Drohende Hinrichtungen stoppen!
Am 7. März sollen zwei Männer im Zentralgefängnis von Karatschi in Pakistan hingerichtet werden. Einer von ihnen wurde 1999 im Alter von 16 Jahren zum Tode verurteilt. Werden die Urteile vollstreckt, so würde die Anzahl der Hinrichtungen auf 26 steigen, seit das Hinrichtungsmoratorium im Dezember 2014 aufgehoben wurde.
Muhammad Afzal und Muhammed Faisal sollen am 7. März in Pakistan hingerichtet werden. Die Vollstreckungsbefehle wurden am 23. Februar vom Anti-Terror-Gericht ausgestellt. Beide Männer befinden sich derzeit im Sukkur Gefängnis in der Provinz Sindh und sollen ins Zentralgefängnis von Karatschi verlegt werden, wo die Hinrichtungen bereits vorbereitet werden.
Muhammad Afzal und Muhammed Faisal wurden im Jahr 1999 vom Anti-Terror-Gericht wegen bewaffneten Raubüberfalls und Mordes zum Tode verurteilt. Diese Straftaten stehen in keinerlei Beziehung zu Terrorismusverbrechen. Zur Zeit der Gerichtsverhandlung war Muhammad Afzal 16 Jahre alt, eine Tatsache, die während des Verfahrens jedoch keine Berücksichtigung fand. Beide Männer verbrachten erst mehrere Monate in einem Jugendgefängnis, bevor sie in eine Haftanstalt für Erwachsene verlegt wurden. Ihre derzeitigen Rechtsbeistände haben sich sehr besorgt darüber geäussert, dass ihren Mandanten das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren vorenthalten wurde und dass sie nicht ausreichend vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung geschützt wurden. Aus der Gerichtsakte von Muhammad Afzal ist ersichtlich, dass sich das Gericht mit seinen Vorwürfen, von der Polizei gefoltert worden zu sein, nie befasst hat. Die Urteile gegen Muhammad Afzal und Muhammed Faisal wurden in Berufungsverfahren vom Hohen Gericht in Sindh im Jahr 1999 und vom Obersten Gerichtshof Pakistans im Jahr 2001 bestätigt. Zu dem Gremium aus drei Richtern beim Obersten Gerichtshof, das die Rechtsmittel zurückwies, gehörte auch der Richter, der die beiden Männer vor dem Anti-Terror-Gericht zum Tode verurteilt hatte.
Die pakistanische Regierung hat öffentlich erklärt, die Aufhebung des Moratoriums für Hinrichtungen gelte nur für Häftlinge, die von einem Anti-Terror-Gericht der schwersten Terrorismusverbrechen für schuldig befunden worden sind und Kontakte zu verbotenen Terrororganisationen unterhalten haben. Die Hinrichtung von Muhammad Afzal und Muhammed Faisal würde somit gegen die Richtlinie der Regierung zur Handhabung des Moratoriums verstossen, denn beide Männer sind weder wegen terrorismusbezogener Straftaten verurteilt worden, noch hatten sie Kontakt zu verbotenen Terrororganisationen. Die Hinrichtung von Muhammad Afzal würde darüber hinaus gegen das Völkerrecht verstossen, nach dem die Hinrichtung von zur Tatzeit unter 18-Jährigen verboten ist.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen dar. Darüber hinaus liegen keine eindeutigen Beweise dafür vor, dass die Todesstrafe Verbrechen wirksamer verhindert als andere Arten der Bestrafung. Die umfangreichste, von der UN im Jahr 1988 durchgeführte und 2008 zuletzt aktualisierte Studie, stellt fest, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass die Todesstrafe eine abschreckendere Wirkung haben als lebenslange Haftstrafen.
Hintergrundinformationen
Nach den Terroranschlägen der pakistanischen Taliban auf eine Schule der pakistanischen Armee in Peschawar am 16. Dezember 2014 hat Premierminister Nawaz Sharif das seit sechs Jahren bestehende Hinrichtungsmoratorium aufgehoben. Seitdem sind in Pakistan 24 Gefangene hingerichtet worden. Die Regierung hat angekündigt, bis zu 500 wegen Terrorismusverbrechen zum Tode verurteilte Gefangene hinzurichten. In Pakistan sitzen mindestens 6.353 Häftlinge in den Todeszellen. Amnesty International verurteilt den Angriff auf die Schule in Peschawar durch die pakistanische Taliban aufs Schärfste. Bei dem Anschlag waren 149 Menschen getötet worden, darunter 132 Kinder. Amnesty International fordert eine umfassende Untersuchung von Anschlägen und Angriffen auf Zivilpersonen, so auch des Anschlags in Peschawar. Zudem fordert die Organisation, dass die mutmasslichen TäterInnen unter Ausschluss der Todesstrafe in Verfahren vor Gericht gestellt werden, die den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen. Pakistan hat seine Verfassung dahingehend angepasst, dass Gerichtsverfahren wegen terroristischer Straftaten nun schneller verhandelt werden können. Ausserdem werden diese Verfahren nun der Militärgerichtsbarkeit überstellt. Die Zuständigkeit von Militärgerichten ist sehr besorgniserregend, da vermutet wird, dass den Angeklagten Rechte vorenthalten werden könnten, um so eine schnellere Verurteilung zu ermöglichen. Amnesty International besorgt insbesondere, dass viele Todesurteile in Pakistan in Prozessen verhängt werden, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprechen. Diese Verfahren sind gekennzeichnet durch den fehlenden Zugang zu Rechtsbeiständen und das Zulassen von Beweisen, die nach dem Völkerrecht nicht vor Gericht verwendet werden dürfen. So werden Aussagen, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismittel vor Gericht zugelassen. Angeklagte haben oft nur eingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand oder ihnen werden vom Staat Rechtsbeistände gestellt, die häufig schlecht ausgebildet und unterbezahlt sind. Es kommt vor, dass die vom Staat gestellten Rechtsbeistände ihre MandantInnen nicht mit ganzem Einsatz vertreten, es sei denn, sie erhalten weitere Bezahlungen von der Familie des/der Angeklagten. Hinzu kommt, dass das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren in Verhandlungen vor vorinstanzlichen Gerichten missachtet wird und dort nach wie vor Todesurteile verhängt werden. Die Verhandlungen dieser Gerichte sind nur eingeschränkt öffentlich zugänglich und die Gerichtsverfahren müssen in der Regel innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen abgeschlossen werden, wodurch die RichterInnen unter grossen Druck geraten, Angeklagte zu verurteilen. Der UN-Sonderberichterstatter über aussergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen bemerkte 2012, dass Militär- und andere Sondergerichte nicht befugt sein sollten, Todesurteile zu verhängen.