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Startseite Urgent Actions 2015 03 Chechen woman faces deportation to Russia
UA 053/15
Türkei
Abgeschlossen am 27. April 2015

Tschetschenin droht Abschiebung nach Russland

AI-Index: EUR 44/1142/2015

Der russischen Staatsbürgerin tschetschenischer Abstammung Arubika Suleymanova droht die Abschiebung nach Russland oder in ein noch unbekanntes Drittland. Bei einer Rückführung nach Russland drohen ihr Folter oder andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe.

Arubika Suleymanova kam im Juni 2012 in die Türkei. Im Jahr 2013 erhielt sie eine Aufenthaltsgenehmigung, die jährlich zu verlängern ist. Als sie zu diesem Zweck am 16. Februar 2015 bei der Ausländerbehörde vorstellig wurde, wurde sie festgenommen. Sie wurde in ein Abschiebelager im Istanbuler Bezirk Kumkapı gebracht und am 4. März von dort in ein anderes Abschiebelager, etwa 120 km östlich von Istanbul, verlegt. Arubika Suleymanova leidet an Diabetes und hat nur eine Niere, sie muss in Folge dessen strenge Diät halten. Am 5. März wurde sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes entlassen, befindet sich jedoch weiterhin in Gefahr, abgeschoben zu werden.

In Russland erwartet Arubika Suleymanova eine Anklage wegen „Finanzierung des Terrorismus“. Nach Angaben ihrer Rechtsbeistände fusst die Anklage darauf, dass sie einem ihrer Söhne im Jahr 2010 einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Russischen Rubel (etwa 150 Euro) überlassen haben soll. Der Sohn, der in der Zwischenzeit getötet wurde, hatte sich einer bewaffneten Gruppierung tschetschenischer Separatisten angeschlossen.

Die Abschiebungsanordnung von Arubika Suleymanova wurde auf Grundlage von Paragraf 45/1 des Gesetzes zu Ausländern und internationalem Schutz erlassen, nach dem die Abschiebung von Personen, die sich in der Türkei aufhalten, erlaubt ist, wenn diese eine Bedrohung für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung darstellt. Die Rechtsbeistände von Arubika Suleymanova haben gegen die Abschiebung bei einem Verwaltungsgericht Rechtsmittel eingelegt mit der Begründung, dass sie bei der Rückführung nach Russland der Gefahr ausgesetzt wäre, gefoltert zu werden. Obwohl ein laufendes Rechtsmittelverfahren nach türkischem Recht eine aufschiebende Wirkung auf die Abschiebung hat, wurden in der Vergangenheit bereits Personen aus der Türkei abgeschoben, während ein solches Rechtsmittelverfahren noch anhängig war.

Durch die Rückführung von Arubika Suleymanova nach Russland oder ihre Ausweisung in ein Drittland, von dem aus ihr die Abschiebung nach Russland droht, wäre sie der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Zudem könnte ihr in Russland ein unfaires Gerichtsverfahren drohen.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Arubika Suleymanova kam im Juni 2012 in die Türkei. Nach Angaben ihrer Rechtsbeistände wurde sie Ende 2012 aufgefordert, das Land für drei Monate zu verlassen. Dieser Aufforderung kam sie nach. Nach diesen drei Monaten kehrte sie in die Türkei zurück und erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung, die jährlich zu verlängern ist. Als sie zu diesem Zweck am 16. Februar bei der Ausländerbehörde vorstellig wurde, wurde sie festgenommen und in ein Abschiebelager im Istanbuler Bezirk Kumkapı gebracht. Am 4. März wurde sie in ein anderes Abschiebelager, eine Einrichtung der Ausländerpolizeibehörde, etwa 120 km östlich von Istanbul, verlegt. Arubika Suleymanova wurde kein Dolmetscher zur Verfügung gestellt und konnte daher vor ihrer Verlegung nicht auf ihren schlechten Gesundheitszustand hinweisen. Die russischen Strafverfolgungsbehörden werfen Arubika Suleymanova vor, ihrem „nahen Verwandten“ Ruslan Suleymanov im Jahr 2010 einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Russischen Rubel überlassen zu haben. Ruslan Suleymanov war Mitglied einer bewaffneten Gruppierung und wurde im Januar 2013 während einer Sicherheitsoperation getötet. Hierbei überlebte einer der Widerstandskämpfer, von dem die BeamtInnen der Strafverfolgungsbehörden Informationen über Arubika Suleymanova erhalten haben wollen. Kurz darauf wurde sie festgenommen und es wurde ein Strafverfahren gegen sie eröffnet. Das Verfahren wurde später ausgesetzt und Arubika Suleymanova wurde freigelassen. Nach Ablauf der dreimonatigen Einreisesperre kehrte sie in die Türkei zurück. Im Juli 2014 ordnete die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen sie an. Amnesty International erreichen regelmässig Berichte über aussergerichtliche Hinrichtungen und Verschwindenlassen, rechtswidrige Inhaftierung sowie Folter und anderweitige Misshandlungen von Personen im Nordkaukasus. Von solcherlei Menschenrechtsverletzungen wird häufig im Zusammenhang mit sogenannten Antiterroreinsätzen berichtet, die von den Strafverfolgungsbehörden in Tschetschenien und im Nordkaukasus durchgeführt werden. Mehrfach hat Amnesty International glaubwürdige Aussagen darüber erhalten, dass im Nordkaukasus Personen willkürlich der Mitgliedschaft in illegalen bewaffneten Gruppierungen verdächtigt werden. Obwohl Amnesty International nicht in der Lage ist, jede einzelne Anschuldigung zu bestätigen oder zu widerlegen, ist die Organisation der Ansicht, dass durch die faktische Abwesenheit des Rechtsstaates und das beinahe vollständig straffreie Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden im Nordkaukasus diese Anschuldigungen dringend der weiteren Untersuchung bedürfen. Folter kommt im Nordkaukasus und in der gesamten Russischen Föderation regelmässig und flächendeckend zum Einsatz und momentan gibt es für die Opfer keine effektiven Schutzmassnahmen. Es liegen glaubhafte Aussagen vor, dass „Geständnisse“ und „Zeugenaussagen“ in einer Vielzahl von Fällen, in denen Personen der Mitgliedschaft in einer illegalen bewaffneten Gruppierung verdächtigt wurden, zum Grossteil oder gar vollständig unter Folter oder Zwang erpresst wurden. Der Grundpfeiler des internationalen Flüchtlingsschutzes ist das Prinzip des Non-Refoulement. Dieses Prinzip verbietet es, Flüchtlinge in irgendeiner Weise in Gebiete zurückzuführen, in denen ihnen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen. Das Non-Refoulement-Prinzip ist in Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention und in zahlreichen weiteren Menschenrechtsinstrumenten verankert, zu deren Einhaltung die Türkei verpflichtet ist. Verstösse gegen dieses Prinzip können auf verschiedene Weise erfolgen. Einen direkten Verstoss stellt beispielsweise die Abschiebung in das Herkunftsland dar. Ein indirekter Verstoss liegt vor, wenn Flüchtlinge z. B. in ein Drittland ausgewiesen werden, von dem die Abschiebung in das Herkunftsland droht. Unzulässig ist auch, Flüchtlingen den Zugang zum Staatsgebiet oder zu einem fairen und zufriedenstellenden Asylverfahren zu verweigern.

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