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Iran
Abgeschlossen am 17. Februar 2012

Erneut Gefahr der Hinrichtung von Sakineh Mohammadi Ashtiani

AI-Index: MDE 13/001/2012

Meldungen in den iranischen Medien von Ende Dezember 2011 lassen erneut befürchten, dass die zum Tod verurteilte Sakineh Mohammadi Ashtiani schon bald durch den Strang – nicht durch Steinigung - hingerichtet werden könnte.

Sakineh Mohammadi Ashtiani, 44 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern, stammt aus der im Nordwesten Irans gelegenen Provinz Ost-Aserbaidschan. Sie war im Jahr 2005 festgenommen worden, nachdem ihr Ehemann ermordet worden war. Ein Gericht hatte Sakineh Mohammadi Ashtiani in einem unfairen Prozess des „Ehebruchs“ und in einem weiteren Verfahren der Mittäterschaft an dem Mord an ihrem Ehemann schuldig gesprochen. Wegen des Tatvorwurfs der Mittäterschaft war sie zu zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden, ein Strafmass, das später möglicherweise auf fünf Jahre herabgesetzt worden ist und somit abgelaufen wäre. Der Tatbestand des „Ehebruchs“ wird in Iran mit Steinigung bestraft. Der Rechtsanwalt von Sakineh Mohammadi Ashtiani hatte im Juli 2010 eine gerichtliche Überprüfung des Urteils der Steinigung beantragt. Ob seinem Antrag stattgegeben worden ist, entzieht sich der Kenntnis von Amnesty International. Sollte Sakineh Mohammadi Ashtiani allein wegen einvernehmlicher sexueller Beziehungen in Haft gehalten werden, würde Amnesty International sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten und sich für ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung einsetzen.

