Freiheitsstrafen gegen Menschenrechtlerinnen
Nach einem im Schnellverfahren geführten Prozess sind 13 Sprecherinnen einer am Ufer des Boeung-Kak-Sees in Phnom Penh gelegenen Gemeinde zu jeweils 30 Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden. Die Festnahme der Frauen hatte am 22. Mai während einer friedlichen Protestveranstaltung zugunsten von 18 ortsansässigen Familien stattgefunden, deren Wohnungen im Zuge von Zwangsräumungen abgerissen worden waren.
Die 13 Frauen hatten sich am 22. Mai zusammen mit anderen ProtestteilnehmerInnen auf einem Gelände am Seeufer versammelt, auf dem bis zu ihrem Abriss die Wohnungen von 18 Familien gestanden hatten, die von dort vertrieben worden waren. Eine der beteiligten Familien versuchte, Pfähle in den Erdboden zu rammen, um den Bereich zu markieren, auf dem einst ihr Haus gestanden hatte, wurde jedoch von der Polizei daran gehindert. Die übrigen DemonstrantInnen stimmten friedliche Gesänge an und hielten Ansprachen. Später am Tag lösten Polizei und Sicherheits-kräfte die Protestveranstaltung gewaltsam auf. Sie nahmen 13 Frauen fest und brachten sie zur Polizeiwache von Phnom Penh. Die Frauen wurden bis zum Morgen des 24. Mai auf der Polizeistation festgehalten. Von dort brachte man sie zum Stadtgericht von Phnom Penh, wo gegen alle 13 Frauen Anklage erhoben wurde.
Gegen die Frauen erging nach Paragraph 34/259 des Bodenrechts (illegale Besetzung öffentlichen Eigentums) und Paragraph 504 des Strafgesetzbuchs (schwerer Widerstand gegen die Staatsgewalt) Anklage. Ihre RechtsanwältInnen beantragten vergeblich Einblick in die Akten und die Beweislage. Auch die Anträge der JuristInnen auf Einvernahme von ZeugInnen und auf Vertagung des Prozesses, um ihn vorbereiten zu können, wurden abschlägig beschieden. Das Gerichtsverfahren dauerte gerade einmal drei Stunden und endete mit der Verhängung von jeweils zweieinhalb Jahren Haft gegen jede der Angeklagten. Für fünf Frauen wurden sechs Monate der Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die 72-jährige Nget Khun erhielt 18 Monate ihrer Gesamtstrafe auf Bewährung. Nach der Urteilsverkündung wurden die Frauen unverzüglich in das Gefängnis CC2 in Phnom Penh gebracht.
Eine weitere Frau namens Ly Chanary und ein Mann mit Namen Sao Sarouen, die als ZeugInnen der Verteidigung hatten aussagen wollen, wurden am 24. Mai vor dem Gerichtsgebäude unter denselben Anklagen wie die oben genannten Frauen festgenommen. Der zuständige Untersuchungsrichter vernahm die beiden und ordnete Untersuchungshaft gegen sie an. Der für die Menschenrechte engagierte Luon Sovath, ein buddhistischer Mönch, wurde von Männern in Zivilkleidung äusserst unsanft in ein Fahrzeug gezerrt und abtransportiert. Anschliessend hielt man ihn zehn Stunden lang in Wat Botum ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft und setzte ihn in den späten Abendstunden wieder auf freien Fuss.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Seit 2007 sind mehrere tausend am Ufer und in der Nähe des Boeung-Kak-Sees lebende Menschen von dort vertrieben worden. Seinerzeit war das fragliche Land zur Erschliessung an ein Unternehmen verpachtet worden. Die BewohnerInnen waren schikaniert und bedroht worden, um sie zur Annahme völlig unzulänglicher Entschädigungsleistungen zu drängen oder der Umsiedlung an einen Ort zuzustimmen, an dem weder Arbeitsplätze für sie vorhanden sind noch eine ausreichende Infrastruktur oder angemessene Grundversorgung existiert. Die Kampagnen, Aktionen und Proteste gegen die Umsiedlungsvorhaben waren in erster Linie von Frauen organisiert und durchgeführt worden.
Im August 2011 wies der kambodschanische Ministerpräsident eine Grundstücksfläche von 12,44 Hektar als Bauland für die Errichtung von Wohnungen für mehr als 900 im Umfeld des Boeung-Kak-Sees lebende Menschen aus. Bei der Umsetzung der Anweisung schloss die Stadtverwaltung von Phnom Penh rund 90 Familien mit der Begründung, ihre Häuser lägen nicht auf dem fraglichen Grundstück, als nicht anspruchsberechtigt aus. Mehr als 600 Familien wurden Landrechte zugestanden, doch die Proteste gehen für die ausgeschlossenen Familien ohne Landtitel weiter.
In den zurückliegenden Monaten sind die Sicherheitskräfte mit zunehmender Gewalt gegen friedlich Demonstrierende vorgegangen. MenschenrechtsverteidigerInnen und LandrechtsaktivistInnen werden schikaniert und unter falschen Anklagen inhaftiert. In ganz Kambodscha sind Tausende Menschen von Zwangsräumungen, Landraub und Auseinandersetzungen über Landrechte nachteilig betroffen. Viele der Dispute sind durch die Vergabe von Rechten zur wirtschaftlichen Nutzung von Ländereien an grosse Unternehmen und einflussreiche Einzelpersonen ausgelöst worden. Zwangsräumungen finden ohne Konsultation und ohne angemessene Benachrichtigung der betroffenen Menschen statt, denen weder rechtliche Schutzgarantien zur Verfügung stehen noch angemessene Ersatzunterkünfte angeboten werden.
Kambodscha ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie anderer internationaler Menschenrechtsabkommen. Damit steht die Regierung in der Pflicht, rechtswidrige Zwangsräumungen und damit einhergehende Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden und die Bevölkerung vor solchen Massnahmen zu schützen.