Abschiebung am 23. Juni
Die britischen Behörden bereiten die Abschiebung des abgelehnten Asylbewerbers „Mr. S“ nach Mogadischu, der Hauptstadt Somalias, vor. Er soll am 23. Juni abgeschoben werden. Möglicherweise plant man, noch weitere somalische Staatsbürger an diesem Tag abzuschieben.
Amnesty International geht davon aus, dass es nicht sicher ist, somalische Staatsbürger_innen nach Süd- oder Zentralsomalia, einschliesslich Mogadischu, abzuschieben. Somalis laufen Gefahr, in der allgemein hohen Gewalt und den willkürlichen und unverhältnismässigen Angriffen verletzt oder getötet zu werden, da alle am Konflikt beteiligten Parteien das humanitäre Völkerrecht ständig verletzen. Daher sollte niemand nach Somalia abgeschoben werden.
Der somalische Staatsbürger Mr. S soll am 23. Juni aus Grossbritannien über Nairobi in Kenia nach Mogadischu in Somalia abgeschoben werden. Mr. S. kam im August 2003 nach Grossbritannien und stellte einen Asylantrag. Die britischen Behörden lehnten seinen Antrag ab und auch sein Rechtsmittel wurde im Februar 2004 zurückgewiesen. Alle späteren Rechtsmittel und Anträge sind ebenfalls zurückgewiesen worden. Die britischen Behörden behaupten, Mr. S. sei nicht in Gefahr, wenn er nach Süd- oder Zentralsomalia abgeschoben wird, obwohl in den Richtlinien des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), die am 5. Mai 2010 aktualisiert wurden, alle Regierungen aufgefordert werden, niemanden nach Süd- oder Zentralsomalia abzuschieben.
Amnesty International stimmt mit dem UNHCR überein und lehnt derzeit jede Abschiebung nach Süd- oder Zentralsomalia ab und ist der Überzeugung, dass allen Somalis aus dem Süden oder dem Zentrum des Landes der Flüchtlingsstatus oder ein anderer internationaler Schutz gewährt werden sollte.
Grossbritannien ist nach britischem und internationalem Recht, darunter die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die Anti-Folterkonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention dazu verpflichtet, niemanden in ein Land abzuschieben, wo ihm oder ihr Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
In Somalia werden Zivilpersonen Opfer willkürlicher und unverhältnismässiger Angriffe durch alle Konfliktparteien. Tausende sind bereits verletzt oder getötet worden und die Zahl der seit 2007 Binnenvertriebenen beläuft sich auf 1,55 Millionen. 2009 und 2010 hat sich die humanitäre Krise verschärft. Dazu gehören Rechtlosigkeit und Drohungen gegen Hilfsorganisationen. Immer weniger humanitäre Hilfe erreicht die Zivilbevölkerung. Zivilpersonen, die in von bewaffneten Oppositionsgruppen kontrollierten Gebieten leben, werden in zunehmenden Masse verschleppt, gefoltert oder getötet. Gerichtsähnliche Behörden lokaler Machthaber mit Verbindungen zu bewaffneten Gruppierungen haben Menschen bereits steinigen und öffentlich hinrichten lassen, ihnen wurden Körperteile amputiert oder man hat sie ausgepeitscht. Wer gegen internationales humanitäres Recht verstösst, geht jedoch weiterhin straffrei aus.
Die Übergangsregierung Somalias (Transitional Federal Government of Somalia – TFG) kontrolliert nur einen Teil von Mogadischu. Bewaffnete Gruppierungen kontrollieren weite Bereiche Süd- und Zentralsomalias. Sie begehen dort zunehmend rechtwidrige Tötungen und Folter, darunter auch Steinigungen, Amputationen und Prügelstrafen.
In den Richtlinien des UNHCR vom 5. Mai 2010 steht: „Angesichts der Sicherheitsrisiken, des andauernden bewaffneten Konflikts und der sich verschiebenden bewaffneten Fronten und fortdauernden weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen, ist es nicht zu vertreten, Somalis, ungeachtet ob sie aus dem Süden oder dem Zentrum des Landes, aus Somaliland oder Puntland stammen, nach Süd- oder Zentralsomalia abzuschieben“. Der UNHCR hat alle Regierungen aufgefordert, asylsuchenden Somalis aus Süd- oder Zentralsomalia, die nicht den Flüchtlingsstatus erhalten können, zusätzlichen oder ersatzweisen Schutz zu gewähren.