36-jähriger seit zwei Monaten im Hungerstreik
Der 36-jährige Niaz ‘Aziz Saleh befindet sich im Hungerstreik, da er seit 20 Monaten in Erbil, der Hauptstadt des kurdischen Nordirak, ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert ist. Die ersten drei Monate musste er in Einzelhaft verbringen und wurde wiederholt geschlagen. Die Behörden werfen ihm vor, Informationen über Wahlbetrug an eine Zeitung weitergegeben zu haben.
Niaz ‘Aziz Saleh, verheiratet und Vater zweier Töchter, befindet sich seit zwei Monaten im Hungerstreik, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Seine Familie hat zwei Rechtsbeistände mit seiner Vertretung beauftragt, doch ihnen sind die Hände gebunden, solange er nicht formal angeklagt wird. Die Anwälte sind zudem von Asayish, der wichtigsten der drei Gruppen von dort tätigen Sicherheitskräften, daran gehindert worden, Niaz ‘Aziz Saleh zu besuchen.
Niaz ‘Aziz Saleh hatte als Registraturbeamter im Hauptsitz der Demokratischen Partei Kurdistans (Kurdistan Democratic Party – KDP) in Salahuddin nahe Erbil gearbeitet. Am 5. Januar 2012 nahmen MitarbeiterInnen des Geheimdienstes der KDP ihn in seinem Büro fest. Seine Familie wusste lange nichts über seinen Verbleib, bis sie schliesslich den Anruf eines Sicherheitsbeamten der Asayish in Erbil erhielt, der ihnen mitteilte, dass Niaz ‘Aziz Saleh dort festgehalten würde und sie ihn besuchen könnten. Die Familie erfuhr dann, dass Niaz ‘Aziz Saleh bei den Verhören wiederholt geschlagen und die ersten drei Monate in Einzelhaft festgehalten worden war.
2011 hatte das in Sulaymania erscheinende Wochenmagazin Levin Artikel veröffentlicht, in denen Einzelheiten des Wahlbetrugs der KDP bei den Parlamentswahlen im kurdischen Nordirak geschildert wurden. Das Wochenmagazin hatte vertrauliche Parteiinformationen erhalten und Angehörige der KDP vermuteten, dass Niaz ‘Aziz Saleh diese Informationen weitergeben hatte. Niaz ‘Aziz Saleh befindet sich nun seit einem Jahr und acht Monaten ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft.
Hintergrundinformationen
Seitdem die irakische Regierung Kurdistan im Jahr 1991 Teilautonomie zugestanden hat, üben dort zwei politische Parteien die politische Kontrolle aus. Die Demokratische Partei Kurdistans (Kurdistan Democratic Party – KDP) verwaltet unter ihrem Vorsitzenden Mas’ud Barzani die Provinzen Erbil und Dohuk, während die Patriotische Front Kurdistans (Patriotic Union of Kurdistan – PUK) unter Führung des irakischen Staatschefs Jalal Talabani die Provinz Sulaimaniya kontrolliert. Beide Parteien kontrollieren direkt oder indirekt die kurdischen Sicherheitsdienste Asayish, Parastin und Zinyari sowie die Streitkräfte Peshmerga.
Die Sicherheitslage in der Region ist erheblich besser als im Rest des Irak. Die menschenrechtliche Lage hat sich in den vergangenen Jahren zwar verbessert, doch es kommt nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte, wie willkürliche Festnahmen, fortgesetzte Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren, Folter und unfaire Gerichtsverfahren. RegierungskritikerInnen werden schikaniert und manchmal inhaftiert und gefoltert. 2011 zum Beispiel gingen Tausende Protestierende auf die Strasse und forderten ein Ende der Korruption, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und bessere Dienstleistungen der Regierung. Sie verlangten zudem politische Reformen, soziale Gerechtigkeit und die Wahrung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Sie kritisierten ausserdem die von den beiden seit 1991 regierenden politischen Parteien ausgeübte politische und wirtschaftliche Kontrolle. Sechs Protestierende starben dabei in Folge unnötiger oder exzessiver Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte und mehrere Personen wurden inhaftiert und mutmasslich gefoltert.