Unbefristete Inhaftierung von Flüchtlingen
Hunderte „illegal über den Seeweg Eingereiste“, d. h. mit dem Boot in Australien eingetroffene Asylsuchende, werden derzeit auf die zu Papua-Neuguinea gehörende Insel Manus gebracht bzw. sollen demnächst dorthin überführt werden. Dies dient vorgeblich dem Zweck, ihre Asylanträge zu prüfen und sie dort „anzusiedeln“, falls ihnen der Flüchtlingsstatus gewährt wird.
Am 31. Juli überstellten die australischen Behörden etwa 40 Asylsuchende von der Weihnachtsinsel in ein regionales Zentrum für Asylverfahren auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus. Mehreren hundert Asylsuchenden, die in den vergangenen Wochen auf dem Seeweg nach Australien gekommen sind, droht vermutlich dasselbe Schicksal. Bereits unter einer früheren Vereinbarung mit Manus waren mehr als 200 Asylsuchende dort festgehalten worden. Die neuen Massnahmen sehen vor, Asylsuchende im Fall der Gewährung des Flüchtlingsstatus nicht in Australien, sondern in Papua-Neuguinea anzusiedeln. Auf der Insel Manus inhaftierte Asylsuchende werden automatisch auf unbefristete Zeit festgehalten, ohne dass die Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit einer solchen Haft in Einzelfällen geprüft wird und ohne die Asylsuchenden umgehend einer richterlichen oder anderen unabhängigen Instanz vorzuführen. Angesichts dieser Umstände ist Amnesty International der Ansicht, dass die geplante Überstellung hunderter Asylsuchender in Hafteinrichtungen auf Manus, um dort wie angegeben ihre Asylanträge zu bearbeiten, der Abschiebung („refoulement“) gleichkommen würde. Australien würde damit gegen seine Verpflichtungen aus dem internationalen Flüchtlingsrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen verstossen. Auch Papua-Neuguinea verstösst durch seine willkürliche Inhaftierung von Asylsuchenden gegen das internationale Flüchtlingsrecht und internationale Menschenrechtsnormen.
Am 12. Juli bezeichnete der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) die Internierung von Asylsuchenden auf der Insel Manus als willkürlich und damit als nicht mit internationalen Menschenrechtsnormen vereinbar. Der UNHCR drückte ausserdem grosse Sorge darüber aus, wie die Asylsuchenden in der Hafteinrichtung aufgenommen und behandelt werden. Seiner Ansicht nach herrschen dort sehr schlechte Bedingungen, die internationalen Standards nicht gerecht werden. Weiter hiess es, alle Asylsuchenden auf Manus seien eindeutig verängstigt und depressiv, und die brisante Situation könne leicht zu erheblichen Spannungen oder selbstverletzendem Verhalten führen, da die Asylsuchenden sich zunehmend unter Druck gesetzt, unsicher und hilflos fühlten. Die australische Regierung hat bisher noch nicht ausgeführt, wie sie die Bedingungen der Aufnahmeeinrichtung in Manus zu verbessern gedenkt und wie bewerkstelligt werden soll, dass die bereits überfüllte Einrichtung noch weitere Personen aufnimmt, so dass dort bald 3.000 Asylsuchende interniert sein werden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 19. Juli trafen der australische Premierminister Kevin Rudd und der Ministerpräsident von Papua-Neuguinea Peter O’Neill eine Übereinkunft, mit der Asylsuchende von der Einreise nach Australien über den Seeweg abgehalten werden sollen. Unter Verstoss gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, zu deren Vertragsstaaten die beiden Länder gehören, legt die Übereinkunft fest, für mindestens die nächsten zwölf Monate keinem der auf dem Seeweg in Australien eintreffenden Asylsuchenden ein Asylverfahren in Australien zu gewähren und keine von ihnen dort jemals als anerkannte Flüchtlinge anzusiedeln. Australien hat auch in der Vergangenheit bereits Asylsuchende nach Manus und Nauru überführt; gemäss der neuen Vereinbarung würden jedoch diejeningen Asylsuchenden, die in der Vergangenheit nach dem Bearbeiten ihres Asylantrags in Papua-Neuguinea als Flüchtlinge in Australien anerkannt worden wären, in Papua-Neuguinea und nicht in Australien „angesiedelt“.
Seit der Verkündigung dieser Übereinkunft sind etwa 1.500 Asylsuchende über den Seeweg in australisches Hoheitsgebiet eingereist, vornehmlich aus Afghanistan, Iran, Irak und Sri Lanka. Sie alle sollen unter der neuen Vereinbarung in papua-neuguineische Hafteinrichtungen wie z. B. die von Manus gebracht werden, statt ihre Asylverfahren in Australien abzuwickeln, wie es das Völkerrecht verlangt.
Das regionale Zentrum für Asylverfahren auf Manus ist derzeit die einzige voll funktionsfähige Hafteinrichtung in Papua-Neuguinea und soll auf eine Kapazität von bis zu 3.000 Personen erweitert werden. Ende Juli beherbergte das Zentrum 200 Asylsuchende in nahe aneinanderstehenden Leinenzelten mit je vier bis sechs Personen pro Zelt. Heftige Regenfälle und hohe Temperaturen sind auf Manus keine Seltenheit, und in den Zelten kann es sehr heiss werden. Möglichkeiten zur geistigen und körperlichen Gesundheitsversorgung sind so gut wie gar nicht verfügbar.
Jede Person hat das Recht, Asyl vor Verfolgung zu suchen und zu erhalten, ungeachtet der gewählten Einreisemethode. Im Jahr 2012 wurden 90 % der Asylsuchenden, die über den Seeweg nach Australien gelangt waren, als Flüchtlinge anerkannt.
Die australische Regierung verfolgt bereits seit langer Zeit – wenn auch mit Unterbrechungen – die Strategie, auf dem Seeweg eintreffende Asylsuchende ausserhalb des Landes zu inhaftieren. Unter der ehemaligen Regierung von John Howard waren Asylverfahren von 2001 bis 2008 vor die Küsten Australiens verlagert worden, genauer gesagt in hierfür eingerichtete Zentren auf Manus und Nauru. Diese wurden 2004 bzw. 2008 geschlossen. Ende 2012 führte die derzeitige Regierung die Inhaftierung ausserhalb des Landes für über 600 Asylsuchende wieder ein und eröffnete zu diesem Zweck erneut die Zentren auf Nauru und in Papua-Neuguinea.
Laut Artikel 31(1) der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Asylsuchende für den „illegalen Grenzübertritt oder Aufenthalt“ nicht bestraft und auch nicht inhaftiert werden. Wenn Australien daher Asylsuchende nur deshalb ihrer Freiheit beraubt, weil sie ohne Genehmigung versucht haben, mit dem Boot nach Australien zu gelangen, so verstösst dieses Vorgehen gegen diese Bestimmung.
Die Inhaftierung von MigrantInnen darf nie auf unbefristete Zeit geschehen und sollte nur als letztes Mittel und aus rechtmässigen Gründen vorgenommen werden – die Tatsache, dass es sich bei den Betroffenen um Asylsuchende oder Flüchtlinge handelt, ist kein rechtmässiger Grund. Sowohl Papua-Neuguinea als auch Australien haben die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und müssen daher sicherstellen, dass Asylsuchende Zugang zu einem umfassenden und wirkungsvollen Asylverfahren haben und nicht zwangsläufig inhaftiert werden.