Inhaftierter Türke in Foltergefahr
Der Geschäftsmann Dr. Amer al Shawa wurde bei seiner Ankunft am Flughafen Dubai am 2. Oktober 2014 festgenommen. Er wird an einem unbekannten Ort und unter Bedingungen festgehalten, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Zu seiner Familie oder einem Rechtsbeistand seiner Wahl hat er keinen Zugang. Es besteht die Gefahr, dass er gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
Dr. Amer al Shawa, ein türkischer Staatsbürger palästinensischer Herkunft, wurde am 2. Oktober 2014 festgenommen, nachdem er mit dem Flugzeug aus Istanbul am Flughafen Dubai gelandet war. Er hatte in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) an einer Hochzeit der Familie teilnehmen wollen, wurde jedoch von Angehörigen des Staatssicherheitsapparats der VAE festgenommen. Er konnte noch zwei SMS-Nachrichten an einen Freund der Familie senden und ihn so alarmieren. Kurz darauf wurde sein Mobiltelefon konfisziert. Bis zum 14. Oktober hörte seine Familie nichts von Amer al Shawa. Dann erhielt seine Ehefrau Emel Inal einen Anruf von ihm. In dem kurzen Gespräch versicherte er ihr, dass es ihm gut gehe und dass die Personen, die ihn festhalten, ihn „wegen einiger Formalitäten noch ein paar Tage länger“ dabehalten müssten. Seit diesem Tag hat seine Familie nichts mehr von ihm gehört. Auch wurde ihr kein Grund für seine Festnahme und Inhaftierung genannt, obwohl sie bei vielen offiziellen Stellen angefragt hatte, darunter bei der Polizei und beim Innenministerium.
Der türkische Generalkonsul in Dubai teilte der Frau von Dr. Amer al Shawa mit, dass ihr Mann nach Abu Dhabi gebracht wurde. Darüber hinaus erhielt sie keine Informationen. Emel Inal versuchte daraufhin, einen Rechtsbeistand heranzuziehen, um herauszufinden, wo ihr Ehemann inhaftiert ist, warum er festgenommen wurde und welche Anklage ihn erwartet. Alle neun Anwaltskanzleien, zu denen sie in Abu Dhabi Kontakt aufgenommen hatte, lehnten diesbezügliche Hilfe ab. MenschenrechtsverteidigerInnen wurden in den vergangenen Jahren regelmässig von den Behörden der VAE schikaniert, eingeschüchtert und inhaftiert. Nur wenige AnwältInnen sind noch bereit, AktivistInnen und andere Personen zu verteidigen, die vom Staatssicherheitsapparat inhaftiert worden sind.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Die Behörden der VAE haben in den vergangenen Jahren dutzende ausländische Staatsangehörige festgenommen. Viele von ihnen wurden Opfer des Verschwindenlassens und an unbekannten Orten festgehalten, ohne dass ihre Inhaftierung von den Behörden bestätigt wurde. Auch an ihre Familien wurden keinerlei Informationen weitergegeben, weder bezüglich der rechtlichen Grundlage ihrer Inhaftierung noch hinsichtlich ihres Aufenthaltsortes und der Haftbedingungen. Ausserdem verwehrten die Behörden den Gefangenen Kontakt zu Rechtsbeiständen. Diese Bedingungen widersprechen sowohl dem geltenden Recht der VAE als auch dem Völkerrecht. Viele Inhaftierte wurden in Einzelhaft gehalten und gaben an, dass sie während ihrer Verhöre gefoltert und anderweitig misshandelt wurden.
Am 27. Juni 2014 wurden die zwei Katarer Yousif Abdulsamad Abdulghani al Mullah und Hamad Ali Mohammed al Hamadi am Grenzposten al Ghuwaifat im Westen der VAE an der Grenze zu Saudi Arabien festgenommen. Seitdem sind die beiden Männer „verschwunden“. Über den Grund ihrer Inhaftierung ist nichts bekannt. Beide waren in der Vergangeneheit bereits mehrfach in die VAE eingereist, ohne dass es hierbei zu irgendwelchen Vorfällen gekommen war. Seit ihrer Festnahme haben ihre Familien nichts mehr von den beiden Männern gehört.
Zwischen dem 13. August und dem 3. September 2014 wurden mindestens zehn Libyer, einige davon mit doppelter Staatsangehörigkeit, von den Behörden der VAE festgenommen und an unbekannten Orten festgehalten. Am 26. August wurde der US-amerikanische Staatsbürger Kamal Eldarat zu einem Verhör auf die Polizeiwache von Bur Dubai, einem Stadtteil Dubais, geladen. Rund 20 Beamte in sechs Polizeifahrzeugen brachten ihn zu seinem Haus, das sie dann durchsuchten und ihn daraufhin festnahmen. Sein Sohn Mohammed Eldarat, ebenfalls US-Bürger, wurde am darauffolgenden Tag festgenommen. Mohammed el Aradi wurde am 28. August zu einem Verhör bei der Polizei vorgeladen. Sicherheitskräfte fuhren mit ihm zu seinem Haus und durchsuchten es. Seitdem wird Mohammed el Aradi an einem unbekannten Ort festgehalten. Am gleichen Tag wurde auch sein Bruder Salim el Aradi inhaftiert. Beide Männer lebten seit rund 20 Jahren in den VAE. Es ist davon auszugehen, dass alle Männer vom Staatssicherheitsapparat der VAE inhaftiert wurden. Vier von ihnen wurden im Dezember freigelassen und in die Türkei abgeschoben. Der Aufenthaltsort der übrigen Männer ist nach wie vor unbekannt. Seit 2012 wurden dutzende ägyptische Staatsangehörige in den VAE ebenfalls Opfer des Verschwindenlassens. 20 ägyptischen Staatsangehörigen, die monatelang an unbekannten Orten festgehalten wurden, wurde im November 2013 vor der Staatssicherheitskammer des Obersten Gerichtshofs der Prozess gemacht, u. a. wegen Gründung eines „internationalen“ Zweiges der ägyptischen Muslimbruderschaft sowie wegen Diebstahls und Verbreitung von geheimen Staatsdokumenten. Vor Gericht gaben viele der Angeklagten an, während ihrer langen Untersuchungshaft an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten und von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein. Einige gaben an, man habe sie gezwungen, „Geständnisse“ und andere belastende Aussagen zu unterschreiben, die dann von der Staatsanwaltschaft vor Gericht als Beweise gegen sie vorgelegt wurden. Amnesty International hat den Fall des ägyptischen und katarischen Staatsbürgers Dr. Mahmoud al Jaidah in einem Bericht vom November 2014 dokumentiert. Er war Opfer des Verschwindenlassens geworden und wurde einige Monate lang gefoltert und anderweitig misshandelt, bevor er in einem unfairen Verfahren zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht "There is no freedom here": Silencing dissent in the United Arab Emirates (UAE), online unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE25/018/2014/en.