Protestierenden drohen Misshandlungen
Den Menschen, die in Ägypten gegen Armut, Korruption und Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei sowie für ein Ende der Präsidentschaft von Hosni Mubarak demonstrieren, drohen Menschenrechtsverletzungen und die willkürliche Festnahme. Seit dem 25. Januar 2011 sind mindestens 14 Protestierende von den Sicherheitskräften getötet und über 1000 Menschen inhaftiert worden.
Die Proteste begannen am 25. Januar in Kairo und anderen ägyptischen Städten und erreichten nach dem Freitagsgebet am 28. Januar einen Höhepunkt mit Protesten im ganzen Land. In den vergangenen vier Tagen wurden mindestens 14 Menschen bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen durch die Sicherheitskräfte getötet. Zahlreiche weitere Personen wurden verletzt. Viele der Verletzten suchten aus Angst vor einer Festnahme kein Krankenhaus auf.
Nach Angaben von AnwältInnen und Menschenrechtsorganisationen in Ägypten wurden über 1000 Protestierende von den ägyptischen Sicherheitsbehörden festgenommen. Viele wurden von Bereitschaftspolizei und Angehörigen der ägyptischen Staatssicherheit bei der Festnahme verprügelt und nach ihrer Inhaftierung in Lagern der Zentralen Sicherheit erneut geschlagen. Die Sicherheitskräfte beschlagnahmten ihre Mobiltelefone und verweigerten den Verletzten die angemessene medizinische Behandlung. Der umgehende Zugang zu AnwältInnen wurde ihnen ebenfalls verwehrt.
Das Innenministerium beschuldigt die verbotene Muslimbruderschaft zusammen mit der Nationalen Vereinigung für den Wandel (National Association for Change) und der Bewegung 6. April, die Unruhen angestiftet zu haben. Acht Angehörige des Führungsgremiums der Muslimbruderschaft, darunter Eissam Aryan und Mohamed Mursi, wurden zusammen mit 20 weiteren Mitgliedern aus verschiedenen ägyptischen Regierungsbezirken festgenommen. Dem ehemaligen Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde und Vorsitzenden der Nationalen Vereinigung für den Wandel, Mohamed el-Baradei, wurde nicht gestattet, am 28. Januar zu demonstrieren. Die Behörden befahlen ihm zuhause zu bleiben. Viele Mitglieder der Organisation Nationale Vereinigung für den Wandel wurden festgenommen.
Am 27. Januar ordnete der Staatsanwalt die Freilassung einiger Inhaftierter gegen Kaution an. Man wirft ihnen nicht genehmigtes Versammeln, Angriffe gegen die Sicherheitskräfte, Beschädigung öffentlichen Eigentums und Behinderung des Verkehrs vor. Weitere Personen sind nach wie vor inhaftiert und es wird damit gerechnet, dass sie in den nächsten Tagen dem Staatsanwalt vorgeführt werden. Die ägyptischen Behörden benutzen die genannten Anklagen häufig, um die Versammlungsfreiheit einzuschränken und der ägyptischen Bevölkerung das Recht auf friedlichen Protest zu verweigern.
Hintergrundinformationen
In Ägypten herrscht seit 1981 der Ausnahmezustand und die Behörden wenden immer wieder Sondergesetze an, um Demonstrationen zu verbieten und die Rechte auf freie Meinungsäusserung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken und weitere Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Dazu zählen Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren vor Militär- oder Sondergerichten.
In den vergangenen Jahren führten ArbeitnehmerInnen des öffentlichen und privaten Sektors eine Reihe von Protesten und wilden Streiks durch und forderten bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Viele machen ihrer Unzufriedenheit mit Protesten vor Regierungsgebäuden in Kairo Luft. Einige dieser Demonstrationen wurden von Sicherheitskräften aufgelöst. Den Medienschaffenden versagte man von vornherein den Zugang oder man verwies sie bei Sitzstreiks und anderen Protesten vom Ort des Geschehens.
Für nähere Informationen über die Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäusserung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Ägypten siehe auch: Human rights concerns ahead of the parliamentary elections, 21. November 2010, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE12/032/2010/en