Morddrohungen durch Paramilitärs
In Kolumbien wurden dutzende MenschenrechtsverteidigerInnen, GewerkschafterInnen und LandrechtsaktivistInnen von der paramilitärischen Gruppierung Águilas Negras (Schwarze Adler) bedroht. Die Gruppe bezeichnet die AktivistInnen zudem als «Guerillas».
Am 11. Januar erhielten ein Gewerkschafter und eine Menschenrechtsverteidigerin im Departamento Atlántico im Norden Kolumbiens ein Flugblatt der paramilitärischen Gruppierung Schwarze Adler Nordblock Atlantikküste (Bloque Norte Costa Atlántica Águilas Negras). In diesem Schreiben wurden Menschenrechtsorganisationen, GewerkschafterInnen, LandrechtsaktivistInnen, Rechtsbeistände von Betroffenen und die VerfasserInnen von Menschenrechtsberichten zu militärischen Zielen erklärt. Weiter heisst es dort: «Verlasst das Land oder versteckt euch wie Ratten, denn wir werden euch erledigen, einen nach dem anderen» (comiencen airce [sic] del pai [sic] o a escoderce [sic] como ratas por que [sic] los vamos a cabar [sic] uno por uno).
In der Morddrohung wurden etwa 40 Personen namentlich genannt, darunter MenschenrechtsverteidigerInnen, GewerkschafterInnen, LandrechtsaktivistInnen sowie ein Beamter, der sich mit Landrückgabeangelegenheiten befasst und ein Priester. Ausserdem werden verschiedene Menschenrechtsorganisationen bedroht. Die genannten Personen waren alle an einem Landrückgabeverfahren beteiligt oder in den Friedensprozess in den Departamentos Sucre, Bolivar, Cesar und Atlántico involviert. Unter den Bedrohten befinden sich auch Juan Martínez, Sprecher der Kleinbauerngemeinde El Tamarindo im Departamento Atlántico, und Mitglieder der Sektionen Atlántico und Sucre der Menschenrechtsorganisation Movimiento Nacional de Víctimas de Crímenes de Estado (MOVICE).
Hintergrundinformationen
Indigene, afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften sowie MenschenrechtsverteidigerInnen sind nach wie vor diejenigen, die am stärksten unter dem anhaltenden bewaffneten Konflikt im Land zu leiden haben. Alle Konfliktparteien – zum einen die kolumbianischen Streitkräfte, die entweder allein oder im Einvernehmen mit den Paramilitärs agieren, zum anderen die verschiedenen Guerillagruppen – begehen Menschenrechtsverstösse und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht. Hierzu zählen Tötungen sowie Verschwindenlassen und Verschleppung, Folter, Vertreibung und Sexualstraftaten.
Sicherheitskräfte und Paramilitärs bezeichnen Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften häufig als KollaborateurInnen oder UnterstützerInnen von Guerillagruppen. In der Folge werden diese oftmals bedroht, entführt oder getötet. Zahlreiche MenschenrechtsverteidigerInnen sind bereits als SympathisantInnen der Guerilla bezeichnet und dann getötet worden. Auch Guerillagruppen bedrohen und töten immer wieder MenschenrechtsverteidigerInnen.
Laut dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Kolumbien wurden zwischen Januar und September 2014 insgesamt 40 MenschenrechtsverteidigerInnen getötet. Die NGO Somos Defensores schätzt, dass 2013 mindestens 70 MenschenrechtlerInnen getötet wurden, darunter zahlreiche SprecherInnen indigener und afro-kolumbianischer Gemeinden. Berichten des kolumbianischen Gewerkschaftsinstituts (Escuela Nacional Sindical – ENS) zufolge sind bis Ende November 2014 insgesamt 20 Gewerkschaftsmitglieder getötet worden. Besonders ins Visier genommen wurden LandrechtsaktivistInnen und Personen, die gegen Straffreiheit kämpfen. Neben solchen Angriffen werden Menschenrechtsorganisationen in Kolumbien auch dadurch in ihrer Arbeit behindert, dass das Rechtssystem dazu missbraucht wird, Anklagen gegen MenschenrechtlerInnen zu konstruieren, und dass immer wieder vertrauliche Informationen aus den Büros von NGOs gestohlen werden.
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder MenschenrechtsverteidigerInnen und Kleinbauern, die sich für eine Landrückgabe einsetzen, bedroht und getötet, meist von paramilitärischen Gruppierungen. Unter den Bedrohten befinden sich auch Juan Martínez, Sprecher der Kleinbauerngemeinde El Tamarindo im Departamento Atlántico, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts gewaltsam vertrieben wurde. Jetzt erwartet sie eine erneute Vertreibung von dem Land, an dem sie sich daraufhin niedergelassen hatten. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht A land title is not enough: Ensuring sustainable land restitution in Colombia, online unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR23/031/2014/en.
Die kolumbianische Regierung hat ein Schutzprogramm eingeführt, um tausenden gefährdeten Personen, darunter MenschenrechtsverteidigerInnen, Schutz zu bieten. Allerdings weist dieses Programm noch beträchtliche Schwachstellen auf. Solange die für Menschenrechtsverletzungen bzw. –verstösse Verantwortlichen sich in Sicherheit wiegen dürfen, wird das Programm nur eingeschränkte Wirkung entfalten können.