Schriftsteller wegen Kritik gegen religiösen Extremismus inhaftiert
In Myanmar ist der Schriftsteller Htin Lin Oo festgenommen worden. Ihm droht eine Haftstrafe, nachdem er in einer Rede die Instrumentalisierung von Religion zur Verbreitung diskriminierender und extremistischer Ansichten kritisiert hatte. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sofort und bedingungslos freigelassen werden muss. Die Anklagen gegen ihn müssen fallengelassen werden.
Htin Lin Oo ist Schriftsteller und ehemaliger Informationsbeauftragter der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), der führenden Oppositionspartei Myanmars. Am 23. Oktober 2014 hielt er bei einer Literaturveranstaltung im Township Chaung-U in der Region Sagaing im Norden Myanmars eine Rede, in der er die Instrumentalisierung des Buddhismus zur Anstiftung zu Diskriminierung und zur Verbreitung von Vorurteilen kritisierte. Der etwa zweistündigen Rede wohnten ca. 500 Personen bei. Kurz nach der Veranstaltung tauchte ein zehnminütiges, zusammengeschnittenes Video der Rede in den sozialen Medien auf, das unter einigen buddhistischen Gruppierungen Empörung auslöste.
Am 4. Dezember wurde vor dem Gericht des Townships Chaung-U Anklage gegen Htin Lin Oo erhoben, nachdem BeamtInnen des Townships Anzeige erstattet hatten. Die Anklage lautete auf «Verunglimpfung der Religion» nach Paragraf 295(a) des myanmarischen Strafgesetzbuchs und «Verletzung religiöser Gefühle» nach Paragraf 298. Die entsprechenden Paragrafen sehen Haftstrafen von bis zu zwei Jahren bzw. einem Jahr vor.
Htin Lin Oo wurde bei seiner ersten Anhörung am 17. Dezember 2014 in Haft genommen, nachdem seine Freilassung gegen Hinterlegung einer Kaution abgelehnt worden war. Weitere Anträge auf Freilassung gegen Kaution wurden ebenfalls zurückgewiesen. Htin Lin Oo ist derzeit im Monywa-Gefängnis in der Region Sagaing inhaftiert. Seine nächste Anhörung findet am 23. Januar statt.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Htin Lin Oo ist Schriftsteller und ehemaliger Informationsbeauftragter der Nationalen Liga für Demokratie (NLD). Kurz nachdem gegen ihn Strafanzeige erstattet worden war, wurde er seines Amtes als Informationsbeauftragter enthoben.
In Myanmar wird eine Reihe von Gesetzen dazu verwendet, das Recht auf freie Meinungsäusserung einzuschränken. Amnesty International erhält weiterhin Berichte über politische AktivistInnen, MenschenrechtsverteidigerInnen, JournalistInnen und andere Personen, die ausschliesslich wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte festgenommen und inhaftiert werden.
Das Recht auf freie Meinungsäusserung ist in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) verankert. Internationale Menschenrechtsstandards erlauben zwar gewisse Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäusserung; allerdings sind diese Einschränkungen klar definiert und begrenzt: Sie müssen gesetzlich festgelegt, auf bestimmte konkrete Zwecke wie die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Achtung der Rechte oder des guten Rufes anderer beschränkt, und notwendig und verhältnismässig für die Erreichung einer dieser zulässigen Zwecke sein.
Die Anklagen gegen Htin Lin Oo und seine strafrechtliche Verfolgung erfüllen die strengen Kriterien für eine Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäusserung im Rahmen internationaler Menschenrechtsstandards nicht. Daher verstösst Myanmar ganz offensichtlich gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung. Das Gerichtsverfahren gegen Htin Lin Oo droht, eine Atmosphäre zu schaffen, in der jegliche Diskussionen über religiöse Angelegenheiten in Myanmar unterdrückt werden, und das vor dem Hintergrund zunehmender religiöser Spannungen in dem Land.
Nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen haben ihrer Sorge über die Verwendung hetzerischer Rhetorik mit dem Ziel der Aufstachelung zu Feindseligkeit und Gewalt gegen und Diskriminierung von Nicht-Buddhisten durch extremistische buddhistische Gruppierungen Ausdruck verliehen. Dennoch haben die Behörden bislang keine konkreten Massnahmen dagegen ergriffen.
Amnesty International erhält zudem weiterhin Berichte über die schlechten Haftbedingungen in myanmarischen Gefängnissen, die internationale Standards nicht erfüllen. Dazu gehört der mangelnde Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung, sauberem Trinkwasser, gehaltvollen Lebensmitteln und Wasser zum Waschen. Amnesty International fordert die myanmarischen Behörden auf sicherzustellen, dass die Haftbedingungen den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen und anderen internationalen Standards entsprechen.