Palästinenser „Verschwunden“
Der politische Aktivist ‘Ali Sayed al-Shihabi wurde am 19.oder 20. Dezember 2012 von den syrischen Behörden festgenommen und ist offenbar Opfer des Verschwindenlassens geworden. Er ist ein palästinensischer Flüchtling und lebt in Syrien. ‘Ali Sayed al-Shihabi wurde zunächst in einer Abteilung des Militärgeheimdienstes in der Hauptstadt Damaskus festgehalten, sein derzeitiger Aufenthaltsort ist jedoch nicht bestätigt.
‘Ali Sayed al-Shihabi war auf dem Weg zu einem Freund in al-Zahira al-Jadida in Damaskus, wie ein Verwandter, der zu dem Zeitpunkt mit ihm unterwegs war, berichtete. Kurz nachdem sich die beiden Männer getrennt hatten, schrieb ‘Ali Sayed al-Shihabi seinem Verwandten eine SMS mit der Bitte, ihn dringend zu kontaktieren. Die Familie von ‘Ali Sayed al-Shihabi hat seitdem nichts mehr von ihm gehört.
Da seine Familie besorgt war, er könnte von Angehörigen der Sicherheitskräfte festgenommen worden sein, nahm sie Kontakt zu einem ihr bekannten Sicherheitsbeamten auf um sich zu erkundigen, ob ‘Ali Sayed al-Shihabi festgenommen worden war. Im Januar 2013 berichtete der Beamte ihnen, dass ‘Ali Sayed al-Shihabi in der Abteilung 235 (auch die „Palästinensische Abteilung“ genannt) des Militärgeheimdienstes inhaftiert gewesen war, Anfang Januar jedoch freigelassen wurde. ‘Ali Sayed al-Shihabi ist allerdings weder nach Hause zurückgekehrt noch hat die Familie Unterlagen erhalten, die seine Haftentlassung bestätigen. Inoffizielle Angaben der Sicherheitskräfte bestätigten später, dass ‘Ali Sayed al-Shihabi weiterhin in der Einrichtung des Militärgeheimdienstes inhaftiert war und dass seiner Familie keine Auskünfte über seinen Aufenthaltsort oder darüber, was in Zukunft mit ihm geschehen soll, gegeben werden würden.
Die genauen Gründe für die Inhaftierung von ‘Ali Sayed al-Shihabi sind nicht bekannt. Er war zuvor im Mai 1982 festgenommen worden und fast zehn Jahre lang im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft in der Partei für Kommunistische Aktion (Party for Communist Action – PCA) inhaftiert. Im Jahre 1991 wurde er aus der Haft entlassen. Von August 2006 bis Januar 2007 war er erneut inhaftiert. Die Vorwürfen lauteten damals „bewusste Verbreitung falscher und übertriebener Nachrichten im Ausland, die dem Ansehen des Staates oder seiner finanziellen Leistungsfähigkeit schaden“ und „Beitritt zu einer verbotenen internationalen Organisation, die im Bereichen der Politik oder der Gesellschaft arbeitet“.
Hintergrundinformationen
‘Ali Sayed al-Shihabi ist Englischlehrer. Er hat mehrere Artikel zu politischen und gesellschaftlichen Themen verfasst und zwei Bücher in Syrien über soziale Angelegenheiten veröffentlicht. Die Behörden haben ihn in der Vergangenheit oftmals zu Verhören vorgeladen. Zwischen1982 bis 1991 war er aufgrund seiner Mitgliedschaft in der verbotenen Partei für Kommunistische Aktion (Party for Communist Action – PCA) als gewaltloser politischer Gefangener inhaftiert. Seitdem ist er jedoch nicht mehr Mitglied der Partei. (S. auch UA-222/2006 http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/052/2006/en und http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/003/2007/en).
Weiterführende Informationen über Folter und andere Misshandlungen in syrischen Hafteinrichtungen finden Sie in dem englischsprachigen Artikel von März 2012 I wanted to die': Syria's torture survivors speak out (Index: MDE 24/016/2012, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012).
Amnesty International liegen die Namen von über 1000 Menschen vor, die in Gewahrsam der syrischen Sicherheitskräfte seit Beginn der Unruhen zu Tode gekommen sein sollen – beinahe 500 davon allein im Jahr 2012. Amnesty International dokumentierte diese Fälle im August 2011 in dem englischsprachigen Bericht: Deadly detention: Deaths in custody amid popular protest in Syria (Index: MDE 24/035/2011, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011).
Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den syrischen Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte haben sich Menschenrechtsverstössen schuldig gemacht, darunter der Folterung und Tötung gefangengenommener Angehöriger der Armee und der Shabiha sowie auch der Entführung und Tötung tatsächlicher und vermeintlicher RegierungsanhängerInnen und -unterstützerInnen. Ausserdem versuchten sie durch die Geiselnahme von Zivilpersonen Gefangenenaustausche herbeizuführen. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstösse scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstösse mehr begehen. Lesen Sie hierzu den englischsprachigen Bericht Syria: Summary killings and other abuses by armed opposition groups vom 14. März 2013 (Index: MDE 24/008/2013, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/008/2013/en).