Iranischem Teenager droht Hinrichtung
Der inzwischen 18-jährige minderjährige Straftäter Ebrahim Hamidi, ist zum Tode verurteilt worden, weil er angeblich vor zwei Jahren, also mit 16 Jahren, einem Mann gegenüber sexuell übergriffig war. Sein „Geständnis“ hat er inzwischen mit der Begründung widerrufen, man habe ihn dazu gezwungen. Ihm droht die Hinrichtung, und er hat zurzeit keine anwaltliche Vertretung.
Ebrahim Hamidi war in den Vororten von Tabriz in der Provinz Ostaserbaidschan in einen Kampf verstrickt. Er und drei Freunde wurden daraufhin festgenommen, und man klagte sie an, einen der Männer, mit denen sie gekämpft hatten, sexuell angegriffen zu haben. Nach drei Tagen in Haft, in denen er gefoltert wurde, „gestand“ Hamidi die Tat. Den anderen dreien sagte man zu sie freizulassen, wenn sie gegen Ebrahim Hamidi aussagen würden. Anfangs waren alle vier zum Tode verurteilt worden, doch während eines dritten Verfahrens sprach man die anderen drei Angeklagten frei. Ebrahim Hamidi wurde jedoch erneut wegen Lavat (Sodomie) zum Tode verurteilt. Das vermeintliche Opfer gab in einer aufgezeichneten Aussage gegenüber der Polizei am 7. Juli 2010 zu, dass ihn seine Eltern unter Druck gesetzt hätten, falsche Anschuldigungen zu erheben.
Der Oberste Gerichtshof hat das Urteil des Provinzgerichts in Ostaserbaidschan bereits zweimal zurückgewiesen und eine erneute Prüfung des Falls angeordnet. Doch das Provinzgericht scheint die Hinrichtung dennoch vollstrecken zu wollen.
Ebrahim Hamidi hat derzeit keine rechtliche Vertretung. Er war von dem bekannten Menschenrechtsanwalt Mohammad Mostafaei vertreten worden, der sich Anfang August 2010 gezwungen sah, das Land aus Sorge um seine Sicherheit zu verlassen. Die Gefährdung von Mohammad Mostafaei steht möglicherweise damit in Zusammenhang, dass er internationale Aufmerksamkeit auf den Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani gelenkt hat. Frau Ashtiani ist wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt. Auch im Fall von Ebrahim Hamidi hatte Mohammad Mostafaei im Juli 2010 einen offenen Brief geschrieben, um die Hinrichtung minderjähriger StraftäterInnen im Iran – Personen die wegen eines Verbrechens verurteilt sind, das sie mit unter 18 Jahren begangen haben sollen – an die Öffentlichkeit zu bringen.
Hintergrundinformationen
Seit 1990 sind im Iran 46 minderjährige StraftäterInnen hingerichtet worden – acht dieser Exekutionen fanden 2008 und fünf im Jahr 2009 statt. Derzeit befinden sich mindestens 135 minderjährige StraftäterInnen in der Todeszelle.
Delara Darabi wurde am 1. Mai 2009 hingerichtet, obwohl ihr die Oberste Justizautorität einen zweimonatigen Hinrichtungsaufschub gewährt hatte. Weder ihre Eltern noch ihre AnwältInnen wurden vor der Hinrichtung darüber in Kenntnis gesetzt, obwohl das iranische Recht vorschreibt, dass der Anwalt 48 Stunden vorher benachrichtigt werden muss. Behnoud Shojaee wurde am 11. Oktober 2009 hingerichtet, weil man ihn schuldig befunden hatte, als 17-Jähriger einen anderen Jugendlichen getötet zu haben. Seine Hinrichtung wurde sechsmal verschoben. Am 17. Dezember 2009 richtete man Mosleh Zamani hin; er war 2006 wegen der Vergewaltigung einer Frau zum Tode verurteilt worden. Er soll mit der um einige Jahre älteren Frau eine Beziehung geführt haben, als er 17 Jahre alt war. Sein Todesurteil wurde im Juli 2010 vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Er war jedoch möglicherweise rechtlich nicht angemessen vertreten worden. Das Völkerrecht untersagt die Hinrichtung minderjähriger StraftäterInnen, darunter Artikel 6(5) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und die Kinderrechtskonvention, deren Vertragsstaat der Iran ist. Für nähere Informationen über die Hinrichtung minderjähriger StraftäterInnen im Iran siehe: Iran: The last executioner of children (MDE 13/059/2007), zu finden unter http://web.amnesty.org/library/index/engmde130592007.
Nach dem iranischen Gesetzbuch kann Sodomie durch Auspeitschung oder Hinrichtung bestraft werden, wobei die Verhängung der Todesstrafe im Ermessen des Richters liegt.
Mohammad Mostafaei ist ein bekannter Menschenrechtsanwalt und Kritiker des iranischen Strafjustizsystems, der eine grosse Zahl von zum Tode verurteilten minderjährigen StraftäterInnen und politischen Gefangenen vertreten hat. Er war auch der Anwalt von Ebrahim Hamidi. Doch am 24. Juli 2010 wurde Mohammad Mostafaei festgenommen und verhört. Dies geschah offenbar, da er internationale Aufmerksamkeit auf den Fall einer weiteren Mandantin, der wegen Ehebruchs zum Tode verurteilten Sakineh Mohammadi Ashtiani, gelenkt hatte. Mohammad Mostafaei tauchte ab; seine Frau Fereshteh Halimi und ihren Bruder Farhad nahm man fest und inhaftierte sie im Evin-Gefängnis. Mohammad Mostafaei floh Anfang August 2010 zuerst in die Türkei und dann weiter nach Norwegen,seine Frau und seinen Schwager liess man frei (siehe UA-175/2009). In einem offenen Brief zum Fall von Ebrahim Hamidi schrieb er: „Ich habe festgestellt, dass viele Hinrichtungsfälle, die ich vertrete, insofern fehlerhaft sind, als ein Todesurteil nicht hätte verhängt werden dürfen. Auch in diesem Fall hat man eine unschuldige Person zum Tode verurteilt.“