Sakineh Mohammadi Ashtiani wird derzeit in Ost-Aserbaidschan in der Strafvollzugseinrichtung in Täbris in Haft gehalten. Sie hat keinen Rechtsbestand, da ihr Anwalt seinerseits inhaftiert wurde und ihm die Anwaltslizenz entzogen worden ist. Nach einer Meldung der mit offizieller Genehmigung tätigen Iranischen Studentischen Nachrichtenagentur ISNA vom 25. November 2011 hat der Leiter der Justizbehörden der Provinz Ost-Aserbaidschan mitgeteilt, dass „islamische Sachverständige den Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani daraufhin überprüfen, ob sie durch den Strang hingerichtet werden kann. Später liess er verlauten, er sei „falsch zitiert“ worden, ohne allerdings klarzustellen, mit welchen Worten er sich tatsächlich geäussert hatte. Die Möglichkeit, Hinrichtungen durch den Strang vorzunehmen, war in Kreisen der Justiz schon früher in anderen Fällen diskutiert worden. Amnesty International befürchtet, die Meldung der ISNA könne ein Anzeichen dafür sein, dass erneut mit der Hinrichtung von Sakineh Mohammadi Ashtiani gerechnet werden muss.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Sakineh Mohammadi Ashtiani war zunächst des Mordes angeklagt worden, doch hatten ihre Kinder von dem ihnen nach iranischen Gesetzen zustehenden Recht verzichtet, auf der Anklage wegen Mordes zu bestehen. Stattdessen wurde Sakineh Mohammadi Ashtiani nach einem anderen Paragraphen des iranischen Strafgesetzbuches der Tötung für schuldig befunden und zu zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Ihr Anwalt erklärte gegenüber Amnesty International, dass der Oberste Gerichtshof des Iran später auf „Mittäterschaft“ erkannt und die Strafe auf fünf Jahre herabgesetzt habe. Doch bevor der Rechtsanwalt die relevanten Akten, die seinen Angaben zufolge im August 2010 von den Behörden beschlagnahmt worden waren, vorlegen konnte, wurde er selbst festgenommen.
Anfang Juli 2010 erbaten Justizangestellte in Täbris bei der Obersten Justizautorität des Iran unter Verweis auf einige vergleichbare Fälle aus früheren Jahren die Genehmigung, Sakineh Mohammadi Ashtiani durch den Strang und nicht durch Steinigung hinzurichten. Der Vorsitzende des Menschenrechtsrats der Justiz (High Council for Human Rights of the Judiciary – HCHR) gab daraufhin am 10. Juli 2010 bekannt, der Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani werde überprüft. Zugleich wies er jedoch darauf hin, dass nach iranischem Recht der Vollzug von Todesurteilen durch Steinigung erlaubt ist. Einen Tag später erklärte der Leiter der Justizbehörden in der Provinz Ost-Aserbaidschan, das gegen Sakineh Mohammadi Ashtiani wegen „Ehebruch und Mordes“ verhängte Todesurteil habe weiterhin Bestand und könne auf Weisung der Obersten Justizautorität jederzeit vollstreckt werden. Javid Houlan Kiyan, der Verteidiger von Sakineh Mohammadi Ashtiani, beantragte ebenfalls im Juli 2010 beim Obersten Gerichtshof eine ausserordentliche Überprüfung des Falles seiner Mandantin. Ob dem Antrag stattgegeben und eine Überprüfung vorgenommen worden ist, entzieht sich der Kenntnis von Amnesty International.
Der Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani wurde im Juli 2010 weit über die Grenzen des Iran hinaus bekannt. Einer ihrer Verteidiger flüchtete aus dem Iran, ihr Sohn wurde verhaftet. Darüber hinaus nahmen die Behörden Javid Houlan Kiyan fest und hielten ihn im Zusammenhang mit seiner anwaltlichen Tätigkeit zugunsten von Sakineh Mohammadi Ashtiani im Gefängnis von Täbris in Haft. Seine Festnahme und die des Sohnes von Sakineh Mohammadi Ashtiani war am 10. Oktober 2010 zusammen mit der Verhaftung von zwei deutschen Journalisten erfolgt, die mittlerweile alle wieder freigelassen worden sind. Ein von Javid Houlan Kiyan im März 2011 in staatlichem Gewahrsam verfasster Brief lässt vermuten, dass er während seiner Einzelhaft vom 11. Oktober bis 12. Dezember 2010 in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses gefoltert worden ist. Die letzten Informationen über seine rechtliche Situation datieren vom 1. November 2010, als ein Staatsanwalt bekannt gab, Javid Houlan Kiyan werde unter dem Verdacht des Besitzes von drei gefälschten oder dublizierten Ausweispapieren in Haft gehalten. Seitdem haben die iranischen Behörden keinerlei Angaben mehr zu seinem rechtlichen Status veröffentlicht. Aus anderen Quellen verlautete, Javid Houlan Kiyan sei verschiedener Anklagepunkte schuldig gesprochen und zu mindestens vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Möglicherweise seien noch weitere Anklagen gegen ihn anhängig. Die meisten, wenn nicht sogar alle gegen Javid Houlan Kiyan erhobenen Anklagen scheinen auf seine anwaltliche Tätigkeit zugunsten von Sakineh Mohammadi Ashtiani zurückzuführen zu sein. Er selbst ist derzeit nicht durch einen Anwalt vertreten, da sein Verteidiger Naghi Mahmoudi den Iran verlassen hat, nachdem er dort schikaniert und verfolgt worden ist. Naghi Mahmoudi hat bestätigt, dass Javid Houlan Kiyan Zähne ausgeschlagen worden sind, dass er einen Bruch der Nasenknochen erlitten hat, ihm Verbrennungen mit Zigaretten zugefügt worden sind und er erheblich an Gewicht verloren hat.
Der Rechtsanwalt Mohammad Mostafaei, der ebenfalls zugunsten von Sakineh Mohammadi Ashtiani tätig geworden war, brachte sich im Juli 2010 durch Flucht im Ausland in Sicherheit, nachdem die iranischen Behörden ihn zum Verhör vorgeladen hatten. Seine Ehefrau und sein Schwager wurden festgenommen, um Mohammad Mostafaei auf diese Weise zu zwingen, sich den Behörden zu stellen. Mittlerweile ist er in Abwesenheit der „Propaganda gegen das System“ und der „Gefährdung der Sicherheit des Staates durch Erörterung des Falls Sakineh Mohammadi Ashtiani mit ausländischen Medien“ schuldig gesprochen und zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden.
Der wegen „Ehebruch“ zum Tod verurteilte Abdollah Farivar Moghaddam wurde im Februar 2009 durch den Strang hingerichtet. Ursprünglich war er zum Tod durch Steinigung verurteilt, die Hinrichtungsmethode aber später geändert worden (siehe UA-50/2009-1).

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