Benutzerspezifische Werkzeuge
Amnesty Urgent Actions
Startseite Urgent Actions 2015 01 Imminent executions must be stopped
UA 019/15
Pakistan
Abgeschlossen am 3. Februar 2015

Unmittelbar drohende Hinrichtungen müssen gestoppt werden

AI-Index: ASA 33/001/2015

Am 3. Februar sollen in Pakistan drei Männer hingerichtet werden. Zwei von ihnen sind wegen Terrordelikten zum Tode verurteilt worden. Einer der Männer war wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Auch er ist nun in unmittelbarer Hinrichtungsgefahr, obwohl die pakistanischen Behörden ein bestehendes Hinrichtungsmoratorium im Dezember 2014 nur für die Fälle aufgehoben hatten, in denen Todesurteile im Zusammenhang mit Terroranschlägen verhängt wurden. Amnesty International befürchtet, dass jetzt auch weitere Todesurteile, die nicht im Zusammenhang mit Terrordelikten verhängt wurden, vollstreckt werden sollen.

Shoiab Sarwar soll am 3. Februar hingerichtet werden, nachdem ein Gericht in Rawaldpindi im Norden der Provinz Punjab am 23. Januar einen Hinrichtungsbefehl ausgestellt hatte. Shoiab Sarwar war 1998 in einem unfairen Gerichtsverfahren des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden. Weder die ermittelnden PolizeibeamtInnen hatten ZeugInnen der Verteidigung befragt, noch hatte sein Rechtsbeistand sie im Gerichtsverfahren vorgeladen. Shoiab Sarwar sitzt nun seit 18 Jahren im Todestrakt des Adiala Gefängnisses.

Weitere Häftlinge sollen am 3 Februar im Zentralgefängnis von Karachi hingerichtet werden, unter ihnen Attaullah alias Qasim und Mohammad Azam alias Sharif. Die beiden Männer sind wegen terroristischer Straftaten zum Tode verurteilt worden. Seit das Moratorium für Hinrichtungen am 17. Dezember 2014 aufgehoben wurde, sind in Pakistan bereits 20 Häftlinge hingerichtet worden, 500 weiteren droht diese Strafe ebenfalls. Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat. Die pakistanische Regierung hat öffentlich erklärt, die Aufhebung des Moratoriums für Hinrichtungen gelte nur für Häftlinge, die von einem Anti Terror Gericht der schwersten Terrorismusverbrechen für schuldig befunden worden sind und Kontakte zu verbotenen Terrororganisationen unterhalten haben.

Der Fall von Shoiab Sarwar könnte weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Nach Angaben seiner Rechtsbeistände wurde Shoiab Sarwar weder wegen eines Terrorismusverbrechens schuldig gesprochen, noch wurde er nach den Anti Terror Gesetzen oder von einem Anti Terror Gericht zum Tode verurteilt. Der Direktor des Adiala Gefängnisses lehnt die Ausführung des Hinrichtungsbefehls ab, da Shoiab Sarwar nicht wegen einer terroristischen Straftat zum Tode verurteilt wurde. Sollte die Strafe vollstreckt werden, wäre Shoiab Sarwar der erste Häftling, der nicht im Zusammenhang mit einem Terrorverbrechen hingerichtet werden würde, seit das Moratorium für Hinrichtungen aufgehoben wurde. RechtsanwältInnen befürchten nun, dass die Vollstreckung dieses Urteils weitere Hinrichtungen wegen nicht terrorismusbezogener Verbrechen begünstigt.

