Zwei Teenagern droht Hinrichtung
Der inzwischen 19-jährigen Fatemeh Salbehi droht die Hinrichtung, weil sie vor fast drei Jahren, also im Alter von 16 Jahren, ihren Ehemann getötet haben soll. Dem 19-jährigen Ehsan (Nachname ist Amnesty International bekannt) droht ebenfalls die Hinrichtung, nachdem er wegen mutmasslicher Vergewaltigung eines Mannes der „Homosexualität“ für schuldig befunden wurde, obwohl die Anschuldigungen inzwischen zurückgenommen wur-den.
Der Ehemann von Fatemeh Salbehi, der Berichten zufolge in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der örtlichen Justizbehörden tätig gewesen sein soll, wurde im Mai 2008 tot in seinem Haus in Schirāz aufgefunden: Fatemeh Salbehi befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Schule. Die damals 16-Jährige wurde festgenommen und einem Verhör unterzogen, ohne dass eine rechtliche Vertretung zugegen war. Nachdem Fatemeh Salbehi zunächst in einem „Geständnis“ angab, den Mord begangen zu haben, sagte sie später aus, dass zwei Männer in das von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnte Haus eingedrungen seien und ihn getötet hätten. Fatemeh Salbehi wurde von der Abteilung 5 des Strafgerichtshofs Fars des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde später vom Obersten Gerichtshof des Iran bestätigt. Ehsan wurde im Alter von 17 Jahren festgenommen, nachdem er und zwei weitere Jugendliche von einem Mann der versuchten Vergewaltigung beschuldigt worden waren. Berichten zufolge wurde Ehsan fast vier Wochen lang gefoltert und legte schliesslich in einem Verhör ein „Geständnis“ ab, widerrief dieses allerdings vor Gericht und bestritt alle Anschuldigungen. Ein Gericht in Fars befand Ehsan der „Homosexualität“ (lavat) für schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Einer der fünf Richter hatte Ehsan für „nicht schuldig“ befunden und seine Freilassung gefordert. Der Mann, der die Vorwürfe gegen die drei Jugendlichen ursprünglich erhoben hatte, nahm diese bereits vor der ersten Gerichtsverhandlung vollständig zurück. Die Abteilung 13 des Obersten Gerichtshofs in Teheran bestätigte das Todesurteil. Als Ehsan das 18. Lebensjahr erreicht hatte, wurde er aus dem Jugendstrafvollzug in das Adel-Abad-Gefängnis in Schirāz überführt. Es ist Amnesty International derzeit nicht bekannt, ob die Oberste Justizautorität bereits die Zustimmung für die Hinrichtung gegeben hat; sollte dies allerdings tat-sächlich der Fall sein, könnte Ehsan jederzeit hingerichtet werden.
Hintergrundinformationen
Fatemeh Salbehi wurde im November 1991 geboren und war zum Zeitpunkt ihrer Heirat mit Hamet Sadeghi im Jahr 2007 16 Jahre alt. Hamet Sadeghi war ein entfernter Verwandter und beinahe doppelt so alt wie sie. Bis zur Hochzeit waren die beiden sich nie begegnet. Gemäss iranischem Recht können Mädchen im Alter von 13 Jahren verheiratet werden, obgleich Väter die Möglichkeit haben, sich an die Gerichte zu wenden und eine Erlaubnis zu beantragen, die ihnen gestattet, ihre Töchter bereits im Alter von neun Mondjahren (etwa acht Jahre und neun Monate) zu verheiraten. Jungen können im Alter von 15 Jahren heiraten. Amnesty International ist nicht bekannt, ob sich Fatemeh Salbehi nach dem Tod ihres Ehemanns medizinischen Untersuchungen zur Feststellung ihres psychischen Zustands unterzogen hat. Gemäss iranischem Recht haben Personen, die des Mordes für schuldig befunden und zur „Vergeltung“ (qesas) und damit zum Tode verurteilt werden, unter Verstoss gegen Artikel 6(4) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte nicht das Recht, um Begnadigung oder die