Benutzerspezifische Werkzeuge
Amnesty Urgent Actions
Startseite Urgent Actions 2014 04 Man to return to prison where he was beaten
UA 097/14
Turkmenistan
Abgeschlossen am 4. Mai 2014

Drohende Folter und Misshandlung

AI-Index: EUR 61/002/2014

Dem turkmenischen Staatsbürger Mansur Mingelov aus Belutschistan droht unmittelbar die Überstellung in das Ovadan-Depe-Gefängnis. In der Vergangenheit ist er dort regelmässig geschlagen worden.

Der 39-jährige Mansur Mingelov verbüsst derzeit eine 22-jährige Freiheitsstrafe im Gefängnis LBK/11 in Seidi in der Provinz Lebap im Nordosten von Turkmenistan. Mansur Mingelov wurde am 6. Juni 2012 in Verbindung mit einer Strafsache, die seinen Bruder betraf, festgenommen. Sein Bruder war einen Tag zuvor festgenommen worden. Mansur Mingelov soll am Tag seiner Festnahme von Angehörigen des Staatsdienstes für die Sicherheit und den Schutz einer gesunden turkmenischen Gesellschaft (State Service for Security Protection of Healthy Society of Turkmenistan), dem ehemaligen staatlichen Drogenbekämpfungsdienst, geschlagen worden sein. Er wurde zudem Zeuge, wie sein Bruder während des Verhörs von Sicherheitskräften geschlagen wurde. Beide Männer wurden in einem unfairen Verfahren am 10. September 2012 zu Haftstrafen verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen, Minderjährige in unangemessene Handlungen involviert, pornografisches Material hergestellt und verteilt sowie gemäss den Paragrafen 156,164, 254 und 292 des turkmenischen Strafgesetzbuchs Drogen geschmuggelt, hergestellt oder vertrieben zu haben.

Vertraulichen Quellen zufolge weist Mansur Mingelov alle Vorwürfe von sich und beteuert seine Unschuld. Seinen Angaben zufolge traf er den ihm von staatlicher Seite zugewiesenen Rechtsbeistand nur zweimal – nach ihrem ersten Treffen erst wieder bei der Gerichtsverhandlung. Während seiner Untersuchungshaft und im Laufe des Prozesses durfte Mansur Mingelov weder seine Familienangehörigen anrufen noch den Rechtsbeistand wechseln. Nach seiner Festnahme wurde er gegen seinen Willen für 15 Tage in ein Drogenrehabilitationszentrum verlegt. Am 22. Juni 2012 wurde er entlassen und legte bei der Generalstaatsanwaltschaft und dem turkmenischen Präsidenten Beschwerde gegen die Folter und Misshandlung seines Bruders ein. Dies führte zur Entlassung zweier PolizeibeamtInnen. Zwischen dem 25. Juni und dem 2. August 2012 – als er erneut festgenommen wurde – sammelte Mansur Mingelov Beweise dafür, dass auch andere Personen gefoltert und misshandelt wurden. Bei den meisten der mutmasslichen Opfer handelt es sich um Belutschen aus der Provinz Mary welaýaty im Südosten Turkmenistans.

Als Teil seiner Strafe musste Mansur Mingelov ein Jahr Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis ableisten. Er verbüsste dieses Jahr im Hochsicherheitsgefängnis Ovadan-Depe und wurde am 6. August 2013 in ein Gefängnis in Seidi verlegt. Berichten zufolge wurde er im Ovadan-Depe-Gefängnis regelmässig geschlagen. Am 11. April erfuhr Mansur Mingelov von GefängniswärterInnen, dass ihm eine erneute Überstellung ins Ovadan-Depe-Gefängnis bevorstehe. Dies war in seinem ursprünglichen Strafmass nicht vorgesehen.

