Sannikau jetzt in Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt
Präsidentschaftskandidat Andrei Sannikau, der am 14. Mai zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, wird jetzt ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft gehalten. Dadurch befindet er sich in grosser Gefahr gefoltert oder in anderer Weise misshandelt zu werden.
Andrei Sannikau wurde am 14. Mai 2011 zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er nach der Wahl am 19. Dezember 2010 an einer Demonstration in Minsk teilgenommen hatte. Während des Verfahrens gab Andrei Sannikau vor Gericht eine Erklärung ab, in der er betonte, er sei in Gewahrsam gefoltert und misshandelt worden. Er warf darüber hinaus dem Leiter der Hafteinrichtung des Geheimdienstes KGB vor, „das Leben und die Gesundheit“ seiner Frau und seines Kindes bedroht zu haben.
Am 17. Mai wurden seine Ehefrau und seine Mutter bei dem Bezirksgericht Partyzanski vorstellig und versuchten, eine Besuchserlaubnis zu erhalten, um Andrei Sannikau zu sehen. Das Gericht erteilte die Erlaubnis sofort. Als sie am Morgen des 18. Mai bei der KGB-Haftanstalt, in der er sich befinden sollte, darum baten ihn zu besuchen, wurde ihnen mitgeteilt, er wäre dort nicht inhaftiert. Die beiden Frauen suchten eine zweite Hafteinrichtung auf, in der Gefangene festgehalten werden, ehe man sie ins Gefängnis bringt. Doch auch dort sagte man ihnen, er befände sich nicht in diesem Haftzentrum. Dann riefen sie eine dritte Hafteinrichtung an und erhielten dort dieselbe Antwort.
Stunden später wurde seinem Anwalt mitgeteilt, dass Andrei Sannikau tatsächlich in der Hafteinrichtung des KGB inhaftiert sei. Weder sein Anwalt noch seine Familie haben bislang Zugang zu ihm. Dass er sich ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft befindet, erhöht die Folter- und Misshandlungsgefahr für Andrei Sannikau.
Hintergrundinformationen
Andrei Sannikau zählt zu einer Gruppe von elf derzeit inhaftierten gewaltlosen politischen Gefangenen, deren Festnahme im Zusammenhang mit einer weitgehend friedlichen Demonstration vom 19. Dezember 2010 erfolgt war.
Am neunten Verhandlungstag gab Andrei Sannikau eine Erklärung ab, in der er angab, das Beweismaterial gegen ihn sei unter Folter zustande gekommen. Er beschrieb die Methoden, mit deren Hilfe er körperlich und seelisch unter Druck gesetzt worden war, und die Aufforderungen der Behörden, er solle gestehen, was sie ihm vorgaben. Als er sich weigerte, ein solches „Geständnis“ abzulegen, teilte ihm der KGB-Leiter mit: „Dann müssen wir eben gegenüber deiner Frau und deinem Kind härtere Massnahmen ergreifen“. Andrei Sannikau nahm die Drohung sehr ernst und sicherte seine Zusammenarbeit zu, da er wusste, dass sich auch seine Frau in Haft befand und Schritte eingeleitet worden waren, um für seinen Sohn eine Pflegefamilie zu finden. Mit einem Rechtsanwalt durfte sich Andrei Sannikau erstmals am 22. März unter vier Augen beraten. Zu diesem Zeitpunkt sass er bereits mehr als drei Monate im Gefängnis ein. Im ersten Monat hatte er weder Briefe versenden noch erhalten dürfen. Überhaupt, so Andrei Sannikau, sei er von Informationen aus der Welt ausserhalb des Gefängnisses abgeschnitten gewesen.
Bei den elf gewaltlosen politischen Gefangenen handelt es sich um:
Präsidentschaftskandidaten: Mykalau Statkevich, Uladzimir Nyaklyayeu und Andrei Sannikau
Oppositionelle: Alyaksandr Atroshchankau, Pressesekretär von Andrei Sannikau; Zmitser Bandarenka, ebenfalls für Andrei Sannikau tätig; Zmitser Dashkevich, führendes Mitglied der oppositionellen Jugendbewegung „Jugendfront“; Eduard Lobau, Mitglied der „Jugendfront“; Mikita Likhavid, Student; Ales Kirkevich, Mitglied der „Jugendfront“; Pavel Sevarnyets, Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Vital Rymasheusky; Dmitry Bulanov, Krankenpfleger.