Hintergrundinformationen

Über 8.000 Gefangene befinden sich in Pakistan im Todestrakt. Mehr als 500 der TodeskandidatInnen wurden wegen terrorismusbezogener Straftaten verurteilt. Ihnen droht nun die Hinrichtung. Pakistan hatte im Oktober 2013 ein Moratorium gegen die Vollstreckung von Todesurteilen wieder in Kraft gesetzt. Zuletzt waren 2008 eine Zivilperson und 2012 ein Soldat gehängt worden. Es befinden sich derzeit Hunderte Menschen wegen terrorismusbezogener Anklagen im Todestrakt.
Nach einer Reihe von aufsehenerregenden Tötungen und Terroranschlägen in Pakistan, darunter das Attentat auf eine Schule der pakistanischen Armee in Peschawar am 16. Dezember 2014, hat Premierminister Nawaz Sharif die Wiederaufnahme von Hinrichtungen angekündigt, da er unter Druck steht, Recht und Ordnung wiederherzustellen. Seit der Aufhebung des Moratoriums für Hinrichtungen am 17. Dezember 2014 hat Pakistan angedroht, 500 wegen Terrorismusverbrechen zum Tode Verurteilte hinzurichten.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen dar. Darüber hinaus liegen keine eindeutigen Beweise dafür vor, dass die Todesstrafe Verbrechen wirksamer verhindert als andere Arten der Bestrafung. Die umfangreichste, von der UN im Jahr 1988 durchgeführte und 2008 zuletzt aktualisierte Studie, stellt fest, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Hinrichtungen eine abschreckendere Wirkung haben als lebenslange Haftstrafen.
Amnesty International verurteilt den Angriff auf die Schule in Peschawar durch die pakistanische Taliban aufs Schärfste. Bei dem Anschlag waren mindestens 142 Menschen getötet worden, darunter 132 Kinder. Amnesty International fordert eine umfassende Untersuchung von Anschlägen und Angriffen auf Zivilpersonen, darunter auch der Anschlag in Peschawar. Zudem fordert die Organisation, dass die mutmasslichen TäterInnen unter Ausschluss der Todesstrafe in Verfahren vor Gericht gestellt werden, die den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen. In den vergangenen Wochen hat Pakistan seine Verfassung dahingehend angepasst, dass Gerichtsverfahren wegen terroristischer Straftaten nun schneller verhandelt werden können. Ausserdem werden diese Verfahren nun der Militärgerichtsbarkeit überstellt. Die Zuständigkeit von Militärgerichten ist sehr besorgniserregend, da vermutet wird, dass den Angeklagten Rechte vorenthalten werden könnten, um so eine schnellere Verurteilung zu ermöglichen.
Amnesty International besorgt insbesondere, dass viele Todesurteile in Pakistan in Prozessen verhängt werden, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprechen. Diese Verfahren sind gekennzeichnet durch den fehlenden Zugang zu Rechtsbeiständen und das Zulassen von Beweisen, die nach dem Völkerrecht nicht vor Gericht verwendet werden dürfen. So werden Aussagen, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismittel vor Gericht zugelassen. Angeklagte haben oft nur eingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand oder ihnen werden vom Staat Rechtsbeistände gestellt, die häufig schlecht ausgebildet und unterbezahlt sind. Es kommt vor, dass die vom Staat gestellten Rechtsbeistände ihre MandantInnen nicht mit ganzem Einsatz vertreten, es sei denn, sie erhalten weitere Bezahlungen von der Familie des/ der Angeklagten. Hinzu kommt, dass das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren in Verhandlungen vor vorinstanzlichen Gerichten missachtet wird und dort nach wie vor Todesurteile verhängt werden. Die Verhandlungen dieser Gerichte sind nur eingeschränkt öffentlich zugänglich und die Gerichtsverfahren müssen in der Regel innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen abgeschlossen werden, wodurch die RichterInnen unter grossen Druck geraten, Angeklagte zu verurteilen. Der UN-Sonderberichterstatter über aussergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen bemerkte 2012, dass Militär- und andere Sondergerichte nicht befugt sein sollten, Todesurteile zu verhängen.

7 Briefe verschickt  
My Urgent Actions
Fürs Mitzählen lassen Ihres Briefes und Update-Funktion zu nutzen müssen Sie sich
einloggen oder
anmelden
Downloads
UA 019/15 english
Microsoft Word Document, 63.5 kB
UA 019/15 français
Microsoft Word Document, 72.0 kB
UA 019/15 deutsch
Microsoft Word Document, 68.0 kB
Mehr zum Thema

Todesstrafe

In welchen Ländern existiert die Todesstrafe noch immer? Wie viele Menschen werden jährlich weltweit hingerichtet? Mehr