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UA 003/15
Tunesien
Abgeschlossen am 9. Januar 2015

Wegen Beamtenbeleidigung in Haft

AI-Index: MDE 30/001/2015

Die tunesische Filmregisseurin Ines Ben Othman wurde festgenommen und inhaftiert, als sie auf einer Polizeiwache Anzeige gegen einen Polizisten erstatten wollte. Ihr droht eine einjährige Haftstrafe wegen Beamtenbeleidigung.

Am 19. Dezember 2014 wollte Ines Ben Othman auf der Polizeiwache von Ariana, einem Vorort der Hauptstadt Tunis, Anzeige gegen einen Polizisten erstatten. Ihren Angaben zufolge hat der stellvertretende Leiter der Polizeiwache in den vergangenen Monaten beleidigende Kommentare über sie auf Facebook hinterlassen. Auf der Polizeistation hatte Ines Ben Othman eine Auseinandersetzung mit dem stellvertretenden Leiter und wurde unter Paragraf 125 des Strafgesetzbuchs wegen „Beleidigung eines diensthabenden Beamten“ angeklagt. Demgemäss könnten ihr eine einjährige Haftstrafe sowie eine Geldstrafe von 120 Tunesischen Dinar (etwa 50 Euro) drohen.

Ines Ben Othman ist Generalsekretärin der Gewerkschaft für FacharbeiterInnen im Bereich Kino und audiovisuelle Medien innerhalb des tunesischen Gewerkschaftsdachverbands Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT). Sie wurde noch am Tag ihrer Festnahme in das Frauengefängnis von Manouba westlich von Tunis überstellt. Ein Antrag ihrer Rechtsbeistände auf Freilassung gegen Kaution wurde zunächst abgelehnt. Am 31. Dezember vertagte das erstinstanzliche Gericht von Ariana die Entscheidung über ihre mögliche Freilassung auf den 7. Januar. Die Rechtsbeistände von Ines Ben Othman machen geltend, dass ihre Mandantin erst gar nicht auf Grundlage dieser Anklage hätte inhaftiert werden dürfen und fordern ihre Freilassung gegen Kaution für die Dauer des Verfahrens.

Die Rechtsbeistände von Ines Ben Othman gehen davon aus, dass sie wegen ihres Engagements ins Visier genommen wurde. Sie sind der Ansicht, dass Ines Ben Othman auch deshalb zur Zielscheibe wurde, weil ihr Verlobter Walid Zarrouk, ein ehemaliger Polizist, Gründer der Organisation Mourakeb ist, welche die Einhaltung der Menschenrechte durch die Polizei überwacht. Walid Zarrouk hat in der Vergangenheit die Behörden und auch bestimmte PolizistInnen öffentlich kritisiert, weshalb er seinerseits bereits festgenommen und wegen Beamtenbeleidigung und Verleumdung angeklagt worden war.

Amnesty International wendet sich gegen gesetzliche Bestimmungen, die Beleidigung oder Verleumdung als Straftat definieren. Die Organisation ist der Ansicht, dass solche Vergehen zivilrechtlich behandelt werden sollten. Die Verhängung einer Haftstrafe gegen Ines Ben Othman wegen Beamtenbeleidigung wäre als unverhältnismässige Einschränkung der Meinungsfreiheit zu betrachten. Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit kritisiert, dass die tunesischen Behörden seit den Unruhen 2010/2011 solche Anklagen vermehrt dazu verwenden, JournalistInnen, AktivistInnen und RegierungskritikerInnen vor Gericht zu stellen. Die Revolution vor vier Jahren führte zum Sturz des damaligen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali.

Hintergrundinformationen

Amnesty International kritisiert seit einiger Zeit, dass die tunesischen Behörden sich auf Gesetze berufen, die Beleidigung und Verleumdung unter Strafe stellen, um RegierungskritikerInnen, JournalistInnen, BloggerInnen und KünstlerInnen strafrechtlich zu verfolgen. Die Organisation hat die tunesische Regierung bereits in der Vergangenheit aufgefordert, Gesetze zu überprüfen, die das Recht auf freie Meinungsäusserung einschränken. Hierzu zählen auch gewisse Bestimmungen des Strafgesetzbuchs.
Das Recht auf freie Meinungsäusserung ist in Artikel 31 der neuen tunesischen Verfassung sowie in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) festgeschrieben. Tunesien ist Vertragsstaat des IPbpR. Das Recht auf freie Meinungsäusserung beinhaltet auch das Recht, öffentlich Kritik an Staatsbediensteten und staatlichen Einrichtungen zu üben. Laut dem UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des IPbpR überwacht, sollten öffentliche FunktionsträgerInnen sowie öffentliche Einrichtungen bereit sein, ein höheres Mass an Kritik hinzunehmen als „NormalbürgerInnen“. Bestimmungen oder Gesetze, die Staatsbediensteten besonderen Schutz vor Kritik zusprechen, sind mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung nicht vereinbar.

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