Umwandlung des Todesurteils durch die staatlichen Behörden zu ersuchen. Stattdessen haben die Blutsverwandten des Ehemannes von Fatemeh Salbehi nun das Recht, entweder auf die Hinrichtung zu bestehen oder eine finanzielle Entschädigung zu erhalten. Im Januar 2007 hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, der die Umsetzung der Kinderrechtskonvention überwacht, in dem General Comment 52 festgelegt, dass Kindern (Personen unter 18 Jahren) rechtlicher oder anderweitig gleichwertiger Beistand zur Seite gestellt werden müsse, und zwar ab dem Zeitpunkt einer polizeilichen Vernehmung und während sämtlicher darauffolgender Verfahren, seien es Gerichtsverhandlungen oder Verfahren sonstiger Art. Fatemeh Salbehi wurde polizeilich vernommen, ohne dass eine rechtliche Vertretung zugegen war. Darüber hinaus ist nicht bekannt, ob Fatemeh Salbehi während des Verhörs, in dem sie ihr „Geständnis“ abgab, anderweitiger Beistand zur Seite gestellt wurde. In dem Verfahren widerrief Fatemeh Salbahi ihr „Geständnis“. Nach Artikel 111 des iranischen Strafgesetzbuches kann „Homosexualität“ mit dem Tode bestraft werden, wobei die Art der Hinrichtung im Ermessen des Richters liegt. Es gibt keinen separaten Straftatbestand der Vergewalti-gung im iranischen Strafgesetzbuch; alle Vorwürfe der Vergewaltigung werden nach diesem Artikel geregelt. Gemäss diesem Artikel kann ein männliches Vergewaltigungsopfer nicht mit Hinrichtung bestraft werden. Das Völkerrecht untersagt die Hinrichtung minderjähriger StraftäterInnen, so auch in Artikel 6(5) des Internatio-nalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und der Kinderrechtskonvention, deren Vertragsstaat der Iran ist. Seit 1990 sind im Iran jedoch mindestens 47 minderjährige StraftäterInnen (StraftäterInnen, die zur Tat-zeit unter 18 Jahre alt waren) hingerichtet worden – acht dieser Exekutionen fanden 2008 und fünf im Jahr 2009 statt. Die letzte bekannte Hinrichtung eines minderjährigen Straftäters war die eines Jungendlichen, der lediglich als „Mohammad A.“ bekannt war und der am 10. Juli 2010 in Marvdascht, Schirāz, hingerichtet wurde. Im Alter von 17 Jahren war er der versuchten Vergewaltigung und des Mordes für schuldig befunden worden. Amnesty International hat eine Liste zusammengestellt, auf der über 140 jugendliche Straftäter aufgeführt sind, die in den vergangenen Jahren zum Tode verurteilt wurden – allerdings ist die Nachverfolgung ihrer anschliessenden jeweili-gen Schicksale sehr schwierig. Als der Iran die Kinderrechtskonvention ratifizierte, stufte der iranische Wächterrat (ein 12–köpfiges juristisches Gremium, das sicherstellt, dass Gesetze mit islamischem Recht und der iranischen Verfassung konform gehen) einige Artikel als Widerspruch zur Scharia und somit als nicht bindend ein. Artikel 37 wurde allerdings nicht beanstandet. Darin heisst es, dass „kein Kind der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen“ werden darf. Weiter heisst es: „Für Straftaten, die von Personen vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begangen worden sind, darf weder die Todesstrafe noch lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verhängt werden.“ In der Praxis wird dieser Artikel von iranischen Richtern seit Jahren ignoriert und der Iran ist eines der wenigen Länder, in denen mutmassliche minderjährige StraftäterInnen zum Tode verurteilt werden. Weitere Informationen über die Hinrichtung minderjähriger StraftäterInnen im Iran unter: Iran: The last executioner of children (MDE 13/059/2007), zu finden unter http://web.amnesty.org/library/index/engmde130592007.