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FI 264/10-6
Belarus
Abgeschlossen am 16. Mai 2011

Ehemaliger Präsidentschaftskandidat in Haft misshandelt

AI-Index: EUR 49/011/2011

Am 12. Mai 2011 gab der gewaltlose politische Gefangene Andrei Sannikau während seines Gerichtsverfahrens zu Protokoll, dass er in der Haft physisch und psychisch misshandelt worden ist. Ausserdem sei ihm trotz starker Schmerzen die medizinische Versorgung verweigert worden. Andrei Sannikau hatte sich bei den Wahlen vom Dezember 2010 um das Amt des Präsidenten der Republik Belarus beworben.

Am 9. Tag seines Prozesses gab Andrei Sannikau eine Erklärung ab, in der er betonte, er sei unter Folter gezwungen worden, sich selbst zu belasten. Nach seiner ersten Verhaftung am 19. Dezember 2010 habe man auf ihn eingeprügelt und es ihm über Stunden hinweg verwehrt, eine Toilette aufzusuchen. Tag für Tag, so Andrei Sannikau, habe er seine gesamten Habseligkeiten in einen unbeheizten Keller schleppen müssen. Dort sei er über lange Zeiträume hinweg gezwungen worden, sich unbekleidet mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen an eine Wand zu stellen. Zudem habe er über lange Zeiträume hocken müssen. In diesen Positionen habe er selbst dann noch verharren müssen, als er über Schmerzen im Bein klagte, an dem er bei seiner Festnahme Verletzungen erlitten hatte. Andrei Sannikau teilte ferner mit, in dem Raum hätten sich maskierte Personen aufgehalten, die mit Knüppeln gegen die Wände geschlagen, ihn angebrüllt und getreten hätten. Während seiner gesamten Zeit in Haft habe er Handschellen tragen müssen. Ausserdem sei gezwungen worden, sich in äusserst unbequemer Körperhaltung fortzubewegen.

Als er sich in einer Unterredung mit dem Vorsitzenden des Geheimdienstes KGB weigerte, ein Geständnis abzulegen, wurde Andrei Sannikau nach eigenen Angaben gedroht: „Dann müssen wir eben gegenüber deiner Frau und deinem Kind härtere Massnahmen ergreifen“. Andrei Sannikau nahm die Drohung sehr ernst und sicherte seine Zusammenarbeit zu, da er wusste, dass sich auch seine Frau in Haft befand und Schritte eingeleitet worden waren, um für seinen Sohn eine Pflegefamilie zu finden. Mit einem Rechtsanwalt durfte sich Andrei Sannikau erstmals am 22. März unter vier Augen beraten. Zu diesem Zeitpunkt sass er bereits mehr als drei Monate im Gefängnis ein. Im ersten Monat hatte er weder Briefe versenden noch erhalten dürfen. Überhaupt, so Andrei Sannikau, sei er von Informationen aus der Welt ausserhalb des Gefängnisses abgeschnitten gewesen.

Der Gesundheitszustand von Andrei Sannikau verschlechterte sich in der Haft. Er leidet unter Gicht und ist von starken Schmerzen geplagt. Seiner wiederholten Bitte, während der gerichtlichen Anhörung mit Schmerzmitteln versorgt zu werden, wurde nicht entsprochen. Mehrmals bat Andrei Sannikau auch vergeblich darum, den Prozess zu unterbrechen, weil es ihm gesundheitlich sehr schlecht ging. Ein Amtsarzt suchte ihn zwar auf, erklärte jedoch anschliessend, Andrei Sannikau benötige keine weitere medizinische Behandlung. Auch dem Antrag der Verteidigung, die mehrfachen Bitten des Angeklagten um Hinzuziehung eines Arztes aktenkundig zu machen, gab das Gericht nicht statt. Während des Prozesses wurde Andrei Sannikau nur unzureichend mit Nahrung und Wasser versorgt.

Hintergrundinformationen

Andrei Sannikau zählt zu einer Gruppe von 13 derzeit inhaftierten gewaltlosen politischen Gefangenen, deren Festnahme im Zusammenhang mit einer Demonstration vom 19. Dezember 2010 erfolgt war. An jenem Tag hatten sich in der Innenstadt von Minsk Zehntausende Menschen zu einer Protestkundgebung gegen die nicht fair verlaufenen Wahlen versammelt. Die Demonstration verlief weitgehend friedlich. Vor dem Regierungsgebäude kam es dann doch zu einem gewalttätigen Zwischenfall, woraufhin die Polizei gegen die Menschenmenge einschritt. Die Ordnungskräfte nahmen mehr als 700 Personen fest, bei denen es sich überwiegend um friedliche ProtestteilnehmerInnen und an der Demonstration unbeteiligte Passanten handelte.
Die meisten der festgenommenen Menschen wurden unter der Anklage, gegen Verwaltungsvorschriften verstossen zu haben, zu zehn bis 15 Tagen Haft verurteilt. Gegen mehrere der DemonstrationsteilnehmerInnen, unter ihnen sechs der sieben von der Opposition nominierten Präsidentschaftskandidaten, andere Oppositionelle und unabhängige JournalistInnen, erging hingegen Anklage wegen „Schürens von Massenunruhen“. Bei einem Schuldspruch droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren. Die Behörden haben im Anschluss an die Demonstrationen landesweit Razzien in den Büroräumen der Opposition und von Medienunternehmen durchgeführt. MenschenrechterverteidigerInnen, RechtsanwältInnen und andere zivilgesellschaftlich engagierte Personen wurden in bislang beispielloser Weise in ihren Aktivitäten behindert und viele von ihnen in den Monaten nach der Demonstration festgenommen.
Die Zahl der gewaltlosen politischen Gefangenen beläuft sich aktuell auf 13 Personen. Fünf von ihnen sind zu Freiheitsstrafen von zwei bis vier Jahren verurteilt worden. Die in den weiteren Informationen zur UA-264/2010 erwähnten Personen, deren Namen nachfolgend nicht genannt sind, befinden sich derzeit gegen Kaution in Freiheit. Die Namen der noch in Haft befindlichen Menschen lauten:
Präsidentschaftskandidaten: Mykalau Statkevich, Uladzimir Nyaklyayeu und
Andrei Sannikau
JournalistInnen: Iryna Khalip, Korrespondentin der russischen Tageszeitung Novaya Gazeta
Oppositionelle: Alyaksandr Atroshchankau, Pressesekretär von Andrei Sannikau; Zmitser Bandarenka,ebenfalls für Andrei Sannikau tätig; Zmitser Dashkevich, führendes Mitglied der oppositionellen Jugendbewegung „Jugendfront“; Eduard Lobau und Ales Kirkevich, gleichfalls Mitglieder der „Jugendfront“; Pavel Sevarnyets, Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Vital Rymasheusky; Syargei Martseleu, für den Bewerber um das Präsidentenamt Mykalau Statkevich tätig; Dmitry Bulanov, Krankenpfleger.

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