Wegen konstruierter Anklagen vor Gericht
Die ägyptischen Behörden haben drei Studentinnen aufgrund konstruierter Vorwürfe inhaftiert. Die Frauen sind gewaltlose politische Gefangene und werden nur deshalb in Haft gehalten, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit friedlich wahrgenommen haben.
Die 18-jährigen Studentinnen Abrar Al-Anany und Menatalla Moustafa und die 21-jährige Graduiertenstudentin Yousra El Khateeb sind am 12. November 2013 nach Zusammenstössen zwischen Unterstützer_innen und Gegner_innen der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft auf dem Universitätscampus an der Mansoura-Universität festgenommen worden. Sie zählten zu mindestens 23 Studierenden, die an diesem Tag festgenommen wurden. Die drei jungen Frauen werden im Öffentlichen Gefängnis von Mansoura festgehalten und dürfen nur fünf Minuten pro Woche von ihren Familien besucht werden.
Die Frauen sind angeklagt, „einer verbotenen Organisation anzugehören, die terroristische Methoden einsetzt“ – eine Anklage, die regelmässig gegen Menschen erhoben wird, die die Muslimbruderschaft unterstützen. Ihnen wird zudem vorgeworfen, unter dem restriktiven neuen Demonstrationsgesetz „ohne Erlaubnis protestiert zu haben“, „sich rücksichtslos verhalten zu haben“ und „öffentliches Eigentum zerstört zu haben“.
Die drei Frauen werden mit verurteilten Straftäterinnen festgehalten, die sie Berichten zufolge regelmässig schikanieren und einschüchtern und sie als Terroristinnen beschimpfen. Nach Angaben der Familie ist Menatalla Moustafa nicht bei guter Gesundheit: Sie leidet an Epilepsie und hatte seit Anfang April mindestens drei Anfälle, einen Arzt hat sie jedoch nicht gesehen.
Seit Februar sind die drei Frauen mehrere male vor das Strafgericht von Mansoura gebracht worden. Das Gericht hat ihren Fall wiederholt vertagt. Die nächste Anhörugn ist auf den 21. Mai 2014 anberaumt. Laut Zeug_innen und den Rechtsbeiständen hatten die drei Frauen an einer friedlichen Demonstration teilgenommen, sich aber umgehend versteckt, als die Zusammenstösse begannen. Amnesty International konnte einen Brief der Sicherheitsabteilung der Universität einsehen, in dem steht, dass die Frauen nicht an den Ausschreitungen beteiligt waren und deshalb freigelassen werden sollten.
Hintergrundinformationen
Die Zusammenstösse an der Mansoura-Universität, zu denen es bei einer Demonstration der studentischen Anhänger_innen der Muslimbruderschaft kam, dauerte fünf Stunden und führte zu mindestens 70 Verletzten. Nachdem der universitäre Sicherheitsdienst erfolglos versucht hatte, die Kontrolle über die Situation zu erlangen, rief der Universitätspräsident die Sicherheitskräfte. Sie kamen mit gepanzerten Fahrzeugen und setzten Tränengas ein, um die Studierenden auseinanderzutreiben. 23 Studierende wurden festgenommen, darunter auch die drei Frauen.
Laut Zeug_innen und Rechtsbeiständen waren die drei jungen Frauen nicht an den Zusammenstössen beteiligt. Sie hatten sich zwar an den friedlichen Protesten beteiligt, sich dann aber in einen Raum der pharmazeutischen Fakultät zurückgezogen, als die Zusammenstösse begannen. Amnesty International konnte ein Schreiben der Sicherheitsabteilung der Universität an den Staatsanwalt einsehen, in dem steht, dass sie nicht an den Gewalttätigkeiten beteiligt waren und um ihre Freilassung gebeten wird. Nach ihrer Festnahme wurden die drei auf die Polizeiwache Menyat Al Nasr gebracht und dann in das Öffentliche Gefängnis von Mansoura. Menatalla Moustafa war zum Zeitpunkt ihrer Festnahme erst 17 Jahre alt. Sie wurde dennoch sowohl auf der Polizeiwache als auch im Gefängnis zusammen mit Erwachsenen festgehalten.
Seit Semesterbeginn im September 2013 sind von regierungsfeindlichen Aktivistengruppen „Studierende gegen den Staatsstreich“ mehrere Protestveranstaltungen auf Universitätsgeländen abgehalten worden. Universitätscampi und sogar Schlafräume sind häufig zum Austragungsort dieser Zusammenstösse geworden.
Universitäten in ganz Ägypten sind von den Protesten und Zusammenstössen betroffen, darunter auch die zwei grössten Universitäten des Grossraums Kairo, die Universität Kairo und die Ain Shams. Die Al-Azhar Universität ist ein Zentrum der Studierendenunruhen. Die Sicherheitskräfte haben exzessive Gewalt eingesetzt, darunter auch tödliche Gewalt, um die Protestierenden auseinanderzutreiben. Mindestens 14 Studierende sind laut Angaben der Vereinigung für Gedanken- und Meinungsfreiheit bei Zusammenstössen mit den Sicherheitskräften zu Tode gekommen. Die Gerichte haben mindestens drei Studierende der Al-Azhar-Universität zu 18 Monaten bis 17 Jahren Gefängnis verurteilt.
Ein neues Demonstrationsgesetz, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit einschränkt und von Interimspräsident Adly Mansour am 24. November 2013 unterzeichnet wurde entspricht nicht den internationalen Standards. Es räumt dem Innenministerium weitreichende Ermessenspielräume bei Protesten en, darunter auch den Einsatz von Schusswaffen gegen friedlich Protestierende. Wenn Protestierende eines Verstosses gegen das Gesetz schuldig gesprochen werden, drohen ihnen bis zu fünf Jahre Gefängnis und Geldstrafen in Höhe von 100 000 ägyptischen Pfund (etwa 10.361 Euro).