Neue Anhörung von Umweltaktivist
Die Rechtsbeistände von Jewgeni Witischko haben für den Umweltschützer eine Strafmilderung beantragt. Ein vorinstanzliches Gericht wird sich am 10. Juli mit dem Antrag befassen. Am 25. Juni hatte das Regionalgericht der Oblast Tambow seine Freilassung auf Bewährung abgelehnt.
Das Regionalgericht der Oblast Tambow lehnte am 25. Juni alle Anträge auf Haftentlassung zur Bewährung ab, welche die Rechtsbeistände des Umweltschützers Jewgeni Witischko eingereicht hatten. Das Gericht bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts Kirsanow in der Oblast Tambow, das am 15. April bereits einen Antrag auf Haftentlassung zur Bewährung abgelehnt hatte. Nach der russischen Gesetzeslage kann Jewgeni Witischko in sechs Monaten erneut versuchen, seine Freilassung auf Bewährung zu erwirken.
Jewgeni Witischko wohnte der Gerichtsverhandlung am 25. Juni per Videoschaltung bei. Zwar wurde er aus der Strafkolonie abgeholt, dann jedoch nicht zum Bezirksgericht Kirsanow gebracht, sondern in ein Gefängnis der Oblast Tambow überstellt, wo eine Videoschaltung für ihn eingerichtet wurde.
Die Rechtsbeistände von Jewgeni Witischko haben nun beim Bezirksgericht Kirsanow in der Oblast Tambow eine Strafmilderung für ihren Mandanten beantragt. Der Antrag stützt sich auf Artikel 80 des russischen Strafgesetzbuchs, demgemäss die Möglichkeit besteht, die Reststrafe mit einer milderen Art der Bestrafung zu ersetzen. Die Anhörung ist für den 10. Juli angesetzt.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Jewgeni Witischko ist ein bekanntes Mitglied der Umweltschutzorganisation «Ökologische Wacht im Nordkaukasus» (Ecologicheskaya Vakhta po Severnomu Kavkazu). Er und andere UmweltschützerInnen protestieren gegen die Abholzung, illegale Bebauung und rechtswidrige Einzäunung von unter Naturschutz stehenden Gebieten in der russischen Region Krasnodar. Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi wurden Jewgeni Witischko und weitere Mitglieder seiner Organisation fortwährend von den russischen Behörden schikaniert. Sie wurden wiederholt festgenommen, kurzfristig inhaftiert und durchsucht. Die AktivistInnen sowie nahe Verwandte wurden von der Polizei verhört und inoffiziell davor gewarnt, während der Olympischen Spiele ihre Proteste fortzuführen.
Jewgeni Witischko wurde am 20. Dezember 2013 vor Gericht gestellt. Man warf ihm vor, sich ohne Genehmigung ausserhalb seiner Heimatstadt aufgehalten zu haben und somit gegen die Auflagen (Reisebeschränkungen) verstossen zu haben, die ihm im Rahmen einer 2012 verhängten Strafe auferlegt worden waren. Damals war er zu drei Jahren Haft verurteilt worden, deren Vollstreckung für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Richter entschied, dass Jewgeni Witischko wegen des Verstosses gegen die Auflagen seine dreijährige Haftstrafe in einer Strafkolonie antreten müsse. Jewgeni Witischko legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein, allerdings ohne Erfolg.
Am 3. Februar 2014 wurde Jewgeni Witischko von der Polizei festgenommen, als er ein Gebäude der Justizvollzugsbehörden in Tuapse verliess, wo er sich im Rahmen seiner Bewährungsauflagen regelmässig melden musste. Die PolizeibeamtInnen sollen ihm mitgeteilt haben, er werde des Diebstahls verdächtigt. Später wurde er jedoch stattdessen wegen «geringfügigen Rowdytums» angeklagt, weil er am Morgen an einer Bushaltestelle geflucht haben soll. Er wurde noch am selben Tag einem Richter vorgeführt, der ihn schuldig befand und zu einer Gefängnisstrafe von 15 Tagen verurteilte. Am 12. Februar 2014 wies das Bezirksgericht Krasnodar die Rechtsmittel gegen das Urteil vom 20. Dezember 2013 zurück und bestätigte seine dreijährige Gefängnisstrafe. Er trat seine Haftstrafe am 18. Februar 2014 an, am 24. Februar wurde er in eine Strafkolonie in der Oblast Tambow überstellt.
Am 15. April 2015 lehnte das Bezirksgericht Kirsanow in der Oblast Tambow den Antrag von Jewgeni Witischko auf eine Haftentlassung auf Bewährung ab. Bei der Gerichtsverhandlung beharrte die Verwaltung der Strafkolonie darauf, dass Jewgeni Witischko nicht auf Bewährung freigelassen werden könne, da er während seiner Haft mehrere Tadel erhalten hatte. Zu den von ihm begangenen «Verstössen» zählten unter anderem, dass er einem anderen Insassen ein Kleidungsstück überlassen hatte; dass er zu einer nicht genehmigten Zeit auf seinem Bett gesessen hatte; dass er zu einer nicht genehmigten Zeit in einer Isolationszelle geschlafen hatte; dass er Nahrungsmittel an einem nicht genehmigten Ort aufbewahrt hatte; dass er ohne Benachrichtigung der Gefängnisbehörden Schriftstücke von seinem Rechtsbeistand erhalten hatte und dass er «Nachlässigkeit beim Jäten des Tomatenbeets» an den Tag gelegt hatte.
Die Staatsanwaltschaft unterstützte die Verwaltung der Strafkolonie in ihrer Ansicht, Jewgeni Witischko nicht auf Bewährung aus der Haft zu entlassen. Sie begründeten dies mit der Aussage, dass Jewgeni Witischko seine «Schuld nicht zugegeben hat» und dass er, wenn man ihn aus der Haft entlassen würde, «so weitermachen würde wie bisher». Jewgeni Witischkos Verteidigung wies darauf hin, dass im Gesetz festgelegt ist, dass eine Freilassung auf Bewährung nicht abhängig von einem Schuldeingeständnis ist. Das Gericht unterstützte jedoch die Position der Staatsanwaltschaft und der Verwaltung der Strafvollzugsbehörde und entschied, dass Jewgeni Witischko seine Strafe weiterhin verbüssen müsse.
Im Juni 2012 war Jewgeni Witischko von einem Gericht in Tuapse für schuldig befunden worden, während einer im November 2011 durchgeführten Protestaktion einen Zaun beschädigt zu haben. Es ging hierbei um eine rechtswidrig errichtete Einzäunung in einem Waldschutzgebiet der Region Krasnodar. Jewgeni Witischko und andere UmweltschützerInnen machten geltend, dass die Einzäunungen rechtswidrig waren und dass seltene und unter Naturschutz stehende Bäume dahinter gefällt würden. Diese Umweltverstösse wollten sie nach eigenen Angaben dokumentieren.