Hintergrundinformationen

Mansur Mingelov hat bisher elf Fälle von Folter und anderer Misshandlung dokumentiert, die Angehörige der Gemeinschaft der ethnischen Belutschen in der Provinz Mary welaýaty betreffen. Die Informationen zu den Fällen brannte er auf CDs und schickte diese an die US-amerikanische Botschaft in der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat sowie an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Generalstaatsanwaltschaft. Mansur Mingelov zufolge erheben die Betroffenen unter anderem folgende Anschuldigungen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte: Folter oder andere Misshandlung durch Traktieren der Knochen mit dem Meissel, Ziehen des Hodensacks mit einer Kneifzange, Elektroschocks sowie Prügel unter Einsatz von Stuhlbeinen und Plastikflaschen. Mansur Mingelov berichtet zudem, beim Staatsdienst für die Sicherheit und den Schutz einer gesunden turkmenischen Gesellschaft in Aşgabat einen Kasten mit Werkzeug gesehen zu haben, das speziell für Folterungen gedacht ist.
Einige turkmenische MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen im Exil haben angegeben, dass Folter und Misshandlung in Turkmenistan ein sehr grosses Problem ist. Es herrscht jedoch ein Klima der Angst, so dass kaum jemand Fälle von Folter oder Misshandlung in Haft anzeigt oder nach der Entlassung aus dem Gefängnis darüber spricht.
Amnesty International hat zuverlässige Berichte erhalten, dass Gefangene mit lebenslänglichen Haftstrafen über lange Zeit an den Händen und/oder Füssen gefesselt und regelmässig geschlagen werden. Dem Turkmenischen Helsinki-Komitee sowie im Exil lebenden MenschenrechtsverteidigerInnen zufolge wurden bestimmte Bereiche des Hochsicherheitsgefängnisses Ovadan-Depe, die für politische Gefangene gedacht sind, bewusst nur mit einer Höhe von 1,50 m errichtet, damit die Insassen nicht aufrecht stehen können. Die turkmenischen Behörden haben bisher nicht auf wiederholte Forderungen der internationalen Gemeinschaft reagiert, die Lebensbedingungen in dieser Hafteinrichtung zu verbessern und internationalen Beobachtern Zugang zu dem Gefängnis zu gestatten.
Soweit bekannt, wurde in Turkmenistan noch nie jemand für den Straftatbestand der Folter strafrechtlich verfolgt. Auch gab es noch nie einen Fall, in dem durch Folter oder andere Misshandlung erlangte Beweise vor Gericht nicht zugelassen worden wären. Der UN-Ausschuss gegen Folter merkte in seinen abschliessenden Beobachtungen zu Turkmenistan an, dass „das Fehlen umfassender und aufgeschlüsselter Daten zu Beschwerden, Untersuchungen, Strafverfolgungen und Verurteilungen in Fällen von Folter und Misshandlung durch Ordnungskräfte ein Erkennen möglicher Missbrauchsmuster, die beseitigt werden müssten, stark erschwert“. Der Ausschuss empfahl daher den turkmenischen Behörden, klare statistische Daten zu sammeln und zu veröffentlichen.
Amnesty International hat in den vergangenen zehn Jahren Berichte über Folter und andere Misshandlungen in Turkmenistan erhalten, die unter anderem folgende Methoden enthielten: das Einführen von Nadeln unter die Fingernägel; Elektroschocks; Erstickung mittels einer Plastiktüte oder Gasmaske ohne Luftzufuhr; sexuelle Gewalt; gewaltsame Verabreichung psychotroper Substanzen; Schläge mit Schlagstöcken, Knüppeln oder mit Wasser gefüllten Plastikflaschen; Faustschläge; Tritte; Vorenthalten von Essen und Trinken; sowie das Aussetzen extremer Kälte. In jüngster Zeit hat Amnesty International zudem Berichte über Schläge, Vergewaltigungen und die gewaltsame Verabreichung von Drogen in Gefängnissen erhalten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Vergangenheit bereits auf zahlreiche und durchgehend glaubwürdige Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Strafverdächtigen durch Sicherheitskräfte in Turkmenistan hingewiesen. Im Jahr 2008 entschied der Gerichtshof im Fall Ryabikin gegen Russland, dass der Beschwerdeführer, ein russischstämmiger turkmenischer Staatsbürger, bei einer Rückführung nach Turkmenistan Gefahr laufen würde, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Grund hierfür sei zum Teil seine ethnische Herkunft. In Turkmenistan, so das Gericht, würde ihm eine lange Inhaftierung unter schlechten Bedingungen und möglicherweise ohne Kontakt zur Aussenwelt drohen.
Der UN-Ausschuss gegen Folter drückte in seinen abschliessenden Beobachtungen vom Juni 2011 Besorgnis über Berichte aus, dass grundlegende Schutzmechanismen gegen Folter wie beispielsweise das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme nicht eingehalten werden.

9 Briefe verschickt  
My Urgent Actions
Fürs Mitzählen lassen Ihres Briefes und Update-Funktion zu nutzen müssen Sie sich
einloggen oder
anmelden
Downloads
UA 097/14 english
Microsoft Word Document, 63.0 kB
UA 097/14 français
Microsoft Word Document, 65.5 kB
UA 097/14 deutsch
Microsoft Word Document, 67.5 kB
Aktionsabfolge
Mehr zum Thema

Folter

Warum ist Folter immer falsch und nutzlos? Wie engagiert sich Amnesty für die Wahrung des absoluten Folterverbots? Mehr