Gefangene in Gefahr
Berichte über GefängniswärterInnen, die im Trakt 350 des Evin-Gefängnisses in Teheran, in dem viele politische Gefangene inhaftiert sind, eine Razzia durchführten, verstärken die Sorge um die Sicherheit der Gefangenen. Infolge der Unruhen haben einige Gefangene offenbar Verletzungen, darunter Rippenbrüche, erlitten. Berichten zufolge wurden mindestens 32 Personen aus Trakt 350 in Einzelhaft in Trakt 240 des Gefängnisses verlegt.
Medienberichten zufolge drangen am Morgen des 17. April MitarbeiterInnen des iranischen Geheimdienst sowie etwa 100 WärterInnen in Kampfausrüstung in den Trakt 350 des Evin-Gefängnisses ein, möglicherweise um eine Durchsuchung durchzuführen. Die genauen weiteren Geschehnisse sind nicht bekannt, doch es kam offenbar zu einer Konfrontation mit Gefangenen, die die Razzia zu verhindern suchten, wobei einige Gefangene verletzt worden sein sollen. Mindestens vier der verletzten Gefangenen wurden in ein Krankenhaus ausserhalb des Gefängnisses eingeliefert. Berichten zufolge wurden weitere 26 Gefangene verletzt, doch ob sie innerhalb des Gefängnisses eine medizinische Behandlung erhielten, ist nicht bekannt. Mindestens zwei Gefangene, Esmail Barzegari und Akbar Amini, sollen sich Rippenbrüche zugezogen und ein dritter einen Herzinfarkt erlitten haben. Letzterer wurde auf die Intensivstation eines Krankenhauses ausserhalb des Gefängnisses gebracht.
Weitere 32 Personen wurden in Einzelhaft verlegt, darunter der Anwalt Abdolfattah Soltani, der Aktivist für die Rechte von Minderheiten Sa’id Metinpour, der selbst der aserbaidschanischen Minderheit im Iran angehört, der ehemalige Staatsanwalt Mohammad Amin Hadavi, der Arbeitsrechtsaktivist Behnam Ebrahimzadeh und die politischen Aktivisten Behzad Arabgol und Hootan Dolati. All diejenigen, die in Einzelhaft verlegt wurden, sollen während der Verlegung von WärterInnen mit Schlagstöcken geschlagen worden sein.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Abdolfattah Soltani, ein bekannter Rechtsanwalt und Mitbegründer des iranischen Menschenrechtszentrums (Centre for Human Rights Defenders - CHRD), der sich seit seiner Festnahme im September 2011 im Evin-Gefängnis in Teheran befindet, verbüsst derzeit eine 13-jährige Haftstrafe. Im November 2013 trat er mit weiteren Gefangenen in den Hungerstreik, um gegen die mangelnde medizinische Versorgung und die Weigerung der iranischen Behörden, einigen Gefangenen die fachärztliche Behandlung ausserhalb des Gefängnisses zu gestatten, zu protestieren. Weiterführende Informationen finden Sie in der englischsprachigen öffentlichen Erklärung Iran: Prisoners’ hunger strike puts the spotlight on denial of medical care in Iranian jails (Index MDE 13/044/2013, http://amnesty.org/en/library/info/MDE13/044/2013/en).
Sa’id Metinpour, ein Verfechter der sprachlichen und kulturellen Rechte der aserbaidschanischen Minderheit, der er selbst angehört, verbüsst eine achtjährige Haftstrafe. Er ist Journalist und Mitglied des Redaktionsteams der wöchentlich in aserbaidschanischer Sprache erscheinenden Publikationen Yarpagh (Seite) und Moj-e Bidari (Die erwachte Welle) und schreibt zudem seinen eigenen Blog. Nach seiner Festnahme im Mai 2007 wurde Sa’id Metinpour gefoltert und später wegen „Spionage“ und „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ von Abteilung 15 des Revolutionsgerichts von Teheran zu einer Haftstrafe verurteilt. Er leidet an starken Rückenschmerzen, doch bisher wurde ihm die zeitweilige Haftentlassung zum Zweck der medizinischen Behandlung verwehrt.
Behnam Ebrahimzadeh, der am Stadtrand von Teheran in einer Fabrik zur Herstellung von Polyethylenrohren arbeitet, ist ein Mitglied des Begleitausschusses zur Schaffung von Freihandelsassoziationen und einer Verfechter der Rechte von Kindern. Berichten zufolge erlitt er infolge der Schläge während seiner Festnahme im Juni 2010 zwei Rippenbrüche. Derzeit verbüsst er eine fünfjährige Haftstrafe. Behnam Ebrahimzadeh wurde ursprünglich im Dezember 2010 wegen Angriffen gegen die nationale Sicherheit zu 20 Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil wurde durch den Obersten Gerichtshof aufgehoben und nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens wurde er wegen „Versammlung und Zusammenarbeit zur Beeinträchtigung der staatlichen Sicherheit“, offenbar im Zusammenhang mit seinen gewerkschaftlichen Aktivitäten im Namen des Begleitausschusses zur Schaffung von Freihandelsassoziationen, zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil wurde im Oktober 2011 in einem Berufungsverfahren bestätigt. Ende Mai 2013 war Hootan Dolati wegen vage formulierter Verstösse gegen die nationale Sicherheit angeklagt und wegen "Verbreitung von Propaganda" sowie "Mitgliedschaft in der Nationalen Front" und "Veröffentlichung von Aussagen" dieser verbotenen politischen Gruppierung zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil teilte man ihm lediglich mündlich mit. Mitte November wurde seine Haftstrafe auf 18 Monate verkürzt. Ausserdem verurteilte man Hootan Dolati zu einer achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und entschied, er dürfe fünf Jahre lang weder einer politischen Partei beitreten noch in sozialen Netzwerken aktiv sein. Hootan Dolati befindet sich nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäusserung in Haft und ist daher als gewaltloser politischer Gefangener zu betrachten. Die Klinik im Evin-Gefängnis hat ihm ausserdem wiederholt jegliche medizinische Behandlung verweigert. Hootan Dolati leidet an einer chronischen Herzerkrankung, Angina pectoris, zu deren Behandlung er auf spezielle Medikamente angewiesen ist. Er leidet ausserdem an den Folgen von Knie- und Rückenverletzungen, die sich offenbar durch Misshandlungen im Gefängnis verschlimmert haben. Allein das Gehen fällt ihm mittlerweile sehr schwer. Amnesty International hat sich für Hootan Dolati bereits mit einer Urgent Action eingesetzt (MDE 13/054/2013, https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-328-2013/keine-medizinische-versorgung).