Angehörige indigener Gemeinschaft dransaliert
SprecherInnen und weitere Angehörige einer indigenen Gemeinschaft sind eingeschüchtert und drangsaliert worden, weil sie sich gegen den Bau eines neuen Windparks in der Landenge von Tehuantepec im Süden Mexikos einsetzen. Es ist zu befürchten, dass weitere Drohungen gegen sie ergehen werden.
Mitglieder der Asamblea Popular del Pueblo Juchiteco (APPJ), einer Organisation für die indigene Bevölkerung in Jucitán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca, haben von Drohungen berichtet, die offenbar in Zusammenhang mit ihrem Einsatz gegen den Bau eines neuen Windparks auf dem Land der Gemeinschaft stehen. Am 5. Dezember erhielt María del Carmen Ruíz Martínez, die der APPJ angehört, eine telefonische Drohung von einer unbekannten Frau. Die Anruferin warnte sie und die anderen Mitglieder der APPJ davor, an Beratungssitzungen zu dem geplanten Bau eines Windparks teilzunehmen. María Isabel Jiménez Salinas, ein weiteres Mitglied der APPJ, gab an, am 4. Dezember von einer Person auf einem Motorrad verfolgt worden zu sein, als sie Mariano Gómez López, der Sprecher und Rechtsvertreter der Organisation ist, auf dem Weg nach Hause begleitete. María Isabel Jiménez Salinas konnte den Motoradfahrer abhängen, indem sie in eine schmale Gasse lief. Nachdem sie bei sich zuhause angekommen war, hörte sie, wie man auf ihre Eingangstür, ein Fenster und eine Gasse neben ihrem Haus schoss. Ein Nachbar gab an, dass ein Mann die Überreste der Kugeln aufsammelte. Am selben Abend berichtete Mariano Gómez López, dass ein Fahrzeug mit getönten Scheiben, das den BewohnerInnen in der Nachbarschaft nicht bekannt war, etwa zehn Minuten mit laufendem Motor vor seinem Haus stand. Mariano Gómez López hatte ausserdem beobachtet, wie zwei unbekannte Männer auf Fahrrädern an seinem Haus vorbeifuhren. Einer der beiden trug eine Kappe, der andere hatte sich einen Schal um den Kopf gewickelt.
Am 4. Dezember, also kurz vor diesen Vorkommnissen, hatte eine offizielle Beratungssitzung zu dem Bauantrag für einen neuen Windparks in der Landenge von Tehuantepec stattgefunden. Ein Grossteil der Gemeinschaft hatte dem Antrag zugestimmt, eine kleine Anzahl der BewohnerInnen erbat jedoch mehr Zeit, um das Projekt und dessen mögliche Folgen für die Landwirtschaft und das Land der Gemeinschaft umfassend analysieren zu können. Direkt nach Ende der Sitzung kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen. In dem Gebiet ist bereits ein Windpark gebaut worden, der bisher jedoch noch nicht in Betrieb genommen worden ist. Andere SprecherInnen der indigenen Gemeinschaft und lokale Organisationen, die gegen den Bau von Windparks in dem Gebiet protestieren, sind ebenfalls bedroht und angegriffen worden.
Hintergrundinformationen
Einige indigene BewohnerInnen des Bundesstaats Oaxaca setzten sich in der Vergangenheit gegen den Bau des Windparks auf ihrem Land ein. Sie erklärten, es habe keinen angemessenen Konsultationsprozess gegeben, in dem man sie mit Informationen versorgt und ihr freiwilliges Einverständnis eingeholt hätte, wie es die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker vorschreibt. Des Weiteren sorgten sie sich um die möglichen Auswirkungen des Baus auf die Landwirtschaft und ihr Land. Infolge ihres Widerstands waren die BewohnerInnen über mehrere Monate Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Die Regierung hatte zwar einen Konsultationsprozess eingeleitet, jedoch nicht bekannt gegeben, wie dieser im Einklang mit internationalen Standards durchgeführt werden sollte oder wie sich die zunehmenden Spannungen innerhalb der Gemeinschaft verhindern liessen. MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen werden in Mexiko aufgrund ihrer rechtmässigen Arbeit oft angegriffen, bedroht, entführt oder gar getötet. Die Verantwortlichen werden so gut wie nie gerichtlich belangt. Amnesty International begrüsst die Einführung des Gesetzes zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen im Jahr 2012. Allerdings sind für die mehr als 100 MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen, die bislang auf Grundlage dieses Gesetzes um Schutz gebeten haben, keinen zeitnahen oder wirksamen Massnahmen ergriffen worden. Dies führt zu Frustration, Unsicherheit und Entmutigung. Entgegen der Beteuerungen der mexikanischen Regierung ist das Gesetz noch weit davon entfernt, wirksam umgesetzt zu werden, weil es an gut ausgebildetem Personal und ausreichenden finanziellen Mitteln fehlt und das Gesetz von PolitikerInnen auf höherer Ebene nicht genügend unterstützt wird. Diese Mängel führen dazu, dass die Behörden sowohl auf Bundes- und Landes- als auch auf Regionalebene die in diesem Gesetz vorgesehenen Schutzmassnahmen oftmals nicht umsetzen. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen bleiben häufig straffrei, da die Ermittlungen oftmals unzureichend sind und von staatlichen Behörden durchgeführt werden, die selbst der Beteiligung an derartigen Vorfällen verdächtigt werden. Dies führt dazu, dass Angriffe häufig toleriert werden. Gegen die Gewalt, deren Opfer MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen häufig werden, muss dringend umfassend vorgegangen werden, wobei das genannte Gesetz aus dem Jahre 2012 nur ein Teil der Gesamtstrategie sein darf. Die mexikanische Regierung hat bisher auf das Klima anhaltender Bedrohung, der MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen in mehreren Bundesstaaten ausgesetzt sind, nicht überzeugend reagiert. In einem aktuellen Bericht hat Amnesty International zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen MenschenrechtsverteidigerInnen in der Region Las Americas getötet, entführt, mit dem Tod bedroht oder eingeschüchtert wurden. Zudem dokumentierte die Organisation, dass das Justizsystem in den vergangenen Jahren vermehrt dazu eingesetzt wurde, MenschenrechtsverteidigerInnen in dieser Region einzuschüchtern und zu unterdrücken. Weitere Fälle, die in Verbindung mit der Landenge Tehuantepec stehen, wie der von Bettina Cruz Velázquez oder den MitarbeiterInnen der Menschenrechtsorganisation Comité de Defensa Integral de Derechos Humanos Gobixha (CODIGO-DH) werden in dem spanischsprachigen Bericht Defender derechos humanos en las Américas: Necesario, legitimo y peligroso (http://www.amnesty.org/es/library/info/AMR01/003/2014/es) behandelt. Eine englische Version dieses Berichts wird unter demselben Link bald verfügbar sein.