Menschenrechtsanwalt inhaftiert
Der saudi-arabische Menschenrechtsanwalt Waleed Abu al-Khair ist am 15. April nach einem Gerichtstermin in seinem laufenden Verfahren festgenommen worden. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, dem Folter und andere Misshandlungen drohen.
Der Menschenrechtsanwalt Waleed Abu al-Khair ist am 15. April festgenommen worden, nachdem er zur fünften Anhörung in seinem Verfahren vor dem Sonderstrafgericht in Riad erschienen war. Seine Verteidigung fand sich am 22. April vor Gericht ein, um die Gründe für seine Festnahme zu erfragen und fand ihn bei einer sechsten Anhörung vor. Der Richter weigerte sich offenbar, einen Grund für die Festnahme von Waleed Abu al-Khair zu nennen. Der nächste Gerichtstermin in seinem Verfahren ist für den 28. Mai anberaumt.
Nach seiner Festnahme wurde Waleed Abu al-Khair in das al-Ha’ir-Gefängnis in Riad gebracht, wo er in Einzelhaft verlegt worden und dauerhaft hellem Licht ausgesetzt worden sein soll, was zu Schlafentzug führt. Ihm drohen weitere Folter und andere Misshandlungen. Am 17. April wurde ihm ein kurzer Anruf bei seiner Frau gestattet, die ihn jedoch bislang nicht besuchen durfte, obwohl sie im Juni ihr erstes Kind erwartet.
Waleed Abu al-Khair wurde Ende 2011 erstmals vor Gericht gestellt, nachdem er eine Erklärung unterzeichnet hatte, in der er die Verfolgung von 16 Reformer_innen durch die Behörden anprangerte. Am 29. Oktober 2013 wurde er vom Strafgericht in Dschidda zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt und am 6. Februar 2014 bestätigte das Berufungsgericht in Mekka das Urteil.
Am 6. Oktober 2013 wurde Waleed Abu al-Khair erstmals vor das Sonderstrafgericht gestellt. Die Anklagen gegen ihn sind beinahe identisch mit denjenigen, aufgrund derer er bereits verurteilt wurde. Darunter fallen «Verletzung der Treuepflicht und Ungehorsam gegenüber dem Herrscher»,«Gründung einer nicht genehmigten Organisation (Menschenrechtsmonitor Saudi-Arabien)» und «Mitwirkung an der Gründung einer weiteren Organisation (Saudi-arabische Organisation für bürgerliche und politische Rechte, ACPRA)».
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Waleed Abu al-Khair ist ein bekannter Menschenrechtsanwalt und Vorsitzender des Menschenrechtsmonitors Saudi-Arabien, einer unabhängigen Menschenrechtsorganisation, die 2008 gegründet wurde. Er hat viele Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor Gericht vertreten. Unter seinen Mandanten befindet sich Raif Badawi, ein bekannter saudi-arabischer Blogger, der im Juni 2012 zu einer siebenjährigen Haftstrafe und 600 Peitschenhieben verurteilt wurde. Das Urteil wurde im Berufungsverfahren aufgehoben, doch er könnte u.a. wegen der Beleidigung religiöser Instanzen durch die Gründung und Verwaltung einer Website erneut vor Gericht gestellt werden (siehe UA 003/2013, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-003-2013-3/nach-urteilsaufhebung-droht-neues-gerichtsverfahren).
Dutzende weiterer MenschenrechtsverteidigerInnen und AktivistInnen der Zivilgesellschaft im Allgemeinen haben dabei in den vergangenen Monaten die Hauptlast der behördlichen Drangsalierungen erfahren. Unter ihnen befinden sich Mitglieder der im Oktober 2009 gegründeten saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA), die über Menschenrechtsverletzungen berichtet und Familien von Personen, die ohne Anklage inhaftiert sind, dabei unterstützt, mit Klagen gegen das Innenministerium vor das Beschwerdegericht zu ziehen. Beim Beschwerdegericht handelt es sich um ein Verwaltungsgericht, das für Beschwerden gegen den Staat und öffentliche Dienste zuständig ist.
