Zwei Männer verschwunden
Der syrische Künstler Youssef Abdelke und sein Freund Adnan al-Dibs werden an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten. Die syrischen Sicherheitskräfte hatten sie am 18. Juli in Tartus festgenommen.
Youssef Abdelke, Adnan al-Dibs und ein weiterer Mann wurden am 18. Juli an einem Kontrollpunkt des syrischen Militärgeheimdienstes festgenommen, als sie versuchten, in die Stadt Tartus einzureisen. Nach ihrer Festnahme brachte man die drei Männer in die örtliche Abteilung des Militärgeheimdienstes. Der dritte Mann, Toufiq Umran, wurde am 3. August wieder freigelassen. Von Youssef Abdelke und Adnan al-Dibs fehlt seit ihrer Festnahme jedoch noch immer jede Spur.
Entlassene Häftlinge, die mit den beiden Männern beim Militärgeheimdienst in Tartus inhaftiert waren, haben berichtet, dass Adnan al-Dibs in eine andere Hafteinrichtung – wahrscheinlich in Damaskus – gebracht wurde. Youssef Abdelke soll ebenfalls verlegt worden sein, wahrscheinlich in die Hafteinrichtung der Behörde für Staatssicherheit in Tartus. Als Familienangehörige in den beiden Hafteinrichtungen nach Informationen zum Verbleib von Youssef Abdelke fragten, stritten Angehörige der Sicherheitskräfte jedoch ab, dass er dort festgehalten werde. Die Familien von Youssef Abdelke und Adnan al-Dibs haben bisher keinerlei Informationen zu deren Schicksal und Verbleib erhalten und sind sehr besorgt über den Gesundheitszustand der beiden Männer. Insbesondere die Angehörigen von Adnan al-Dibs machen sich grosse Sorgen, da er regelmässig Medikamente gegen seinen Bluthochdruck einnehmen muss.
Die offiziellen Gründe für die Festnahme der Männer sind nicht bekannt. Alle drei sind jedoch Angehörige des Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel, ein Zusammenschluss politischer Gruppierungen und AktivistInnen, der sich für einen gewaltfreien Führungswechsel in Syrien einsetzt. Kurz vor der Festnahme hatten sie eine Erklärung unterzeichnet, mit der ein friedlicher Übergang zur Demokratie in Syrien, einschliesslich des Abtritts von Präsident Bashar al-Assad, gefordert wird. Youssef Abdelke hat die syrische Regierung zudem immer wieder in den Medien kritisiert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Youssef Abdelke und Adnan al-Dibs nur aufgrund ihrer politischen Überzeugung und wegen der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäusserung festgehalten werden. Sollte dies der Fall sein, würde Amnesty International sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten.
Hintergrundinformationen
Youssef Abdelke ist ein international renommierter Künstler. Von 1978 bis 1980 wurde er schon einmal in Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zu der Kommunistischen Aktionspartei (auch bekannt als die Kommunistische Arbeitspartei) inhaftiert. Nach seiner Freilassung zog er nach Frankreich, bevor er dann 2005 wieder nach Syrien zurückkehrte. Nachdem sich die syrischen Behörden weigerten, ihm einen neuen Reisepass auszustellen, ist es ihm nicht mehr möglich, das Land zu verlassen.
Im September 2012 wurden drei andere Angehörige des Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel, Abd al-Aziz al-Khayyir, Iyas Ayash und Maher Tahan, von BeamtInnen des syrischen Luftwaffengeheimdienstes festgenommen, nachdem sie von einer Reise nach China zurückgekehrt waren. Alle drei Männer sind noch immer „verschwunden“. Weitere Informationen zu diesem Fall finden Sie in UA-063/2013 unter http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-063-2013/oppositionelle-verschwunden.
Weiterführende Informationen über Folter und andere Misshandlungen in syrischen Hafteinrichtungen finden Sie in dem englischsprachigen Artikel von März 2012 I wanted to die': Syria's torture survivors speak out (Index: MDE 24/016/2012, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012).
Amnesty International liegen die Namen von über 1000 Menschen vor, die in Gewahrsam der syrischen Sicherheitskräfte seit Beginn der Unruhen zu Tode gekommen sein sollen – 500 davon allein im Jahr 2012. Amnesty International dokumentierte diese Fälle im August 2011 in dem englischsprachigen Bericht: Deadly detention: Deaths in custody amid popular protest in Syria (Index: MDE 24/035/2011, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011).
Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den syrischen Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte haben sich Menschenrechtsverstössen schuldig gemacht, darunter der Folterung und Tötung gefangengenommener Angehöriger der Armee und der Shabiha sowie auch der Entführung und Tötung tatsächlicher und vermeintlicher RegierungsanhängerInnen und -unterstützerInnen. Ausserdem versuchten sie durch die Geiselnahme von Zivilpersonen Gefangenenaustausche herbeizuführen. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstösse scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstösse mehr begehen. Lesen Sie hierzu den englischsprachigen Bericht Syria: Summary killings and other abuses by armed opposition groups vom 14. März 2013 (Index: MDE 24/008/2013, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/008/2013/en).