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Iran
Abgeschlossen am 2. März 2015

Frauenrechtlerin inhaftiert

AI-Index: MDE 13/002/2015

Die Frauenrechtlerin Mahdieh Golrou befindet sich seit über zwei Monaten ohne Anklage im Teheraner Evin-Gefängnis. Sie wird dort wegen ihres friedlichen Protests gegen eine Serie von Säureanschlägen auf junge Frauen in Esfahan festgehalten. Trotz stundenlanger Verhöre wird ihr der Zugang zu ihrem Rechtsbeistand verwehrt. Sie ist eine gewaltlose politische Gefangene und muss unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden.

Mahdieh Golrou wurde am 26. Oktober 2014 in ihrem Haus in Teheran festgenommen, und ihr Mobiltelefon und ihr Computer wurden beschlagnahmt. Seitdem befindet sie sich in Haft. Sie wurde zwei Monate lang im Trakt 2A des Evin-Gefängnisses unter der Kontrolle der Revolutionsgarde in Einzelhaft gehalten, bevor sie in eine Gemeinschaftszelle mit einer weiteren Gefangenen im selben Trakt verlegt wurde. Am 12. Januar wurde Mahdieh Golrous Fall auf die Prozessliste der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran gesetzt. Zu einem Rechtsbeistand, der von ihrer Familie engagiert worden war, durfte sie keinen Kontakt aufnehmen. Ihr werden pro Woche zwei Telefonanrufe gestattet, ihre Familie darf sie gelegentlich besuchen.

Mahdieh Golrou nahm am 22. Oktober 2014 an einem friedlichen Protest vor dem Parlament in Teheran teil, um Gewalt gegen Frauen anzuprangern und um gegen eine Serie von Säureanschlägen gegen Frauen zu demonstrieren, die Anfang Oktober in Esfahan verübt worden waren. Es wird befürchtet, dass ihre Festnahme einen Versuch darstellt, friedliche Proteste zu unterdrücken und diejenigen mundtot zu machen, die sich für Frauenrechte einsetzen. Die iranischen Behörden haben die Säureanschläge verurteilt, die Verantwortlichen müssen jedoch noch ermittelt und vor Gericht gestellt werden.

Nach Beginn der Säureanschläge und vor ihrer Inhaftierung schrieb Mahdieh Golrou auf ihrer Facebookseite: „Ich bin eine Frau. Ich bin eine iranische Frau, die Angst hat und ständig in Sorge ist… Ich bin eine Frau, und die Tatsache, eine Frau zu sein, macht mir dieser Tage Angst.“

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Im Oktober 2014 wurde eine Serie von Säureanschlägen auf Frauen in Esfahan verübt. Offizielle Stellen sprachen von vier Anschlägen, nichtamtlichen Quellen zufolge sollen es 15 gewesen sein, einer davon mit tödlichem Ausgang. Der iranische Justizminister Hojjat ol-Eslam Mostafa Purmohammadi sagte der Islamic Republic News Agency (IRNA): „Wir sind sehr besorgt und hoffen, dass wir die Verantwortlichen festnehmen und vor Gericht stellen können.“ Am selben Tag sagte Gholam-Hossein Mohseni-Ezhe'i, iranischer Justizsprecher: „Unsere bisherigen Informationen bestätigen nicht, dass sich die Angriffe gezielt gegen unzureichend verschleierte Frauen gerichtet haben.“ Viele IranerInnen haben hingegen ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Opfer wegen der Übertretung der strengen islamischen Kleidungsvorschriften zum Ziel der Anschläge wurden.
Das iranische Strafgesetzbuch sieht Gefängnis- oder Geldstrafen für Frauen vor, die ihren Kopf nicht bedecken und sich nicht an die strengen islamischen Kleidungsvorschriften halten. Dieses Gesetz nutzen Polizei, die paramilitärische Basidschi Miliz und Bürgerwehren als Rechtsgrundlage, den öffentlichen Raum zum Schutz und zur Förderung einer „Kultur der Bescheidenheit und Keuschheit“ zu kontrollieren und um Frauen einzuschüchtern, zu belästigen, ihnen körperliche Gewalt zuzufügen und sie zu inhaftieren.
In den Tagen nach den Säureanschlägen demonstrierten in Teheran und Esfahan tausende Menschen vor Regierungsgebäuden und forderten von den Behörden, die Anschläge zu untersuchen und das „Gesetz zum Schutz der Förderer der Tugend und der Bewahrer vor dem Laster“ aufzuheben, ein umstrittener Gesetzentwurf, der derzeit dem Parlament vorliegt. In den Augen vieler Protestierender ermutigt dieses Gesetz zur Gewalt gegen Frauen. Es berechtigt Jedermann, sich in Wort und Schrift für die Förderung der Tugend und den Schutz vor dem Laster einzusetzen. „Tugend“ ist dort definiert als alle Taten, Worte und zu unterlassende Handlungen, die durch die Scharia oder geltendes Recht geboten sind. „Laster“ bezeichnet hingegen alle verbotenen Taten, Worte und zu unterlassenden Handlungen.
Berichten zufolge griffen Sicherheitskräfte zu Tränengas und Schlagstöcken, um die Protestaktionen aufzulösen. Mindestens vier JournalistInnen wurden im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über die Säureanschläge festgenommen. Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh wurde am 25. Oktober 2014 ebenfalls kurzfristig festgenommen, am selben Tag jedoch wieder freigelassen.
Mahdieh Golrou war bereits im Dezember 2009 wegen ihres Einsatzes für die Rechte von Frauen und Studierenden inhaftiert worden. Sie verbrachte bereits mehr als zwei Jahre wegen ihrer friedlichen Proteste im Gefängnis. Sie war wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ und „Versammlung und Verschwörung gegen die Staatssicherheit“ verurteilt worden. Aufgrund ihrer friedlichen Proteste hat Mahdieh Golrou „Sterne“ erhalten und wurde von der Fortsetzung ihrer Hochschulausbildung an der Allameh-Tabatabai-Universität ausgeschlossen. Der Prozess, der zum Suspendieren bzw. Ausschliessen von Studierenden durch Disziplinarausschüsse von Universitäten führt, ist mittlerweile als „Sterne vergeben“ bekannt. Studierende, die mutmasslichen regierungskritischen Aktivitäten nachgehen, was im Allgemeinen mit der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zusammenhängt, erhalten „Sterne“. Bei drei „Sternen“ wird der oder die Studierende vollständig von der universitären Bildung ausgeschlossen.

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