jahr 2011 umgekommen waren. Sie nutzten bei ihrem Marsch den Bürgersteig, um den Verkehr nicht zu blockieren. Auf der Grundlage des repressiven ägyptischen Demonstrationsrechts stellt die Teilnahme an einer Demonstration ohne vorherige Genehmigung eine Straftat dar. Die TeilnehmerInnen des Protestmarschs machen jedoch geltend, dass sie nicht demonstrierten, sondern lediglich einen Marsch abhielten, um der Toten zu gedenken.
Laut einem Augenzeugenbericht gegenüber Amnesty International bewachten die Sicherheitskräfte den Zugang zum Tahrir-Platz und stoppten den Marsch in der Nähe der Talaat-Harb-Straße, bevor sie die Demonstrierenden mit Tränengas und Gewehren angriffen.
Der Sprecher der forensischen Behörde in Ägypten gab an, dass Shaimaa Al-Sabbagh durch Schussverletzungen im Rücken- und Hinterkopfbereich getötet wurde. Die Schüsse wurden aus acht Metern Entfernung abgefeuert. Obwohl die Behörden ursprünglich abstritten, dass die Sicherheitskräfte für ihren Tod verantwortlich seien, hat die Staatanwaltschaft einen Polizeibeamten wegen „Schlägen, Verletzungen und dem Verabreichen von Substanzen, die zum Tode führen“ im Fall Shaimaa Al-Sabbagh angeklagt, der mittlerweile eine 15-jährige Gefängnisstrafe angetreten hat. Azza Soliman ist die Gründerin der NGO Center for Egyptian Women’s Legal Assistance. Sie hatte laut ihrer Zeugenaussage nicht an dem Gedenkmarsch für die Opfer der „Revolution des 25. Januar“ teilgenommen, der von der Sozialistischen Volksallianz (Socialist Popular Alliance Party – SPAP) organisiert worden war. Sie saß gerade mit ihrer Familie und FreundInnen in einem Café, als sie die Demonstrierenden hörte und nach draußen ging, um zuzusehen. Dabei beobachtete sie, wie Sicherheitskräfte die Kundgebung mit Tränengas und Schusswaffen aufzulösen versuchten. Sie sah eine Frau am Boden liegen und erfuhr später, dass es sich um Shaimaa Al-Sabbagh handelte. Zwei weitere Angeklagte waren ebenso wenig an der Demonstration beteiligt. Bei einem von ihnen handelt es sich um einen Arzt, der Shaimaa Al-Sabbagh erste Hilfe leistete, nachdem sie angeschossen wurde. Der zweite war lediglich ein Passant, der Shaimaa Al-Sabbagh in ein nahegelegenes Café trug. Beide Personen wurden vor Ort festgenommen. Die übrigen 14 Angeklagten hatten alle an der friedlichen Kundgebung teilgenommen. Einige von ihnen wurden an Ort und Stelle festgenommen, andere folgten einer Vorladung der Staatsanwaltschaft. Ein Mann wurde sogar beschuldigt, Shaimaa Al-Sabbagh getötet zu haben, als er sich als Zeuge meldete. Da keine Beweise gegen ihn vorlagen, wurde er später wegen unerlaubten Demonstrierens und Störung der öffentlichen Ordnung angeklagt.