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Startseite Urgent Actions 2012 02 Freedom of expression at risk in Russia
UA 046/12
Russland
Abgeschlossen am 2. März 2012

Freie Meinungsäusserung gefährdet

AI-Index: EUR 46/002/2012

Das Recht auf freie Meinungsäusserung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LGBTI) in St. Petersburg könnte durch einen neuen Gesetzesentwurf stark eingeschränkt werden. Die dritte Lesung des Gesetzesentwurfes vor der gesetzgebenden Versammlung von St. Petersburg ist für die kommenden Tage anberaumt.

Der Gesetzesentwurf sieht Geldstrafen für „öffentliche Aktivitäten zur Förderung von Sodomie, Lesbentum, Bisexualität und Transsexualität bei Minderjährigen“ vor und tritt, sollte er die dritte Lesung bestehen, mit Unterschrift des Gouverneurs von St. Petersburg in Kraft. In der Folge würde dies LGBTI-Personen in ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken. Zudem hätten junge LGBTI-Menschen dann keinen Zugang mehr zu Informationen über existierende soziale Gruppen, Netzwerke zur Unterstützung und sexuelle sowie reproduktive Gesundheit. Dieser Informationsaustausch trägt jedoch grundlegend zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens von LGBTI Personen bei. Das Gesetz würde die LGBTI-Organisation in St. Petersburg zudem stark in ihren Aktivitäten und ihrer Arbeit einschränken.

Das vorgeschlagene Gesetz verletzt die Rechte auf freie Meinungsäusserung, Versammlungsfreiheit, Diskriminierungsfreiheit und auf Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. All dies sind Rechte, die durch internationale Menschenrechtsverträge, wie durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Europäische Menschenrechtskonvention, sichergestellt werden. Auch Russland hat diese Verträge unterzeichnet. Des Weiteren verstösst das Gesetz auch gegen Russlands eigene Verfassung, in der Diskriminierung verboten und das Recht auf freie Meinungsäusserung festgeschrieben ist. Die Diskriminierung von LGBTI-Personen, die in Russland bereits weit verbreitet ist, würde durch dieses Gesetz in der Rechtsordnung des Landes verankert werden und somit die Ansicht festigen, dass LGBTI-Personen nicht denselben Menschenrechtsschutz verdienen wie ihre heterosexuellen FreundInnen, Familienangehörigen und KollegInnen. So würde ein Klima der Feindseligkeit und Gewalt gegenüber lesbischen, bisexuellen, transsexuellen und intersexuellen Menschen entstehen.

Hintergrundinformationen

Dieser Gesetzesentwurf wurde ursprünglich im November 2011 vorgelegt, weitere Lesungen wurden damals jedoch zunächst verschoben.

Sollte das Gesetz in Kraft treten, würden „öffentliche Aktivitäten zur Förderung von Sodomie, Lesbentum, Bisexualität und Transsexualität bei Minderjährigen“ verboten werden. Bei Verstössen müssten Privatpersonen mit Geldbussen von 5.000 Rubel (126 Euro), Organisationen mit bis zu 50.000 Rubel (1.260 Euro) und Rechtspersonen sogar mit 250.00 500.000 Rubel (6.300-12.600 Euro) rechnen.

Das Gesetz beinhaltet ausserdem ein Verbot von „Propaganda für Pädophilie unter Minderjährigen“. Berichten zufolge stellte der Verfasser des Gesetzesentwurfs, das Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung von St. Petersburg Vitaly Milonov, während der Lesung Homosexualität mit Pädophilie und Drogenmissbrauch gleich. Er soll Gegner des Gesetzes beschuldigt haben, sich nicht für das Wohlergehen von Kindern zu interessieren. Folglich schafft das Gesetz eine Verbindung zwischen sexuellem Missbrauch von Kindern und einvernehmlichen, privaten sexuellen Handlungen und dem Ausdruck der Geschlechtsidentität. Dass es eine solche Verbindung nicht gibt, steht ausser Frage. Im Rahmen internationaler Menschenrechtsstandards ist es Staaten erlaubt, den Umgang mit sexuellen Aktivitäten, die Rechte Dritter verletzen, selbst zu beschliessen. Weder einvernehmliche, private gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen noch die Geschlechtsidentität und deren Ausdruck können jedoch dieser Kategorie zugeordnet werden.

Ähnliche Gesetze wurden in den russischen Regionen Rjasan und Archangelsk verabschiedet und Berichten zufolge in Moskau und Nowosibirsk beantragt. Es besteht die Gefahr, dass weitere Regionen folgen werden.

In St. Petersburg gibt es eine aktive und dynamische LGBTI-Gemeinschaft. Sollte dieser Gesetzesentwurf verabschiedet werden, würden die Aktivitäten und Arbeit der LGBTI-Organisationen und Personen stark beschnitten werden. Wenn die Verabschiedung in St. Petersburg verhindert werden kann, wäre dies für andere regionale und nationale Behörden ein Zeichen, solche Gesetzesentwürfe gar nicht erst vorzulegen.

Während der zweiten Lesung am 8. Februar wurden fünf AktivistInnen, die vor dem Stadtparlament protestiert hatten, festgenommen und sieben Stunden lang festgehalten. Sie wurden in der Folge der rechtswidrigen Demonstration und des Widerstands gegen PolizeibeamtInnen angeklagt.

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