Am 9. März 2013 wurden zwei ACPRA-Mitbegründer - Dr. Abdullah al-Hamid und Dr. Mohammad al-Qahtani - zu zehn bzw. elf Jahren Haft mit anschliessendem Reiseverbot derselben Dauer verurteilt. Sie wurden in einer Reihe von Anklagepunkten für schuldig befunden, darunter der Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Herrscher, des Ungehorsams gegenüber dem Staatsoberhaupt, der Infragestellung der Integrität von Staatsbediensteten, der Absicht, die Sicherheit des Landes zu gefährden und die Bevölkerung zu Protesten anzustiften, der Verbreitung falscher Informationen an ausländische Gruppierungen, des Verstosses gegen Paragraph 6 des Gesetzes zur Informationstechnologie und der Gründung einer nicht genehmigten Organisation, der ACPRA (siehe UA-257/2012, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-257-2012-2/menschenrechtler-im-hungerstreik). Das Gericht ordnete ausserdem die Auflösung von ACPRA, die Konfiszierung des Eigentums der Organisation und die Löschung ihrer Benutzerkonten in sozialen Medien an.
Dr. Abdullah al-Hamids Bruder, Dr. Abdulrahman al-Hamid, ebenfalls ein ACPRA-Mitbegründer, wurde am 17. April 2014 von der Kriminalpolizei in Buraida in der Provinz Qasim festgenommen. Die Gründe für seine Inhaftierung sind nicht bekannt. Er wird ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten und läuft deshalb Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
Ein viertes Gründungsmitglied der ACPRA, Dr. Abdulkareem Yousef al-Khoder, wurde am 24. Juni 2013 aufgrund ähnlicher Anklagen ebenfalls für schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren und einem zehnjährigen Reiseverbot verurteilt. Am 6. Januar 2014 hob das Berufungsgericht in Qasim das Urteil auf, da es von einem Richter gefällt worden sei, der nicht unparteiisch war und der einen persönlichen Konflikt mit Dr. Abdulkareem al-Khoder hatte. Der Fall wurde zurück an das Strafgericht in Riad verwiesen, um dort von einem neuen Richter verhandelt zu werden. Eine neue Anhörung wird am 6. Mai 2014 stattfinden. Dr. al-Khoder befindet sich trotz wiederholter Forderungen, ihn zu entlassen, weiterhin in Haft (siehe UA-167/2013, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-167-2013-1/urteil-aufgehoben-aber-haft-dauert).
Eine Reihe weiterer unabhängiger Menschenrechtsgruppen und Aktivist_innen sind ebenfalls von den saudi-arabischen Behörden drangsaliert worden. Fadhel Maki al-Manasif wurde am 17. April vom Sonderstrafgericht in Riad zu einer 15-jährigen Haftstrafe, einem anschliessenden Reiseverbot von 15 Jahren und einer Geldstrafe von 100 000 Saudi-Rial (etwa 19 200 Euro) verurteilt. Die Anklagen stehen mit seinem Engagement im Zusammenhang und gründen sich zudem darauf, dass er die Diskriminierung gegen die schiitische Gemeinde Saudi-Arabiens aufzeigte und dokumentierte. Er gab an, in Haft gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein (siehe UA 304/11, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-304-2011-2/aktivist-inhaftiert). Sechs bekannte Reformer, darunter Dr. Suliaman al-Rashudi und Dr. Saud al-Hashimi, verbüssen langjährige Haftstrafen, nachdem sie eine Petition in Umlauf gebracht hatten, in der politische Reformen gefordert wurden, und die Überlegung diskutiert hatten, in Saudi-Arabien eine unabhängige Menschenrechtsorganisation ins Leben zu rufen (siehe UA-107/2013, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-107-2013/keine-freilassung-unter-auflagen).