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Startseite Urgent Actions 2010 07 Vicious circle of forced evictions
UA 167/10
Serbien
Abgeschlossen am 30. September 2010

Roma-Siedlung droht Zwangsräumung

AI-Index: EUR 70/012/2010

Nach einer Serie von rechtswidrigen Zwangsräumungen bereiten die Behörden in der serbischen Hauptstadt Belgrad gegenwärtig die Zwangsräumung einer weiteren informellen Siedlung vor, in der Angehörige einer Roma-Gemeinschaft leben. Mindestens 70 Häuser in der Siedlung Vidikovac sollen abgerissen werden. Den dort ansässigen Familien könnte durch die Zwangsräumung die Obdachlosigkeit drohen.

Mindestens 70 Roma-Haushalten in Vidikovac, einer Siedlung im Belgrader Stadtteil Čukarica, wurden Mitte Juni Räumungsbefehle zugestellt, in denen man sie über den geplanten Abriss ihrer Häuser Anfang Juli in Kenntnis setzte. Da die Zwangsräumung Anfang Juli aber nicht durchgeführt wurde, geht Amnesty International nun davon aus, dass sie innerhalb der nächsten Tage stattfinden wird. Die Familien befürchten, dass sie jederzeit ohne Vorwar nung aus ihren Häusern vertrieben werden können. Von der Stadtverwaltung sind sie nie zu der Räumung konsultiert worden, und ebenso wenig hat man ihnen Entschädigungszahlungen oder Ersatzunterkünfte angeboten.

Zwischen 2006 und 2008 sind einige der heute in Vidikovac ansässigen Roma-Familien aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten in ihre Heimat Serbien abgeschoben worden. Viele von ihnen stammen aus dem südlichen Teil des Landes, hatten diese Region in den 1990er Jahren aufgrund der ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jedoch verlassen. Da sie um die armseligen Wohnbedingungen und den Mangel an Berufschancen an ihren Heimat orten wussten, schlossen sie sich nach ihrer Rückkehr nach Serbien den in informellen Siedlungen in Belgrad lebenden Roma-Gemeinschaften an. Die Belgrader Stadtverwaltung plant nun, alle informellen Roma-Siedlungen in der Stadt abzureissen, hat bisher allerdings kein nachhaltiges Konzept zum Schutz der Menschenrechte der Bewoh nerInnen dieser Siedlungen vorgestellt. Folglich leben diese in ständiger Angst, Opfer von rechtswidrigen Zwangsräumungen zu werden.

Das Völkerrecht sieht vor, dass Zwangsräumungen nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen, und nur dann, wenn zuvor in ernst gemeinten Konsultationen mit den betroffenen Gemeinden alle möglichen Alternativen ausgeschöpft wurden. In diesem Fall müssen die Behörden die Betroffenen mit einem angemessenen zeitlichen Vorlauf schriftlich über die Räumung in Kenntnis setzen. Sie müssen zudem sicherstellen, dass niemand durch eine Zwangsräumung obdachlos wird oder in deren Folge eine anderweitige Menschenrechtsverletzung erleidet. Das schliesst den Zugang zu Rechtsmitteln, wie z.B. die Bereitstellung angemessener Entschädigungsmechanismen, ein. Die serbische Regierung hat die Verpflichtung sicherzustellen, dass die Behörden in Belgrad in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht handeln.

Hintergrundinformationen

Seit Anfang des Jahres 2010 vergrösserte sich die Siedlung Vidikovac beständig, da sich dort nach der rechtswidrigen Zwangsräumung von zwei anderen informellen Siedlungen in Belgrad viele Menschen neu ansiedelten.
Im April 2010 waren 35 Roma-Familien zur Räumung ihrer Häuser in der Siedlung Vidikovac gezwungen worden. Diese befanden sich auf der anderen Strassenseite des zurzeit von Zwangsräumung bedrohten Gebietes. Die Belgrader Stadtverwaltung stellte ihnen keine Ersatzunterkünfte zur Verfügung und verweigerte ihnen Hilfeleistungen sowie Entschädigungszahlungen. Da ihnen keine Ersatzunterkünfte angeboten worden waren, trugen viele der nun heimatlosen Familien alles zusammen, was nach dem Abriss von ihren Häusern übriggeblieben war, packten ihre persönlichen Gegenstände ein, und siedelten sich auf der gegenüberliegenden Strassenseite an, wo bereits zahlreiche Familien lebten.
Vor kurzem trafen 20 weitere Familien in der Siedlung Vidikovac ein. Ihre informelle Roma-Siedlung auf der Strasse Lazarus Kujundzic, die sich ebenfalls im Stadtteil Čukarica befindet, war im April geräumt worden. Die Behörden hatten die Gebäude von 38 Familien abgerissen, ohne die BewohnerInnen mit einem angemessenen zeitlichen Vor lauf schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen oder zu dieser Entscheidung zu konsultieren. Den Betroffenen stand nicht genug Zeit zur Verfügung, um ihren beweglichen Besitz einzupacken, sodass sie letztendlich nur die wenigen Dinge mitnehmen konnten, die sie tragen konnten. Die während dieser Zwangsräumung anwesenden VertreterInnen der städtischen Behörden und des Nationalen Romarats versprachen der Roma-Gemeinschaft Ersatzunterkünfte, Essen und Hilfeleistungen. Darüber hinaus sagten sie den aus dem Süden des Landes stammenden BewohnerInnen Hilfe bei der Umsiedlung in ihre Heimatorte zu. Diese Zusicherungen wurden allerdings nicht eingehalten.
20 der 38 vertriebenen Familien leben derzeit in Vidikovac. Vier in Belgrad gemeldete Familien sind ohne Obdach auf den Grundstücken ihrer abgerissenen Häuser zurückgeblieben. Einige Familien, die ebenfalls in Belgrad gemel det sind, konnten einstweilen in einem Roma-Kulturzentrum unterkommen. Die restlichen Familien sollen sich in anderen informellen Siedlungen in der Hauptstadt niedergelassen haben – unter anderem in der informellen Sied lung Belvil in Novi Beograd, die ebenfalls von Zwangsräumung bedroht ist.

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