Gay Pride 2012 in Belgrad verboten
Am 3. Oktober verbot der serbische Ministerpräsident und Innenminister Ivica Dačić die diesjährige Belgrader Gay-Pride-Parade wegen nicht näher ausgeführter Sicherheitsrisiken. Damit werden die Rechte auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern (LGBT-Menschen) unterdrückt.
Als Begründung für das Verbot der Gay-Pride-Parade führte Ivica Dačić eine erhöhte Gefahrenstufe an und verwies unter anderem auf vermeintliche Drohungen durch Paramilitärs. Er wies Vorwürfe zurück, dem Drängen rechtsorientierter Organisationen nachgegeben zu haben, und sagte, dass durch das Verbot die Ruhe und die öffentliche Ordnung sowie die Rechte aller BürgerInnen gewahrt blieben.
In den zurückliegenden Tagen haben sehr viele rechtsorientierte Gruppierungen sowie auch PolitikerInnen und das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche Druck auf den Ministerpräsidenten ausgeübt, die Gay Pride zu verbieten. Auch alle weiteren für den 6. Oktober geplanten Demonstrationen wurden abgesagt.
Dieses Verbot verletzt die Rechte auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung von LGBT-AktivistInnen und anderen Personen in Serbien. Es muss zudem befürchtet werden, dass dieses Verbot vor dem Hintergrund von Drohungen seitens homophober Gruppierungen bewirkt, dass auf lange Sicht die Rechte von LGBT-Menschen in Serbien sowie die Bestimmungen des Anti-Diskriminierungsgesetzes von 2009 unterlaufen werden. Dennoch haben LGBT-AktivistInnen positiv reagiert und gesagt, dass der Gay Pride weiterhin gefeiert wird, „innerhalb von vier Wänden“.
Hintergrundinformationen
Amnesty International weist darauf hin, dass Paragraf 5 (1) des Gesetzes über die öffentliche Versammlung von BürgerInnen zwar besagt, es sei „die Pflicht des Veranstalters, bei einer öffentlichen Versammlung die Ordnung aufrechtzuerhalten“, dass aber in Paragraf 5 (2) gleichzeitig Folgendes festgeschrieben ist: „Massnahmen zur Gewährleistung der persönlichen Sicherheit und zum Schutz des Eigentums der an der öffentlichen Versammlung Teilnehmenden sowie anderer BürgerInnen, der Erhalt von öffentlicher Ordnung und Ruhe, eines sicheren Strassenverkehrs sowie andere Massnahmen mit Bezug auf die Sicherheit der öffentlichen Versammlung liegen in der Verantwortung des Innenministeriums.“
Die serbischen Behörden hatten die Gay-Pride-Parade 2011 wegen Sicherheitsrisiken und aufgrund der gewalttätigen Gegendemonstrationen des Jahres 2010 verboten. 2010 stellte die Polizei den Teilnehmenden der Gay Pride angemessenen Schutz zur Verfügung: 5.000 PolizistInnen traten mehr als 6.000 Gegendemonstrierenden gegenüber.
Durch die eigene Beteiligung an der Pride-Parade 2010 in Belgrad ist sich Amnesty International der extremen Schwierigkeiten bewusst, denen sich das Innenministerium damals bei der Bewältigung der Sicherheitsprobleme gegenübersah, die durch Drohungen und Aktionen rechtsextremer Gruppen ausgelöst wurden. Die Organisation möchte jedoch darauf hinweisen, dass von den im Jahr 2010 festgenommenen Personen bisher nur wenige derjenigen, die für Gewalt und Drohungen gegen die VeranstalterInnen und Unterstützenden der Gay Pride verantwortlich waren, zur Rechenschaft gezogen worden sind. Im Zuge des Verbots der Gay Pride 2011 wurden wegen vermeintlicher Sicherheitsrisiken noch weniger Ermittlungen und Strafverfolgungen durchgeführt.
Amnesty International ist der Ansicht, dass die serbische Regierung die Achtung des Rechts auf Versammlungsfreiheit für LGBT-Menschen und andere Personen nicht ausschliesslich auf eine Frage der Sicherheit reduzieren kann. Das Verbot der diesjährigen Gay Pride würde erneut dazu führen, dass die serbische Regierung ihrer internationalen Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Gewährleistung der Rechte auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit für LGBT-Menschen und andere Personen nicht nachkommt.