Regimekritiker freilassen!
Ciro Alexis Casanova Pérez befindet sich seit Juni 2014 in Kuba in Haft. Er wurde im Dezember 2014 wegen «Störung der öffentlichen Ordnung» zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er sein Recht auf freie Meinungsäusserung friedlich wahrgenommen hat.
Am 5. Juni 2014 nahm Ciro Alexis Casanova Pérez, ein Regimekritiker, der auch Mitglied verschiedener unabhängiger Organisationen in Kuba ist, an einer von ihm organisierten Demonstration in Placetas in der Provinz Santa Clara teil. Dabei hielt er ein Banner mit der Aufschrift «Revolutionäres Studentendirektorium» (Directorio Revolucionario Estudiantil – DRE) hoch und rief regierungskritische Parolen wie «Nieder mit der Revolution!» (Abajo la Revolución) und «Nieder mit Fidel, nieder mit Rául [Castro]!» (Abajo Fidel, abajo Raúl).
Ciro Alexis Casanova Pérez wurde festgenommen und noch am selben Tag wieder freigelassen. Jedoch stellte ihn die Bezirksstaatsanwaltschaft von Villa Clara am 12. Juni 2014 wegen «Störung der öffentlichen Ordnung» unter Hausarrest. Am 15. Juni rief Ciro Alexis Casanova Pérez bei der örtlichen Polizeistation an und bat darum, sein Haus zeitweise verlassen zu dürfen, da er seinen Vater am Vatertag besuchen wollte. Obwohl ihm der zuständige Polizeibeamte mündlich die Zustimmung erteilte, wurde Ciro Alexis Casanova Pérez von einer Polizeistreife festgenommen, als er sich auf dem Weg zum Haus seines Vaters befand.
Im September 2014 klagte die Generalstaatsanwaltschaft wegen «Störung der öffentlichen Ordnung» (desorden público), «wiederholter Störung der öffentlichen Ordnung» (desórdenes públicos de carácter continuado) und «Respektlosigkeit» (desacato) an und forderte eine vierjährige Freiheitsstrafe. Das Gerichtsverfahren gegen Ciro Alexis Casanova Pérez fand im November 2014 vor dem Kommunalgericht in Placetas statt. Dieses verurteilte ihn am 30. Dezember zu einer einjährigen Haftstrafe. Das Gericht wies die Anklagen wegen «Respektlosigkeit» und «wiederholter Störung der öffentlichen Ordnung» allerdings ab und befand ihn nur der «Störung der öffentlichen Ordnung» für schuldig. Er verbüsste seine Haftstrafe zunächst im Gefängnis El Pendiente, bis er im Februar 2015 in das Gefängnis von Manaca verlegt wurde. Beide Hafteinrichtungen befinden sich in der Provinz Villa Clara. Amnesty International geht davon aus, dass das Urteil gegen ihn politisch motiviert war und mit der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit in Verbindung steht, und dass damit andere regierungskritische Personen eingeschüchtert werden sollen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren ist in Kuba eingeschränkt, da die Gerichte und StaatsanwältInnen unter staatlicher Kontrolle stehen. Dies betrifft vor allem Verfahren, die politisch motiviert sind. Die kubanische Nationalversammlung wählt den Vorsitzenden, den stellvertretenden Vorsitzenden und die übrigen RichterInnen des Obersten Volksgerichtshofs sowie den Generalstaatsanwalt und den stellvertretenden Generalstaatsanwalt. Darüber hinaus unterstehen alle Gerichte der Nationalversammlung und dem Staatsrat. Dies lässt befürchten, dass die Gerichtsverfahren nicht den international anerkannten Standards für ein faires Verfahren entsprechen und auch das Recht auf ein Gerichtsverfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht nicht gegeben ist.
Die Bestimmungen zur öffentlichen Ordnung (Titel IV) des kubanischen Strafgesetzbuchs stellen eine Vielzahl an Handlungen unter Strafe. Einige dieser Bestimmungen sind so formuliert und werden von den Gerichten derart ausgelegt, dass sie die unnötige Einschränkung der freien Meinungsäusserung ermöglichen. Das Strafgesetzbuch legt den Begriff der öffentlichen Ordnung sehr weit aus, sodass die Behörden die entsprechenden Bestimmungen zur willkürlichen Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäusserung in der Öffentlichkeit und im Privaten heranziehen können. Artikel 200 besagt: «Jede Person, die an öffentlichen Orten, bei Vorführungen oder bei Grossveranstaltungen Alarm schlägt, die Allgemeinheit bedroht oder auf sonstige Weise mit der Absicht handelt, Panik oder Aufruhr herbeizuführen, wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und einem Jahr oder einer Geldstrafe oder beidem bestraft» (El que, en lugares públicos, espectáculos o reuniones numerosas, dé gritos de alarma, profiera amenazas de un peligro común o realice cualquier otro acto con el propósito de provocar pánico o tumulto, incurre en sanción de privación de libertad de tres meses a un año o multa de cien a trescientas cuotas o ambas).
Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung werden in Kuba häufig dazu genutzt, den Gebrauch des Rechts auf freie Meinungsäusserung und die Kritik an den Behörden zu bestrafen. Gemäss internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte müssen Regierungen Massnahmen, mit denen das Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, angemessen rechtfertigen.
Im Dezember 2014 gaben die Vereinigten Staaten von Amerika und Kuba die Entscheidung bekannt, ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen zu wollen. Seitdem haben RegierungsvertreterInnen beider Seiten eine Reihe von bilateralen Verhandlungen in Kuba und den USA abgehalten. Am 31. März 2015 fand ein Delegiertentreffen in Washington, D.C., statt, bei dem laut dem US-Aussenministerium «die Vorgehensweise, die Themen und die Struktur eines künftigen Menschenrechtsdialogs diskutiert» werden sollten. Zuvor waren im Januar 2015 in Kuba mehr als 50 politische Gefangene freigelassen worden, darunter fünf Männer, die von Amnesty International als gewaltlose politische Gefangene betrachtet worden waren.