Freilassung für inhaftierte Asylsuchende fordern
Celia Primero Ismalej und ihr 18 Monate alter Sohn Jhordan Lajuj Primero sind aus Guatemala in die USA geflohen, um dort Asyl zu beantragen. Dort befinden sie sich nun seit über acht Monaten in Abschiebehaft, obwohl sie die Voraussetzungen für eine Freilassung erfüllen. Beide leiden sowohl physisch als auch psychisch unter der fortdauernden Haft, die sowohl gegen das Völkerrecht als auch gegen internationale Menschenrechtsstandards verstösst.
Celia Primero Ismalej und ihr Sohn Jhordan Lajuj Primero erreichten die Grenze zwischen den USA und Mexiko etwa am 7. Juli 2014. Am 9. Juli wurden sie im Federal Law Enforcement Training Center, einer Ausbildungsstätte der Bundespolizei, in Artesia im US-Bundesstaat New Mexico in Haft genommen. Dort verblieben sie, bis man sie im Dezember in das Karnes County Residential Center, eine Hafteinrichtung für Familien im Bundesstaat Texas, verlegte. Bereits im August 2014 stellte ein Beamter der Einwanderungsbehörde fest, dass Celia Primero Ismalej in ihrer Heimat Guatemala berechtigterweise Angst vor Verfolgung haben muss. Einer ihrer Verwandten, ein US-Staatsbürger, hat angeboten, dafür Sorge zu tragen, dass Celia Primero Ismalej zu künftigen Anhörungen des Einwanderungsgerichts erscheint. Obwohl sie die Voraussetzungen für eine Haftentlassung unter Auflagen erfüllen, hat die Einwanderungsbehörde (Immigration and Customs Enforcement – ICE) die Freilassung von Celia Primero Ismalej und Jhordan Lajuj Primero bis zur abschliessenden Entscheidung über ihre Asylanträge abgelehnt.
Um Willkür zu vermeiden, muss jegliche Inhaftierung von Asylsuchenden und MigrantInnen gesetzmässig sein, unter den vorliegenden Umständen als notwendig betrachtet werden und verhältnismässig zur Erreichung des angestrebten gesetzmässigen Zwecks sein. Amnesty International ist der Ansicht, dass eine Haft in diesem Fall weder notwendig noch angemessen ist. Speziell die Inhaftierung von Kindern aus migrationspolitischen Motiven ist niemals gerechtfertigt, da sie dem Wohle des Kindes unter keinen Umständen zuträglich sein kann.
Bei Celia Primero Ismalej wurde ein Psychotrauma diagnostiziert und sie zeigt Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Sie leidet unter einer schmerzhaften chronischen Erkrankung des Darms und einem entzündeten Zahn. Weder ist sie diesbezüglich behandelt worden, noch hat sie Medikamente erhalten. Das körperliche Wohlbefinden und die geistige Entwicklung ihres Sohnes werden negativ beeinflusst. So ist er durch die Haft reizbar und aggressiv geworden und leidet an einer chronischen Ohrenentzündung sowie abwechselnd unter Verstopfung und Durchfall.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
US-amerikanisches Bundesrecht sieht vor, dass Gefangene in Abschiebehaft im Einzelfall unter Auflagen freigelassen werden können, wenn «dringende humanitäre Gründe» vorliegen oder wenn ein «erheblicher öffentlicher Nutzen» hierdurch entsteht und wenn diese Personen kein Sicherheitsrisiko darstellen und keine Fluchtgefahr besteht. Die Richtlinien der Einwanderungsbehörde ICE sehen eine Haftentlassung aus diesen Gründen ebenso vor und räumen einen Ermessensspielraum für die Freilassung von Personen ein, die u. a. nachweisen konnten, dass sie bei Rückkehr in ihr Heimatland «berechtigterweise Angst» vor Verfolgung haben müssen. Auch können Jugendliche und stillende Mütter aus der Haft entlassen werden.
Celia Primero Ismalej wurde am 11. August 2014 von einem Beamten der Einwanderungsbehörde verhört, um festzustellen, ob sie bei einer Rückkehr nach Guatemala «berechtigterweise Angst» vor Verfolgung haben muss. Der Beamte stellte fest, dass dies der Fall ist, da sie einer sozialen Gemeinschaft angehört, die ihre indigenen Traditionen weiterhin pflegt. In ihrem Heimatdorf stellt die Gemeinschaft eine Minderheit dar. Die Entscheidung des Beamten der Einwanderungsbehörde teilte man ihr über einen Monat lang nicht mit und verlängerte hierdurch die Bearbeitung ihres Falles und die Dauer ihrer Haft.
Durch den Zustrom von MigrantInnen an der US-amerikanischen Grenze im Jahr 2014 beantragte Präsident Obama mehr als 2 Milliarden US-Dollar zur effektiveren Grenzüberwachung, verstärkten Inhaftierung von MigrantInnen und zur Einführung eines standardisierten Verfahrens, mit dem Abschiebungen schneller durchgeführt werden können. Die Einwanderungsbehörden sind in der Folge dazu übergegangen, Frauen und Kinder – wie Celia Primero Ismalej und Jhordan Lajuj Primero – verstärkt in gefängnisähnlichen Abschiebelagern in New Mexico und Texas zu inhaftieren.
Gemäss dem Völkerrecht hat die US-Regierung dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte von Asylsuchenden und MigrantInnen respektiert, geschützt und erfüllt werden. Die Bestimmungen des Völkerrechts sowie internationale Menschenrechtsstandards, die unter anderem in Mechanismen verankert sind, deren Vertragsstaat die USA sind, legen einen hohen Massstab für die Inhaftierung von MigrantInnen an. Das Recht, nicht willkürlich inhaftiert zu werden ist bspw. im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) geregelt. Eine Inhaftierung ist nur dann rechtmässig, wenn die Behörden nach Einzelfallprüfung nachweisen können, dass sie zur Erreichung des angestrebten gesetzmässigen Zwecks notwendig und angemessen ist und auf gesetzlich vorgeschriebene Weise durchgeführt wird. Jede Auflage oder freiheitsentziehende Massnahme, die das Recht auf Freiheit von MigrantInnen und Asylsuchenden einschränkt, muss eine Ausnahme bilden und darf nur nach einer Einzelfallprüfung der persönlichen Situation der betroffenen Person durchgeführt werden. Als Grundlage für jede Massnahme, die das Recht auf Freiheit einschränkt, muss immer eine gründliche und individuelle Bewertung durchgeführt werden, wobei auch die persönliche Vergangenheit der betroffenen Person berücksichtigt werden muss und ob evtl. Fluchtgefahr besteht. Bei einer solchen Bewertung ist immer zu beachten, ob die Freiheitsbeschränkung notwendig und angemessen ist, um den damit angestrebten Zweck zu erzielen. Der betroffenen Person sollte eine begründete Entscheidung mitgeteilt werden, vorzugsweise in einer Sprache, die sie versteht.
Kinder sollten niemals aufgrund migrationspolitischer Motive inhaftiert werden, unabhängig davon, ob sie unbegleitet in ein Land kommen, ob sie von ihrer Familie getrennt wurden oder mit ihr zusammen dort eintreffen. Am 5. März 2015 erklärte der UN-Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, dass die Inhaftierung von Kindern aufgrund ihres Migrantenstatus niemals gerechtfertigt ist, da sie dem Wohle des Kindes unter keinen Umständen zuträglich sein kann, völlig unangemessen ist und den Straftatbestand der Misshandlung erfüllen kann (UN Dok A/HRC/28/68, Abs. 80).